Donnerstag, 30. September 2010

SPD 2.0: Krude Thesen am virtuellen Tresen

Obama hat es gemacht, Mark Zuckerberg hat es reich gemacht, Google hat es vergebens versucht und jetzt kommt die SPD, um das Internet auf dem Weg zurück zur Macht endgültig von innen aufzurollen. Die letzte westdeutsche Volkspartei plant, ihren Internetauftritt zu einem sozialen Netzwerk umzubauen, auf dem nicht nur Parteimitglieder den Verlautbarungen von Parteiführern in ihren eigenen Worten vorbehaltlos zustimmen können. Ziel sei, die SPD "in die gesellschaftlichen Dialoge einzuklinken" und sich "mit offenem Visier" Kritik und Bewertungen "von außen und den eigenen Mitgliedern" auszusetzen, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Besonders gelungene lobende Zuschriften soll ein Bonussystem prämieren, mit dem sich virtuelle Wahlkampfartikel wie elektronische Winkelemente und poppige Gabriel-Banner für eigene Blogs von Mitgliedern und Parteifreunden in sogenannten "SP-D-Mark" bezahlen lassen.

Wir wissen nicht, "wie das Ganze genau läuft und wie sich das entwickeln wird", räumte Nahles ein. Es handele sich um ein "kleines Experiment", und es sei unklar, ob alle Mitglieder einverstanden seien. Schließlich seien sie es nicht gewohnt, "auf der Seite Sachen zu lesen wie 'die SPD spinnt'". Deshalb werde natürlich ein Redaktionsteam im Newsroom im Willy-Brandt-Haus den Webauftritt penibel im Auge behalten. Jeder, der auf der Seite ein Benutzerkonto eröffne, dürfe Artikel kommentieren und anderen Usern antworten. Grundsatz sei jedoch, dass krude Thesen außen vor blieben und keine Werbung für SPD-feindliche Positionen gemacht werde.

Einen ersten Test der Parteitreue der User erwarte man beim öffentlichen Tribunal über den Parteiausschluss des "bekennenden Rassisten" (Migrantenrat Berlin) Thilo Sarrazin. Die Hinrichtung des früheren Bundesbankes werde per Livestream ins Netz übertragen, interessierte Genossinnen und Genossen könnten einzelne Fangfragen direkt kommentieren, so dass sich auch zehntausende Twitter- und Facebooknutzer, die das Buch des Abweichlers nicht gelesen haben, sich sofort ein mit der Bewertung durch den Parteivorstand identisches Urteil zu bilden in der Lage seien. In einem Netshop will die Partei überdies T-Shirts (Bild oben) anbieten, mit denen Parteimitglieder gegen die kruden Thesen des Ex-Senators protestieren könne.

Abriss-Exkursionen: Großhandel mit Geschichte

So groß, wie der Großhandel heute ist, war er damals natürlich nicht. Die DDR war ein kleines Land mit kleinem Warenangebot, in den Regalen der Läden war nur eines immer da - nichts. Die Verteilung konnte so auf wenig Raum organisiert werden: Ein Komplex aus Pappbaracken, gruppiert um einen luftigen Hof mit Standard-Gehwegplatten, reichte völlig aus, den Beschäftigten des VEB Großhandel ein angemessenes Refugium zu bieten. Zentral geplant und straff in Listen erfasst beschickten die Kolleginnen und Kollegen von hier aus virtuell HO-Gaststätten und Konsumverkaufsstellen. Waren mussten dazu, das ist wie heute in der Amazon-Zentrale, nie bewegt werden.

Dennoch war das virtuelle Verwaltungsvermögen für unsichtbare Bestände nicht genug, das Barackenimperium über die Zeiten zu retten. Als die westlichen Ladenketten einfielen, die volkseigenen Lieferanten sich reihenweise abmeldeten und Konfitüre aus Oebisfelde so gefragt war wie die Pest, schlossen sich die Pforten des volkseigenen Betriebes, an dem nicht mehr nur das Volk kein Eigentum mehr haben wollte, sondern auch kein westlicher Investor.

Zwanzig Jahre später sind von der Schaltstelle für Bückwaren und Überflüssiges, Begehrtes und nie Gesehenes nur ein paar halbzerschlagene Häuslein geblieben, in denen sich verrottetes Papier zu mit dem Wechsel der Jahreszeiten zu dicken Packen von steinartiger Konsistenz zusammengebacken hat. Ein Großhandel für den Geruch der Geschichte ist das, für die Zwergenhaftigkeit des Landes, in dem er einst eine wichtige Rolle spielte. An den Wänden, über den letzten naturbelassenen Bahnen originaler DDR-Bürotapete, die üblichen Legastheniker-Schriftzüge, in den Ecken Kippen, Notdurft und verrostete Büchsen. Die Konkurrenz, die den Platz hierfür bereitet hat, zieht nach: Der Metro-Konzern schließt seinen Großmarkt Ende kommenden Monats, 141 Arbeitsplätze werden gestrichen. sobald die neue Ruine etwas Patina angesetzt hat mehr hier im Rahmen der PPQ-Serie Abriss-Exkursionen.

