Samstag, 31. Juli 2010

Mordsrenditen aus maroden Buden

Die einen bauen und verkaufen mit großem Aufwand Millionen hochwertiger Kraftwagen, die anderen forschen angestrengt nach neuen Medikamenten und drehen Milliarden Pillen, die nächsten beliefern die ganze Welt mit einmalig grandiosen deutschen Werkzeugmaschinen. Und alle, ja, alle träumen sie immerzu von zweistelligen Umsatzrenditen und leicht verdienten Gebirgen von Geld, um "gierige Manager" (Sigmar Gabriel) und nimmersatte "Kuponschneider" (Karl Marx) endlich einmal ruhig zu stellen.

Allein, es gelingt ihnen nicht. Der große Lkw-Hersteller Man etwa kommt trotz ausgerufenem Krisenende auf eine magere Umsatzrendite von sechs Prozent, der Autozulieferer Conti auf acht, Daimler Benz trotz boomender Verkäufe auf fünf, Edeka auf nicht einmal vier, Aldi Nord gar nur auf drei.

Allerdings gibt es sie dennoch, die Renditewunder, die Geldmaschinen und Goldgruben. Versteckt haben sie sich ganz unten, wo keine Wirtschaftswoche hinschaut, tief in der Provinz, wo die Krise gar nicht über die Stadtmauern gelassen wurde. Halles größter Vermieter, etwa Hallesche Wohnungsgesellschaft genannt, zaubert aus einem zur Hälfte maroden Wohnungsbestand, in dem jede sechste Wohnung leer steht und verfällt und 20 Jahre nach dem Mauerfall nicht einmal zwei Drittel aller Wohnungen saniert sind, seit Jahren nicht nur unablässig steigende Umsätze, sondern auch Umsatzrenditen, bei denen jedem privatkapitalistischen Gierhals die Augen tränen: 2008 gelang es, eine Umsatzrendite von 19,4 % zu erwirtschaften, und auch 2009 quetschte die von klugen Politikerinnen geschickt geleitete gemeinnützige Gesellschaft aus 79,6 Millionen Euro Umsatz immer noch einen sagenhaften Jahresüberschuss von 11,7 Mio. Euro.

Das ist zwar ein Rückgang gegenüber 2008, doch angesichts der "größten Krise seit 1929" ein achtbares Ergebnis mit geradezu unglaublichen 13,6 Prozent Umsatzrendite: 22 Mal höher als in der Metallbranche, doppelt so hoch wie beim Klebstoffhersteller Henkel und einen kleinen Schluck sogar höher als bei der Edelkarossenschmiede Porsche.

Wie machen die das? Wie kriegen die das hin? Magie oder Mogelei?, das sind die drei meistnichtgestellten Fragen angesichts dieser fantastischen Zahlen. Denn in der Stadtverwaltung ist der Jubel groß über das bereits vor drei Jahren geplante Ergebnis. Seinerzeit war beschlossen worden, dass die Wohnungsgesellschaft über die nächsten Jahre insgesamt 142 Millionen Euro aus ihren Mietern pressen und das Geld an die klamme Stadt abführen müsse. Mit einer konsequenten Premiumstrategie gelang es dem Unternehmen, die durchschnittliche Miethöhe in nur einem Jahr von 4,19 pro Quadratmeter auf sozialverträgliche 4,35 Euro zu steigern. Die Kulturmetropole Halle liegt damit nur noch rund einen Euro hinter München (5,40 Euro/m²) und fast gleichauf mit Düsseldorf (4,60 Euro/m²). Bremen (2,80 Euro/m²), das provinzielle Leipzig (2,75 Euro/m²) und Erfurt (2 Euro/m²) konnte die Saalestadt bereits hinter sich lassen.

8 Kommentare:

ABV hat gesagt…

Daran sieht man mal wieder, daß eine sozialistische Planwirtschaft eben doch dem Kapitalismus haushoch überlegen ist.

ppq hat gesagt…

haushoch, genau, haushoch

man google nur mal nach tannenzäpfle. höhere eigenkapitalrendite als die deutsche bank und keiner weit und breit, der sich darüber aufregt. ja, der kurt beck vonne SPD, dem die bude gehört, der kann es eben!

derherold hat gesagt…

Da sollte *ppq* einfach mal die Techno-Partydrogen weglassen - oder die Angaben in Leserbriefen der MZ ("Ich muß für meine Plattenbauwohnung in Cottbus mehr bezahlen als meine Tochter in Stuttgart-Killesberg") auf ihre Wahrscheinlichkeit überprüfen.

