Sonntag, 9. März 2008

Verkannte Freunde

Letzte Woche in Berlin. Das Bundesinnenministerium und die Quandt-Stiftung laden zu einer Konferenz. 24 handverlesene Experten, nämlich Professoren, Bundestagsabgeordnete, Integrationsbeauftragte und Vertreter muslimischer Verbände, diskutieren über „Das Islambild in Deutschland“.

Schon nach der ersten Sitzung ist klar: Schuld am schlechten Ruf des Islam sind die Deutschen. Weil sie die Muslime ausgrenzen, sich dem Dialog verweigern. Und schuld sind vor allem die Medien – „Stern“, „Spiegel“, BILD, auch ARD und ZDF. Weil die so einseitig berichten: Über den 11. September, Ehrenmorde, Zwangsheirat, Selbstmordattentäter oder die Kriminalität türkischer Jugendlicher. Alles Einzelfälle, nicht repräsentativ.

Der wahre Islam sei ganz anders.


Es ist die Methode Scharping. Nicht Doping ist das Problem, sondern die Berichterstattung. Gibt es nicht Millionen Fahrradfahrer in Deutschland, die kein Hundeblut, kein Kälbermastmittel und kein EPO spritzen? Und dennoch so viel Bohei um Sinkewitz, Ullrich, Zabel?

Nichts als journalistische Panikmache!

Wer diese Haltung der muslimischen Vertreter auch nur vorsichtig hinterfragt, wird wütend niedergezischt. Und belehrt. All die genannten Fragen hätten mit dem Islam nichts zu tun. Sie seien vielmehr sozialer Natur. Aber klar – der Mord an der jungen Berlinerin Hatun Sürücü war ein verklausulierter Protest für bessere Schulen, der am holländischen Regisseur Theo van Gogh eine Bitte um mehr Geld für Haushaltswaren, vor allem Küchenmesser. Die Gewaltbereitschaft muslimischer Jugendlicher? Auch das allein eine Frage der fehlenden Chancen. Dass junge Zuwanderer aus Korea, Thailand oder Vietnam, die ebenfalls nicht auf Rosen gebettet sind, keinen Hang zur gewalttätig-feigen Rotte zeigen, ist wohl nur Zufall.

Verlogenheit hängt über der Veranstaltung wie die Schmeißfliegen über dem Kuhfladen. Und immer ist das Fazit: Die Deutschen haben versagt. Sie hätten sich abgesondert, sie hätten die Muslime nicht mitspielen lassen. Das ist wörtlich gemeint. Bekir Alboga, Sprecher der vom türkischen Religionsministerium finanzierten Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion eV., erzählt die herzergreifende Geschichte vom Fußballspiel, das ausfallen musste, weil die deutsche Mannschaft nicht erschien. Und so Tausend von Beispielen, aber alle mit dem gleichen Tenor:

Die erste Parallelgesellschaft haben die Deutschen errichtet; die der Muslime sei nur die Folge.

Auch heute täten die Deutschen nicht genug. Das große Wort heißt „Partizipationsrechte“. Das ist ein anderes Wort für Geld und Einfluss. Als eine junge Deutsch-Türkin überfreundlich darauf hinweist, dass die muslimischen Verbände kaum etwas täten, um durch sachliche Aufklärung die Angst vor dem Islam zu nehmen, wird sie von Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime zusammengestaucht. Die islamischen Verbände hätten kein Geld, weil sie nicht behandelt würden wie die christlichen Kirchen – ein klarer Verstoß gegen alle Gebote der Fairness. Wie immer: Die Deutschen sind schuld. Würden sie endlich Geld geben, könnte auch der Zentralrat der Muslime eine informative Website einrichten.

Und seine Millionen nicht nur in den Bau immer neuer Moscheen stecken.

Aiman Mazyek, gleichermaßen eloquent wie egozentrisch, ist einer der Ober-Pinocchios der öffentlichen Debatte. Er unterbricht, monologisiert, streut Bosheiten. Wer anderer Meinung ist, hat „nicht richtig hingeschaut“, „differenziert zu wenig“, „sieht die Dinge nicht präzise“. Er dagegen tut es. Und daher weiß er zum Beispiel:

„Der Islam ist apolitisch“.



Oder dass sich auch die Deutschen assimilieren müssten. Mazyek spricht immer von „den Muslimen“ und „wir“. Dass sein Verband lediglich einen winzigen Bruchteil der deutschen Muslime vertritt, ist diesen Worten nicht anzumerken. Nur wenn das Gespräch auf verfassungswidrige, kriminelle oder frauenfeindliche Ansichten einzelner muslimischer Organisationen kommt, wechselt er die Tonart wie ein Chamäleon seine Farbe. Dann ist er nicht zuständig, dann herrscht plötzlich die „Pluralität des Islam“. Eben noch die Gleichbehandlung mit deutschen Kirchen gefordert, jetzt die mit einem Kleingartenverein. Wie es eben gerade so passt. Auch die deutschen Kirchen und sogar der Papst können von dieser Taktik nur lernen. Wenn wieder mal ein Bischof fragwürdige Thesen vertritt, sollten auch sie sich jede Nachfrage oder Kritik mit Hinweis auf die Pluralität des christlichen Glaubens verbitten.