Mittwoch, 29. September 2010

Wiedergeboren als Welterklärerin

Wie hat sie das nur hinbekommen? Zu DDR-Zeiten war Angelika Weiz eine der führenden Röhren für Blues, Jazz und Soul, sie sang für Günther-Fischer und Horst Krüger, gründete schließlich ihre eigene Band Loud People und gastierte schon vor dem Mauerfall überall im westlichen Ausland. Viele Fans nicht nur dort fragten sich später, was nur aus ihr geworden sei. Die Powerfrau, die als eine der ersten DDR-Künstlerinnen durchgesetzt hatte, englischsprachige Titel produzieren zu dürfen, schien von der Bildfläche verschwunden, nur gelegentlich hörten Eingeweihte Gerüchte, dass sie mit Reinhard Lakomy arbeite und mit Kolleginnen wie Anke Schenker und Ines Paulke als Swing Sisters auftrete.

Falsche Fährten, Ablenkungsmanöver! In Wirklichkeit hat Angelika Weiz, die aus dem katholischen Eichsfeld stammt, eine völlig neue Karriere gestartet. Die gebürtige Heiligenstädterin singt nicht mehr, sie schreibt: Als Mariam Lau hat sich die Wahlberlinerin einen Namen als führende deutsche Journalistin für welterklärung und Artverwandtes gemacht.

Keine Karriere vom Reißbrett: Eher zufällig hatte Weiz nach dem Mauerfall, als die Auftrittsangebote ausblieben, begonnen, als Kulturredakteurin der tageszeitung zu arbeiten. Um ihre Chancen auf eine Festanstellung zu erhöhen und zu vermeiden, sofort auf die leidigen Ostthemen angesetzt zu werden, stellte sie sich als Mariam Nirumand; vor 1962 in Teheran als Tochter eines iranischen Publizisten geboren und 1965 auf der Flucht vor dem Regime von Schah Reza Pahlavi nach Deutschland geflohen. Annette Schwarzenau, Mitgründerin der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz (AL) in West-Berlin, deckte die Legende ihrer Freundin, um der den Einstieg in den Ausstieg aus dem leidigen Musikgeschäft zu erleichtern, wie Freunde damals erfuhren.

Nicht geplant war, dass die Schreibe der bis dahin meist als Interpretin tätigen Angelika Weiz, von Beruf eigentlich Fotografin und über die DDR-Singebewegung zur Musik geraten, vor allem in den alten Bundesländern so ankommen würde. Schon 2003 veröffentlichte sie unter ihrem Pseydonym "Lau" eine nicht autorisierte Biografie über Harald Schmidt, daraufhin warb sie die Welt als Chefkorrespondentin, später wechselte Angeloka Weiz zur rennommierten Zeit nach Hamburg, wo sie sich unter anderem um Angela Merkel und die Modernisierung der CDU, um Ästhetik und Rhetorik des Geldes, das Ende des Feminismus und die Holocaust-Industrie kümmert. Nur der notorische Meckerkopf Wiglaf Droste, der in seinem Leben bisher nur eine einzige Karriere vorzuweisen hat, die im Moment in Leipzig zu enden scheint, schimpft angesichts solcher Leistungen immer noch: Mit Mutti Lau auf Gartenschau. Alle anderen aber applaudieren.

Mehr erstaunliche und erschütternde Wiedergeburten in der einzigartigen PPQ-Wiedergeboren-Datenbank mit Arjen Robben, Saddam Hussein und Walter Steinmeier.
Jens Lehmann

Klimaangst aus der Schreibmaschine

Als die Klimakatastrophe noch in Ordnung war, kabelte Holger Dambeck siedend heiß aus San Francisco die neuesten Hiobsbotschaften. "Wissenschaftler fürchten, dass beim Klimawandel schnelle, katastrophale Veränderungen anstehen", wusste der Spiegel-Experte für Fahrräder und fatale Folgen des menschengemachten Klimawandels anno 2007 brühwarm zu berichten. Ein renommierter US-Klimaforscher appellierte durch ihn direkt an Kanzlerin Angela Merkel, den Bau neuer Kohlekraftwerke zu überdenken: "Ihre Führungsqualitäten sind gefragt", übersetzte Dambeck, der später auch noch klarstellte, dass die Argumente "mancher Wissenschaftler", die das Erdklima mit periodischen Sonnenzyklen erklären wollen, astrologischer Spökenkiekerei ähneln.

Seitdem Sommer in Deutschland aber vorzugsweise Wasser regnen und sich die Sonne kaum noch blicken lässt, hat auch Holger Dambeck umgedacht. Der radelnde Wissenschaftsredakteur ist zum Astrologen konvertiert, wie ein neuer schwitznasser Report aus seiner flinken Feder vermuten lässt. Ansatzlos schwadroniert der Experte jetzt von "neuen Sonnenzyklen", die "ein kühleres Klima auf der Erde" zur Folge haben könnten.

Fakt ist nun für ihn, dass die "schnellen, katastrophalen Veränderungen" irgendwie auf der Strecke geblieben sein müssen. Ganz neue Neuigkeiten gilt es nun aus San Francisco zu berichten: "Die Sonne bestimmt das Klima auf der Erde"! Wer hätte das wohl noch gedacht? Nichts mehr von wegen "menschengemachter Klimawandel", CO2-Ausstoß und Erderwärmung aus dem Auspuffrohr. Das "kräftige Licht" der Sonne (Dambeck) "erwärmt Luft, Wasser und Boden" als sei es nie anders gewesen. Deshalb wohl können nun wieder "minimale Änderungen auf der Sonnenoberfläche weitreichende Folgen auf unserem Planeten haben." Dambeck, eigentlich Drahteseltester beim Nachrichtenmagazin Nummer 1, hat in seinen Erinnerungen gekramt und herausgefunden: "Zwischen 1645 und 1715 zeigten sich auf unserem Zentralgestirn kaum Sonnenflecken. In dieser Zeit wurde es auf der Erde kühl."

