Samstag, 14. März 2009

Wenn das hier schon das Leben ist, was machen dann die Toten

Die Regionalliga live im Gebührenfernsehen 3.0, beim Heimatsender MDR "Livestream" genannt. Ein atemberaubendes Schauspiel: Die erste Mitteilung an die Daheimgebliebenen handelt von einer "Gedenkminute für die Opfer von Winnenden". Das wollte man jetzt erstmal wissen, nach dem fantastischen Derbysieg letzte Woche. Der Reporter dehnt das Schweigen wie ein Gummiband. Zehn Minuten sind gespielt, es setzt sich der Livestreamreporter an seinen Livestreamreporterberichterstatterplatz. Er hat den Spielverlauf genau beoachtet. Er hat sich Notizen gemacht. Er wägt seine Worte sorgsam ab. Er schreibt: "Cottbus II beginnt etwas engagierter. Halle wartet ab und lauert auf den günstigen Zeitpunkt."

Draußen an den Empfängern sitzt die Gemeinde der Gebührenzahler und wartet auf genau solche Nachrichten. Doch geschliffen formuliert gelingen sie selbstverständlich nicht jede Minute. Immer mal Wasserstand, ja, klar. Aber einordnen, kommentieren, beschreiben? Mehr als dreimal die Halbzeit kann der beste MDR-Fachmann das nicht. Doch nun ist es wieder soweit, vom Livestreamreporterberichterstatterplatz, der kein Laptop mit UMTS-Internetverbindung ist, sondern ein Nokia-Handy mit MDR-Gruppenvertrag, orgelt die nächste Livemeldung heran. Es ist kurz vor der Halbzeit, beim MDR also die 25. Spielminute. In Cottbus geht es heiß her, auf diese Gelegenheit hat der Livestreamreporter gewartet: "Energie II müht sich, aber vor dem 16er der Gäste ist Schluss. Die HFC-Elf steht in der Abwehr sicher."

Wenn das hier schon live ist, was machen dann eigentlich die Toten? Wäre ein Deadstream wirklich noch langsamer als dieser Livestream? Wäre das denkbar? Möglich gar? Spielstand 0:0, Spielzeit irgendwo zwischen Pausentee und längst weitergespielt. Ahh, einordnen, sortieren, das muss ein Heimatmedium leisten. Tut es: "In Cottbus laufen die zweiten 45 min. Kein Wechsel auf beiden Seiten", tickert es über MDR.de. Spiel läuft also, aber offenbar ist der Nokia-Akku alle. Fünf Minuten Schweigen nach der Pause. Wieder wegen Winnenden? Nach der Zahl der livegestreamten Worte wird der jedenfalls nicht bezahlt.

Aber wir sind ja gleich durch. Im wahren Leben noch drei Minuten bis Spielende, im MDR-Internet also noch 35. Minuten zu spielen, im MDR-Videotext noch 17. Der Livestreamreporter sucht eine Steckdose. Ganz kurz tickert er "Jetzt Halle: Nach Stark-Freistoß kommt Lachheb zum Kopfball - Pentke hält" und dann noch, dass Kittler einen "schönen Kopfball" aufs Tor bringt.

Auf einmal ist auch schon wieder eine Kaffeepause für den Streamdiener vorüber. Rein rechnerisch ist auch das Spiel gleich aus, aber in Cottbus und beim MDR gehen die Uhren anders. 81. Minute, Riesenmöglichekit für die Heimelf, gibt der sonst so totenstille Mann vor Ort durch, vermutlich jetzt über ein Wandtelefon mit Drehwählscheibe im Stadionkeller. Horvat habe Zimmermann ausgebremst, der aus 10 Metern abgezogen hatte. Soviel Poesie, der muss ein ADAC-Mitglied sein, der das berichtet. Es ist jetzt, rein rechnerisch bereits nach Spielschluss, viel Zeit, über die Szene nachzudenken. Horvat bremst aus. Zimmermann hatte abgezogen. Hat Horvat den Ball gefangen? Den Spieler gefoult? Ist es möglich, Fußballspiele mit noch weniger angebrachten Worten noch schlechter zu beschreiben?

Es tut sich nichts mehr. Könnte der Nokia-Akku sein. Oder es liegt daran, dass nun wirklich Schluss ist. Oder nicht? "Doppelchance zum Sieg?", tickert der Livestream, auferstehend vom Totenbett. Der Verantwortliche dort weiß es also offenbar auch nicht. Kanitz? Kanitz. Aber "erst schießt er über Tor, dann hält Pentke". Wird jetzt weitergespielt, wenn der Ball übers Tor geht? Rätsel über Rätsel. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Köhler wechselt Kunze für Müller ein. Das Spiel ist seit zehn Minuten vorbei, aber im Liveticker immer noch rosa. Läuft also noch. Im Livestream nicht mehr. Schluss, Aus, vorbei. Beide rissen keine Bäume aus, fazittet der Experte am Wandsprechgerät kurzangebunden. Alle drei, müsste es heißen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das erinnert mich an die sensationelle Telefonreportage vom 03.11.73 aus Teheran, als HFO vom Balkon einer sehr gastfreundlichen Familie eine sehr spannende Zustandsschilderung des letzten Qualispiels zur WM 74, Albanien - DDR, reportierte.

Ist es schon wieder soweit? Kann ich meine Uniform wieder aus dem Schrank holen?

Oder ist das eine regionale Nichtbeachtbarkeit?

Anonym hat gesagt…

Ähm, was denn für ein Livestream? Ordne doch erstmal die Fachbegriffe der Internetwelt, bevor Du irgendwelchen banalen Kram zu einem Beitrag aufbläst, nur damit der Blog irgendwie gefüllt wird ...