Noch so ein Experte ist Michael Lüders. Er ist Mitglied im türkischen Unternehmerverband, Berater des Auswärtigen Amtes, Autor der „Frankfurter Rundschau“ und früher der „Zeit“. Sein Mantra lautet:

„Kritik am Islam ist das eine, Denunziation das andere“.

Was in welche Kategorie fällt, entscheidet er. Und eigentlich fällt alles in die Sparte „Denunziation“. Dass man die Terroristenorganisation Hamas, die einen radikal-islamischen Staat errichten und Israel auslöschen will, „radikalislamisch“ nennt, findet er verwerflich. Denn das übergehe die vielen friedlichen Protestaktionen der Hamas. Außerdem sieht er eine grundsätzliche Benachteiligung des Islam.

„Viele Fragen“, so Lüders, „die man an Muslime richtet, würde man den Juden niemals stellen“.

Recht hat er. Jüdische Ehrenmorde sind selten, auch jüdische Mord- und Selbstmordanschläge. Juden zünden keine Botschaften an, sie stechen keine Regisseure tot, sie erlassen keine Fatwas gegen Schriftsteller, sie verfolgen Konvertiten nicht mit der Todesstrafe, sie halten ihre Frauen nicht wie Haustiere und sie schätzen Meinungsfreiheit und Demokratie. Deshalb stellt man ihnen nicht die Fragen, die man Muslimen stellt.

Aber warum beraten Leute wie Herr Lüders das Auswärtige Amt?

Fragen über Fragen. Die wichtigen blieben ungestellt. Zum Beispiel, wie sich die Scharia, die islamische Rechts- und Lebensordnung, mit unserer Verfassung verträgt. Und falls nicht, welche Konsequenzen darauf zu ziehen seien. Oder in welchem Rangverhältnis die muslimischen Verbände die Loyalität zu Staat und Glauben sehen. Oder warum so viele türkische Jugendliche selbst an den niedrigen deutschen Schulanforderungen scheitern, und ob das tatsächlich eine Frage des sozialen Standes ist – oder vielmehr Folge der glaubensgenährten Trägheit einer Pascha-Gesellschaft, die sich lieber bedienen und von der Allgemeinheit stützen lässt.

Vor allem aber eine Frage stand im Raum:

Wer hat eigentlich die Gäste und Diskutanten bestimmt?

Warum wurden keine wirklich kritischen Stimmen eingeladen, beispielsweise Seyran Ates, Necla Kelec oder Mina Ahadi? Warum nicht die deutscher Vertreter der christlichen Kopten, deren ägyptische Glaubensbrüder über das islamische Verständnis von Religionsfreiheit aus erster Hand berichten könnten?

Darüber sollten die Veranstalter dringend nachdenken. Und auch über die Moderatoren. Hülya Özkan vom ZDF hatte den eitlen Monologen von Kai Hafez ebenso wenig entgegensetzen wie der inhaltsfreien Aufgeregtheit einer Sabine Schiffer. Baha Güngör von der Deutschen Welle konnte und wollte Aiman Mazyek nicht stoppen, und Steffen Seibert, wieder ZDF, ließ die Unsäglichkeiten eines Michael Lüders unkommentiert vorüberziehen.



Manchmal wirkt auch Schweigen wie Komplizenschaft.

So war es eine durch und durch gescheiterte Veranstaltung. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble versprach zwar in seiner Begrüßung, diese Begegnungen fortzusetzen. Angesichts des Ertrages muss man das aber nicht befürworten. Erschreckend war vor allen die geradezu wahnhafte Unfähigkeit zur Selbstkritik auf Seiten der muslimischen Verbände, der ebenso berechnende wie beleidigte Rückzug in die Opferrolle – und die damit verbundene Zuweisung der angeblichen „Täterschaft“ an die Deutschen.

Wenn das die Grundlage des „Dialogs“ ist, kann man ihn auch unterlassen. Dann sollte man daraus aber auch die Konsequenzen ziehen und jedes Entgegenkommen einstellen.

(Nicolaus Fest)

2 Kommentare:

Vox Diaboli hat gesagt…

großartiger text!

Eisenschwein hat gesagt…

das verwunderliche an diesem "großartigen" (gundermann) text ist doch auch, dass solche gedanken in deutschland heutzutage noch gedacht werden dürfen. naja, fest ist alt und muss keine angst haben, in 20 jahren dafür ausgepeitscht zu werden.