Droht dergleichen wieder? Eine "neue Studie zweier US-Forscher" für Aufsehen. Matthew Penn und William Livingston vom National Solar Observatory in Tucson (Arizona)" lässt es vermuten. Nach ausgiebiger Observation von "rund 4000 Sonnenflecken" vermute er, dass "es in den kommenden Jahrzehnten auf unserem Zentralgestirn kaum noch Flecken geben wird". Die Hypothese der US-Forscher sei nämlich "spektakulär": "Es könne kühler werden auf unserem Planeten", schreibt Dambeck.


Sind das etwa schon die ersten Erfolge der entschlossenen Klimapolitik von Jürgen Trittin, Frucht der steigenden Umfragewerte der Grünen, Echo der Mahnungen Richtung Zentralgestirn, die Angela Merkel ausgestoßen hat, und der Warnungen zur Bannung der Atomenergie, die Sigmar Gabriel stets parat hält? Jedenfalls "ein interessantes Ergebnis", verriet Manfred Schüssler vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung dem "Spiegel" vorab, was Deutschlands bester Klimaastrologe Mojib Latif seit Monaten in immer neuen Bonmots unters Volk bringt. "Es gibt da offensichtlich eine Entwicklung, die wir nicht verstehen."

Verstehen ist aber wie immer beim Klima gar nicht vonnöten. Wenn man "die Entwicklung der Sonnenflecken in die nächsten Jahre fortschreibe, dann beeinflusse dies die Fleckenbildung in den kommenden Sonnenzyklen" (Zitat Ende), auch ohne dass man irgendwetwas verstanden haben muss, klärt Dambeck mit einem bemerkenswerten Satz auf, wo und wie das Klima wirklich gemacht wird. Kurz gesagt: Was geschrieben wird, beeinflusst das vielleicht nicht die Sonnenzyklen, wohl aber das gefühlte Klima. So gelte zwar auch hier der Energieerhaltungssatz: Weniger Flecken, weniger Energieabstrahlung. Andererseits aber sei da immer noch dasGrundgesetz der Mediendynamik: Mehr Klimawarntexte, mehr Klimakatastrophenangst auch bei denen, die vom Klima gar nichts verstehen. So rechnet das einstige Sturmgeschütz der Demokratie penibel vor, warum die Klimaerwärmung jetzt Pause machen muss. Zum einen könne mehr Ozon gebildet werden, zum anderen verstärken sich Niederschläge, außerdem ist das Thema Hitze bei gefühltem Novemberwetter im August und Dauerregen von Juli bis Oktober Wählern und Zeitungskäufern einfach nicht vermittelbar.

Eine über Jahrzehnte fleckenfreie Sonne will deshalb auch der Max-Planck-Forscher Schüssler nicht grundsätzlich ausschließen: "Es hat immer Phasen geringer Sonnenaktivität gegeben. Wir müssen davon ausgehen, dass es so etwas immer wieder geben wird", sagt er ohne noch groß herumzudrucksen. Zumindest, so lange, bis mal wieder fünf Tage hintereinander die fleckenfreie Sonne scheint und das Thermometer über die 30 klettert.

Dienstag, 28. September 2010

Gesänge fremder Völkerschaften: Sweet, Azuro und das Mosaik

Seit ihrem fundamentalen Album "Brev till en vän" und dem Smash-Hit "De som byggde landet" gelten Pär-Eric Eriksson und seine Band Mora-Per als Rockmusik-Äquivalent zu Nordiska-Autoren wie Stieg Larsson und Hanning Mankell. Vor allem ihr an Stephen Kings Kurzgeschichte "Die Leiche" aus dem Band Frühling, Sommer, Herbst und Tod, später mit River Phoenix als Stand by Me - Das Geheimnis eines Sommers verfilmt, gemahnende Nummer "Sweet, Buster o Zingo" zeigt geradezu erschütternde Parallelen zwischen einer schwedischen Jugend in den 70ern und einer im Reich des Weltsozialismus zur selben Zeit verlebten. Pär-Eric Eriksson hat die Anspielung auf den Sweet-Heuler "Fox on the Run" gegenüber PPQ so erklärt: "The line is a phrase taken from Sweet, because the song is akind of a nostalgica song about growing up in Sweden in the 1970..s. Listening to Sweet, reading the sport/cartoon comic "Buster" and drinking the orange soft drink "Zingo".

Im Einzugsbereich Erich Honeckers gab es weder ein Comic namens Buster noch einen Orangen-Softdrink, der Zingo oder sonstwie geheißen hätte. Die Brause hieß "Azuro" mit einem "R", doch gemeinsam mit der später wegen staatsamtlich festgestellter Gesundheitsgefahren verbotenen Waldmeisterlimo und einem dem Weltfrieden verpflichteten Zeichentrickheft "Mosaik", in dem drei verwachsene Zwerge namens Digedags immer wieder neu antraten, Sklaven zu befreien oder die Mauren zu besiegen, lieferten einen erduldbaren Ersatz. Der Begriff "Südschweden", mit dem gute Genossen ihrer DDR gern ein wenig internationales Flair zu geben versuchten, erfährt so im Nachhinein eine gewisse Rehabilitation: Es war nicht alles ganz falsch.