Daß Halles Mietpreise nicht 2,5-mal höher sein können als die von Erfurt (bis Ende der 90iger auf Dräääsdner Niveau), müßte einem eigentlich der kleine Finger sagen.

Wir wollen auch gar nicht so feinsinnig sein und auf den Unterschied zwischen "unsanierter Altbau" mit "top modernisiert/Neubau" verweisen: Einfach mal unter Mietspiegel München/Stuttgart/etc. googeln und man wird finden, daß das Mietpreisniveau dort "doppelt so hoch" ist wie in Halle, das meiner Erfahrung nach auf Leipziger Niveau liegt.

Anders formuliert:
Als Mieter lebt man in Ostdeutschland in paradiesischen Verhältnissen. Boomende Städte wie Jena können allerdings verfallende (Armut, Verschuldung, Arbeitslosigkeit) Städte wie Bremen oder Kiel überholen ohne einzuholen.

HWG
Die hohen Renditen beruhen nicht auf Ausbeuterverhalten, sondern auf der gering(er)en finanziellen Belastung aus (Alt-)Krediten. Daß ein städt. Unternehmen diesen Vorteil nicht (allein) den Mietern zugute kommen lassen ... und nebenbei den Wohnungsmarkt ruinieren ... kann, sollte sich von selbst verstehen.

Mein Tip:
Den letzten Absatz streichen.

ppq hat gesagt…

danke für den hinweis. aber ich habe ja nicht das mietniveau der städte veglichen, sondern dahingehend getrickst, dass ich die durchschnittsmiete der hwg-wohnungen (14 % leerstand, zu 57 % saniert) zum gesamtdurchschnittsnideau der anderen städte ins verhältnis gesetzt habe. die quelle hatte ich eigentlich verlinkt, ist jetzt fort, ich suche sie nachher nochmal raus.

es ging hier nicht um eine wissenschaftliche aufarbeitung, dazu fehlen mir zeit und ziel. sondern um die frage, warum diese sensationszahlen eigentlich nirgendwo hinterfragt werden. 13 % umsatzrendite im schlimmsten krisenjahr seit 1929, in einer stadt mit mörderisch hoher arbeitslosigkeit und den meisten hartz-4-empfängern südlich von stralsund...

ich verwette meine passworte, dass ich nicht falsch liege, einen zusammenhang zu sehen zwischen mietübernahme d.d. staat und einer in einem jahr um 16 cent gestiegenden durchschnittsmietpreis.

derherold hat gesagt…

Klar, die "Mietbedingungen" werden hingebogen, damit das maximale an Mieteinnahmen "abgerechnet" werden kann (Man kennt sich, man hilft sich).

Auch wenn sich das paradox (oder zynisch) anhört: Halles Problem sind nicht die Mieten, sondern die schwache Wirtschaftskraft. Wenn ich es richtig sehe, liegt man bei den Gewerbesteuereinnahmen hinter BuLKarien und die schwadronierte Weisheit *Forschung=Wachstum* ist eben keine.

Die Mieten sind moderat, der Wohnungsbestand im Lack: man verkommt auf hohem Niwau.

P.S. Ich würde lieber im Glauchaer Viertel wohnen als im "Wunder vom Marxloh". Und nicht nur ich. ;-)

ppq hat gesagt…

freilich ist das richtig. aber wenn wir jetzt zweis zusammenrechnen: schwache wirtschaftskraft/niedriges durchschnittseinkommen und die durchschnittliche miethöhe bei der hwg, dann stellen sich doch fragen wie etwa die, auf wessen kosten eigentlich die elf millionen gehen, die die hwg der stadt weisungsgemäß überweist.

ich staune da immer , dass solche fragen hier öffentlich nie und nirgendwo gestellt werden

Friederich hat gesagt…

Nach Tannenzäpfle googelt man nicht, das trinkt man. Ich kenne kein besseres Bier. Ich gönnen denen ihren Erfolg, auch wenn das ein VEB ist.

VolkerStramm hat gesagt…

ich staune da immer , dass solche fragen hier öffentlich nie und nirgendwo gestellt werden

Echt?
Dieses Staunen habe ich mir Ende des letzten Jahrtausends (bis dahin glaubte ich noch an freie Presse) abgewöhnt. Seitdem staune ich nur noch, wenn die Presseerklärungsabschreiber und Sprachregelungssverteiler mal die naheliegenden Fragen stellen.
Zum Glück passiert das nicht so oft. Oder hat mal jemand die seltsamen Umstände von Kirsten Heisigs Ableben hinterfragt?