Mora-Per sind in Deutschland, wo ihre Texte naturgemäß trotzdem eher weniger gut verstanden werden, dennoch bis heute nicht eben bombig erfolgreich. Auch das neue Album "Sovande Stad" gibt es bislang nur als Download oder als teuren Import. Wer aber einst "Brev till en vän" angeschafft hat, darf sich über eine gute Geldanlage freuen: Das Originalwerk im Pappschuber ist augenblicklich vergriffen. Unter 40 Euro für die Scheibe, die Mora-Per von der Bühne für zehn verkauft haben, ist auch für Freunde der völkerkundlichen Doku-Reihe "Gesänge fremder Völkerschaften" nichts zu wollen.

Das komplette Alt-Archiv der Gesänge fremder Völkerschaften hier.

Montag, 27. September 2010

Abriss-Exkursionen: Kalter Krieg im Kiefernwald

Mitten im Land von Kiefer und märkischem Sand wollten sie sich selbst vergraben, wenn die Bombe fällt und der kalte Krieg zum heißen wird. In der Nähe von Strausberg, der Gemeinde am Rande Berlins, in der heute noch jeden Sonntag zwei bis drei Kompanien in braunen NVA-Trainingsanzügen raustreten, um Autos zu putzen, ließ sich der letzte DDR-Innenminister Friedrich Dickel einst einen Keller bauen, von dem aus er im Falle eines Ernstfalles dafür sorgen wollte, dass Ruhe und Ordnung im Reich der Arbeiter und Bauern gewahrt bleiben. Der Tarnname der besseren Tiefgarage, die nach der Wende an die Jewish Claims Conference fiel, zum Steuerparadies erklärt wurde und der Ortsjugend heute als Fetenplatz dient, lautete "Ausbildungsobjekt", die Sicherungskompanie war einige Kilometer entfernt im "Schulungssobjekt" untergebracht.

Zwei langgestreckte, von einem Elektrozaun geschützte Verliese im Keller, die mühevoll mit Anpflanzungen getarnt wurden, das ist der ganze "Atombunker", den eine PPQ-Abriss-Exkursionsmannschaft letztes Jahr schon kurz porträtierte. So dicke hatte es die DDR nicht, dass großer Aufwand für das Überleben eines zweitrangigen Ministers getrieben wurde. Zwei Neubaublocks Marke WBS70 wurden aus dem Wohnungsbauprogramm abgezweigt, um die Bunkerverwaltung unterzubringen, ein Elektrozaun wurde gezogen, eine Wechselsprechanlage im Neuererwesen entwickelt. Zwanzig Kilometer entfernt vom Geheimobjekt lagerte die Wacheinheit in zugigen Holzbaracken mitten im Wald. Wehrpflichtige, die gar nicht wussten, was sie zu bewachen hatten, bewachten hauptsächlich sich selbst. Selbst die Postadresse der Einheit war nur Tarnung. Das wirkliche "Blumberg" liegt einige Kilometer entfernt und beherbergte das Blasorchester der Volkspolizei.

Zur Wendezeit löste sich die Einheit allmählich auf. Zuerst forderte die DDR-Staatsdruckerei "Kräfte" an, die helfen sollten, die plötzliche Nachfrage nach DDR-Pässen zu befriedigen. Später entließ sich das Unteroffizierscorps weitgehend selbst Richtung Westberlin, so dass den verängstigten und um ihre Polizeizukunft bangenden Offizieren nichts anderes übrigblieb als schließlich auch die "Anwärter" genannten Soldaten nach Hause zu schicken. So weit sie noch da waren.

Nach dem Mauerfall schlossen Ausbildungs- und Schulungsobjekt ihre Pforten, über dem Bunker in Freudenberg entstand ein Gewerbegebiet, das Investoren mit null Prozent Gewerbesteuer lockt, ohne dass welche anbeißen. Die ehemaligen Anwärter haben jetzt Fuhrunternehmen, leben in Kalifornien, Kanada oder als Wissenschaftler im nahen Berlin. Das Schulungsobjekt hingegen dient weiterhin Ausbildungszwecken: Die örtliche Jugend frönt hier nach ausgiebigen Abrisspartys frenetisch dem Paintball-Spielen.

Mehr mitteldeutsche Abrissexkursionen hier, und noch mehr hier, hier, hier und hier.

Wer hat es gesagt?

Es könnte sein, dass die Vereinigten Staaten der letzte bewaffnete Verteidiger der hoffnungslosen bürgerlichen Sache werden.

Sonntag, 26. September 2010

Ungeschützte Vermutung

„Zukünftige Historiker werden unsere Zeit das Zeitalter des Ressentiments nennen.“

Paul Wolf: Einer flog übers Spampostfach

Er ist der wahnsinnige Alptraum aller Blogger, Deutschlands personifizierte Spamschleuder, ein nimmermüder Dreckschleuderer und Petitionist, der grellbunte Internetseiten betreibt, um die Welt an seinem bedauernswerten Schicksal teilhaben zu lassen. Der mann,der sich "Paul Wolf" nennt, verschickt Spammails, die für seine Seite Einbürgerungsholocaust werben, auf der sich ein schrilles Sammelsurium aus Unsinn, Blödsinn und Schwachsinn befindet. Doch der Mann existiert wirklich, wie ein quasi handschriftliches Bekennerschreiben bestätigt, in dem Wolf über seine Beweggründe aufklärt: "Ich bin geisteskrank", schreibt er offenherzig, "in meinem Schädel ist Dünnschiss." Er verstehe keinerlei Fragen, bitten um eine Beendigung seines Email-Terrors oder Hinweise darauf, dass er sich lächerlich mache. "Geben sie mir deutsche Staatsangehörigkeit, nur danach höre ich auf!", schreibt er.

Der mann jagt ein Phantom, er ist in seiner pathologischen Verwirrtheit unterwegs zu einem fernen Ziel. "Das ist mein heller Traum mein Begehren nach Glückseligkeit ein Deutscher wie Sie zu werden!", heißt es unter souveräner Auslassung sekundärer Satzzeichen. Deshalb schreibe er schon seit Jahren "meine Petition nach Art.17 Grundgesetz an alle Deutschen Bundestags-, und Landtagsabgeordnete, an alle politischen Parteien, an alle Deutschen."

Ein bisschen Stolz scheint da durch, einer absolut vergeblichen Tätigkeit schon seit Jahren ungebrochen trotzig nachzugehen. "Ich habe alle Bundestagabgeordnete aus der Legislaturperiode 15 und 16 mit solchen Petitionen jahrelang täglich petitioniert", bekennt der bekennende Irre. Jetzt reiche er seine Petitionen an alle Bundestagabgeordneten der 17. Legislaturperiode ein - "täglich", wie Paul Wolf schwört.

Ein Mann, ein Tort, eine Petition, die zumindest in Nicht-Bundestagspostfächern direkt im Spamordner landet. Es ist ihm egal, denn er liebt, was er " meine Penetranz mein Bombardmo" nennt. "Ich werde sie weiterhin bis zum Jahr 2062 ununterbrochen einreichen, bis sie mir deutsche Staatsangehörigkeit geben", radebrecht er drohend Brocken aus dem Alphabet.

Seine Bilanz ist erschütternd: Täglich schickt Wolf 4400 Emails an "Ministerien, Behörden, Institutionen, Organisationen in Deutschland und in Europa". Seit dem Jahr 2003 habe er seine Botschaft schon "über 3.000.000 Mal" verschickt.

Und das ganz und gar vergebens. Manchmal komme die Polizei vorbei, ab und zu zeige ihn auch jemand bei der Staatsanwaltschaft Köln auf, die er wie alle außerhalb seines Hirnkastens faschistisch geisteskrank nennt.

Einer flog über das Kuckucksnest und einer stürzte krachend zu Boden - der hier: Viermal habe er schon in der geschlossenen Psychiatrie gesessen, rechnet Wolf vor, auf ein fünftes Mal freue er sich schon. "Oder bringen Sie bitte mich dafür einfach um!", bettelt er, "ich will von großzügigen biodeutschen Händen erwürgt gehängt erschossen verbrannt vergast erschlagen werden." Sein Traum sei es, "von herzlichen Biodeutschen getötet zu sein". Wer ihn nicht umbringen und nicht einbürgern wolle, spende ihm bitte. Denn er liebt doch Biodeutsche und biodeutsche Kultur, der "unheilbarschwerstgeistigbehinderte" und "gemeingefährlichen mongolischen Verbrecher-Psychopath" (Wolf über Wolf) aus dem Spam-Papierkorb.

Zentralregister für Datensicherheit

Nun kommt sie doch, die Datenspeicherung. Durch die Hintertür der Gebühreneinzugszentrale planen die Landesregierungen den Aufbau eines zentralen Bürgerspeichers. Jeder Bürger soll künftig verpflichtet werden, gegenüber den Detektiven der Gebühreneinzugszentrale alle zur Erfassung des persönlichen Lebensumstände erforderlichen Auskünfte zu geben. Wer sich weigert, riskiert Zwangsvollstreckung und Bußgelder, berichtet die Rheinische Post.

Unter dem Vorwand der Umstellung der Rundfunkgebühr auf eine Rundfunkabgabe wird die Gebühreneinzugszentrale ermächtigt, ab 2013 das bundesweite Zentralregister aufzubauen, über das PPQ exklusiv bereits am 22. August berichtet hatte. So sieht es ein Staatsvertragsentwurf der Länder vor, den carta.info veröffentlicht hat. Danach sollen die Befugnisse der GEZ , deren Prüfer derzeit noch vor jeder geschlossenen Wohnungstür kapitulieren müssen, in Zukunft in den Datenbeständen der Einwohnermeldeämter nach Gebührensündern fahnden dürfen. Erlaubt wäre auch der Abgleich aller übrigen öffentlich und nichtöffentlich irgendwo gespeicherten Daten mit den GEZ-eigenen Datensammlungen.

Mit den so erstellten Bürgerprofilen vernetzt würden dann auch Google-Street-View-Bilder, private Angaben in sozialen Netzwerken wie StudiVz und Facebook, Nachrichten aus Twitter-Accounts, GPS-Bewegungsprofile und die beim Bundes-Blogampelamt während der gesetzlich ab 2011 vorgeschriebenen Prüfung der Zulässigkeit von Blogeinträgen pflichtgespeicherten Angaben zu Alter, Schulausbildung und vrwendetem Betriebssystem. Alle ARD-Rundfunkanstalten sollen diese Daten untereinander austauschen dürfen, Zugriff haben auch ZDF, BKA und Verfassungsschutz, so dass für ausreichenden Datenschutz jederzeit gesorgt ist.

Samstag, 25. September 2010

Gesänge fremder Völkerschaften: Berberbeats in der Zeltoper

Ein paar Blechteller, einen Wasserkanister und viel Rhythmusgefühl - mehr brauchen die Menschen in Afrika nicht, um Sinnenfreude, Gottvertrauen und Spaß zu verbreiten. Bei den Berbern, die schon Naturgläubige und Christen waren, ehe sie ihren unbändigen Willen zur Integration in fremde Leitkulturen damit unter Beweis stellten, dass sie kollektiv tiefgläubige Moslems wurden, ist der Beat König, die Melodie hingegen nur Haushofdiener. Wenn gerockt wird, dann greifen Koch und Kellner gemeinsam zum Instrument, auch gesungen wird zusammen, und das mit verteilten Rollen und vertauschten Vokalen. Heraus kommt ein Volkslied, das den Vergleich mit "Am Brunnen vor dem Tore" in der Version von Jethro Tull nicht scheuen muss. Heraus kommt der schlagende Beweis, dass Musik Völker verbindet und kleine Textwackler verzeiht, wenn alle einfach weiterspielen.

Große Oper, die ihren rechtmäßigen Platz in unserer großen völkerkundlichen Multikulti-Musikreihe "Gesänge fremder Völkerschaften" gefunden hat. Jeder Schag auf die improvisierte Trommel eine Ohrfeige für die Thilo Sarrazins dieser Welt, jedes blecherne Hüsteln der an den Sound von Led Zeppelins "Gallows Pole" gemahnenden Snaredrum eine entschiedene Absage an Parteiausschlüsse, Videoüberwachung und Googles menschenverachtendes Programm "Street View".


Mehr Gesänge von noch mehr Völkerschaften
Blasen in Oasen
Pogo in Polen
Hiphop in Halle
Tennessee auf Tschechisch
Singende Singles

Aderlass im Anschlussgebiet

Lebensfremd und jenseitsnah, faktenfern und von fadenscheiniger Seriosität, so kennt der Deutsche seine Politiker. Was sie sagen, wann sie es sagen und wie sie es sagen, hängt weniger davon ab, was sie meinen oder glauben, sondern mehr davon, was sie glauben, nach Meinung des Publikums meinen zu sollen.

Wolfgang Böhmer etwa, als Ministerpräsident des westlichsten der östlichen Bundesländer die Strickjacke unter den Landesvätern, möchte seinem Volk zum Einheitsjubiläum gern das Gefühl geben können, zwar immer noch in jeder nur denkbaren Hinsicht Letzter zu sein, gleichzeitig aber auf einem guten Weg in Richtung Vorletzter. Böhmer, der wenn er spricht traditionell häufig Unsinn redet, das aber mit großer Gelassenheit tut, weil er weiß, dass ihm sowieso niemand drauf kommt, hat sich jetzt zu den Folgen der anhaltenden Flucht seiner Schäfchen aus dem Großgatter namens Sachsen-Anhalt geäußert.

"Ja", sagte er da dann geschlossen in Richtung derer, die weggehen, "es sind immer noch zu viele, aber es werden weniger". Die Wanderungsbilanz sei "noch negativ, aber sie war schon mal viel schlimmer". Damals, heißt das, als Erich Honecker seinen abgängigen DDR-Bürgern via Neuem Deutschland hinterherrufen ließ, niemand weine irgendjemandem eine Träne nach.

Böhmer nun weint auch nicht. "Ich kann auch verstehen, dass Menschen dahin gehen, wo sie Arbeit finden", sagt er. Und er könne auch verstehen, dass Leute wegen des Tarifgefälles sagen: Es lohnt sich für mich nicht, in Sachsen-Anhalt zu arbeiten".

Aber irgendwann werde es sich wegen steigender Löhne und "anziehender Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften" (MDR) einfach nicht mehr lohnen, "das Land zu verlassen oder auch nur auszupendeln." Das werde nicht "im nächsten halben Jahr" sein. "Aber ich gehe schon davon aus, dass wir es in den nächsten zwei, drei Jahren erreichen", sagt Böhmer, ganz so, als wäre die Abwanderung ein Problem, das zu DDR-Zeiten schlimm gewesen und seitdem immer besser geworden sei.

Dabei ist das ganze Gegenteil der Fall. In 40 Jahren DDR verlor das Gebiet, das heute Sachsen-Anhalt heißt, rund 330.000 Einwohner. Seit dem Mauerfall aber summierten sich die neuen Abwanderungsverluste auf 535000 Einwohner. Eine Bilanz, die sich auch im Vergleich mit dem ganzen Rest der früheren DDR sehen lassen kann. Mit nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung des Gebietes der ehemaligen DDR schaffte es Sachsen-Anhalt damit tatsächlich, die Hälfte aller Einwohnerverluste zu produzieren. Gingen bis 1990 pro Jahr zirka 8500 Menschen aus Halle, Magdeburg, Dessau, Gardelegen und Ascherleben weg, kletterte diese Zahl mit der deutschen Einheit auf sagenhafte 26.700 - jeden einzelnen Monat in jedem einzelnen Jahr verlor das Land eine komplette Gemeinde von der Größe Westeregeln, eine Stadt wie Prettin oder ein Dorf wie Westerhausen.

Das sind Zahlen, mit denen die DDR nie mithalten konnte. Die verlor von ihren ursprünglich 18,3 Millionen Bürgern in vier Jahrzehnten nur knapp zwei Millionen - pro Jahrzehnt eine halbe Million. Sachsen-Anhalt, das zum Zeitpunkt des "Anschlusses" (Matthias Platzeck) der DDR an Westdeutschland gerademal 2,9 Millionen Einwohner hatte, schaffte das in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten ganz allein: Pro Jahrzehnt gingen eine Viertelmillion Menschen weg. Eine Zahl, die im Vergleich mehr als dreimal höher liegt und Zeugnis ablegt für Wolfgang Böhmers Optimismus. Hält der Trend, was er verspricht, ist der Spuk in weiteren 40 Jahren garantiert vorbei: Dann ist Sachsen-Anhalt 2050 menschenleer und Wolfgang Böhmer hätte sein Ziel erreicht, die Abwanderung auf Null zu bringen.

Hitler geht immer

Seit Jahren posaunen wir es in die Welt hinaus - und seit Jahren tut uns der Spiegel den Gefallen, unsere Vorhersagen zu bestätigen: Hitler geht immer. Wenn den Qualitätsjournalisten aus Hamburg gar nichts mehr einfällt, heben sie einfach den Reichskanzler a.D. Adolf Hitler auf den Titel und damit ihre Auflage an. Der umtriebige Untote, der zuletzt in den Kantinen von ZDF, Vox und N24 gesehen wurde, garantiert eben granatenstarke Unterhaltung. Wenn das der Führer wüsste.

Freitag, 24. September 2010

Wer hat es gesagt?

Alle Handlungen der verräterischen, korrupten Sozialdemokratie sind fortgesetzter Hoch- und Landesverrat an den Lebensinteressen der arbeitenden Massen Deutschlands.

Kinderporno: Zehntausende Täter entkommen

Sie nannten ihn "Porno-Vogt" und er selbst hielt sich für den härtesten Kriminalen zwischen hier und Pecos. Im Jahre 2003, Dieter Wiefelspütz, von der Leyen und Wolfgang Schäuble wussten noch nicht, wie sich "Internet" schreibt, feierte Peter Vogt, der Leiter der Zentralstelle im Kampf gegen Kinderpornografie in Sachsen-Anhalt, einen triumphalen Erfolg. Mit einem Schlag stellte der Oberstaatsanwalt im mitteldeutschen Nirgendwo "27.000 Täter in 166 Länder", wie die staatliche Nachrichtenagentur dpa stolzgeschwellt berichtete.

Der größte Kriminalfall aller Zeiten war aufgedeckt worden in jeder "Operation Marcy", denn der findige Fahnder machte aus den Pädophilen, die er vorgab, gefangen zu haben, eine Bande. Die Medien hingen ihm an den Lippen, die Schlagzeilen wurden immer größer, Hamburger Nachrichtenmagazine erklärten den Oberstaatsanwalt zu "Deutschlands erfolgreichstem Kinderpornojäger", das Agenturfoto, auf dem eine anonyme Hand eine CD mit der Aufschrift "Kinderpornografie" in die Kamera hält, wurde wegen erwiesener Alltagsnähe mehrere hundert Male gedruckt. Eine zweite Welle folgte, als Vogt die "Operation Mikado" startete: Sagenhafte 20 Millionen Kreditkartennummern wurden per Rasterfahndung durchleuchtet, mit Recht, wie ein Gericht beschied. Und mit Erfolg auch noch 12.000 Verdächtige gingen diesmal in die Maschen, meldete die an der Aktion beteiligte Staatsanwaltschaft Berlin Ende 2007. 300 Täter, so Vogt, kämen aus Sachsen-Anhalt.

Nie wieder war es so schön, nie wieder leuchtete das Licht der Aufklärung so hell über dem westlichsten der östlichen Bundesländer. Einmal noch tauchten die Begriffe "Marcy" und "Mikado" in der großen, weiten Medienwelt auf, einmal noch war die Rede von jenen "27.000 Tätern" und "12.000 Verdächtigen" (dpa), die als Schänder von Kindern durch die virtuellen Weiten gezogen waren, nur gestoppt schließlich durch den "unbequemen Kämpfer" Vogt.

Das war, als der 51-Jährige um Ablösung bat, weil sich das Landeskriminalamt auch sechs Jahre nach seinem ersten großen Coup nicht in der Lage sah, die gesammelten Daten aufzubereiten. Bis auf den Initiator des Netzwerkes, das Vogt während der Operation "Marcy" aufgedeckt hatte, wurde in keinem einzigen von ingesamt 39.000 Fällen bekannt, dass gegen einen Verdächtigen Anklage erhoben oder gar ein Urteil gefällt wurde.

Kurzzeitig zuckte die öffentliche Aufmerksamkeit mit Vogts Abschied hoch, sein Nachfolger Thomas Westerhoff versprach eine Umstellung der Datenbearbeitung auf maschinelle Schnellauswertung, bei der Daten ohne Sichtung mit einschlägigen Dateien verglichen würden. Verfahren müssten schneller beendet, Anklagen schneller erhoben werden.

Das war vor einem halben Jahr. Seitdem ist es wieder totenstill an der Pornofront. "Marcy" und "Mikado" sind vergessen, der Magdeburger Marcel K. (Foto rechts), als weltweit erster Kinderpornograpf wegen bandenmäßiger Verbreitung von Kinderpornographie angeklagt, blieb das einzige Bandenmitglied, das verurteilt wurde. K., der schon währenddes Prozesses in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden war, musste für drei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Sein Anwalt kündigte seinerzeit Revision gegen das Urteil an.

Hat er das getan? Wie ist der Fall ausgegangen? Sitzt K. noch in der Psychiatrie? Oder ist er wieder auf freiem Fuß? Auch zum achten Geburtstag der "Operation Marcy" sind das Fragen, die offen geblieben sind, die aber auch niemand mehr stellt.

Donnerstag, 23. September 2010

Hamburg dreht die Kanonen um

Hamburg dreht die Kanonen um, der "Spiegel", zuletzt auffällig geworden mit der nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel grundgesetzwidrigen Veröffentlichung von "kruden Thesen" des früheren Bundesbankers Thilo Sarrazin, kämpft jetzt mit einem neuen Meinungsreport für den Verbleib des 65-Jährigen in der SPD. Deren Parteichef Sigmar Gabriel, als Pop-Beauftragter notorisch erfolglos, drohe mit dem angestrengten Parteiausschlußverfahren gegen Sarrazin ein Debakel, der Sozialdemokratie eine Niederlage. "Auch in einem Tendenzbetrieb namens SPD reicht es nicht", schreibt das durch die Vorabveröffentlichung der nach Ansicht von Gabriel "rassistischen Thesen" in der Mitstörerhaftung, "wenn der Vorsitzende behauptet, dass Sarrazin den Grundsätzen der Partei zuwider handelte." Beweise müssten her, "Gabriel muss diese Behauptung belegen und in der Sache Farbe bekennen."

Das aber tue der Parteivorsitzende nicht - und selbst wenn er es tue, habe er vorab bereits jede Beweiskraft etwaiger Belege zerstört. Dadurch nämlich, dass "Sigmar Gabriel in mehreren Medien und Talkshows einen Angriff auf die Unschuldsvermutung fährt, die zu Gunsten des Angeklagten Sarrazin gilt, bis der Parteiausschluss rechtskräftig ist". Einen solchen Rundumschlag könne "sich vielleicht Irgendwer erlauben, nicht aber der Parteichef und Verfahrensherr Sigmar Gabriel", urteilt das Blatt in vorläufig letzter Instanz.

Der Himmel über Halle XXXV

Sparen hin, Klima her, auf eines wollen die Hallenser nicht mehr verzichten, so schwer die Zeiten auch werden, so sehr Hunger und Armut auch grassieren im Armenhaus Europas. Seit die Stadtverwaltung ihren Bürgern und deren Gästen aus aller Welt beinahe wöchentlich große Sky-Illuminationen unter dem Titel "Der Himmel über Halle" schenkt, ist die Lebenszufriedenheit der Saalestädter beinahe beständig gestiegen. Ein Sieg der Pragmatik über die ortstypische Meckerei, ein Sieg des Siegeswillens über den Fatalismus, der dem Menschenschlag eigen ist, der in grauer Vorzeit des Salzes wegen kam und in Ermangelung besserer Angebote einfach blieb.

Es ist ja aber auch eine Farbenpracht, die die stets preiswerten, sozial gerechtere, aber auch umweltfreundlichen Himmelsbilder für kleines Steuergeld bieten. Mal rot, mal blau, mal bunt und niemals braun, so will es die Stadtverwaltung und so organisiert es eine kleine Firma aus dem Örtchen Nempitz, unterstützt von eine Abteilung beim Grünflächenamt, die so flexibel auch auf Wettergegebenheiten reagiert, dass von Beamtenmentalität noch nie die Rede gewesen ist.

Ganz im Sinne der Nachhaltigkeitskriterien des IPCC, denen sich die Saalestadt freiwillig unterworfen hat, dokumentiert unser kleines heimatkundliches Board PPQ drei- und vierdimensionale Bilder des Geschehens, um auch künftigen Generationen Gelegenheit zu geben, hautnah teilzuhaben an den bunten Spektakeln. Ein Farbenrausch, ein Mustergewimmel auch heute wieder, dominiert von kardinalem Violett und deep Purple. Ein Himmel, der singt, still und doch unüberhörbar.

Mehr Himmel, mehr Halle hier.

Gesänge fremder Völkerschaften: Mit Trauerspiel in Ziel

Was für ein Trauerspiel! Noch einmal haben sie alles gegeben, noch einmal Musik gemacht, die Herzen erweichte und Füße zum Zucken brachte. Beim Laternenfest in Halle, einem ehemals großen Volksfest in Mitteldeutschland, wirkte die norwegische Band Minor Majority inmitten von hemmungslos stimmungsbereiten Humpta-Kapellen wie die Kakerlake auf dem Kirschkuchen: Entschlossen zelebrierte das Quintett um Sänger Pål Angelskår große Schwermut in leichten Melodien, Stücke wie "After Tonight" und "Let The Night Begin" begeisterten das spärlich Publikum, das im matschigen Rund verblieben war, nachdem die wieder gegangen waren, die auf Stimmungsmetal und deutsche Atzenmusik gehofft hatten.

Eine Band für den kleinen Saal auf die große Bühne zu holen, das schaffen sie nur an der Saale, und das auch noch mit durchschlagendem Erfolg. Zwei Zugaben lieferten die Norweger, darunter auch "Supergirl", das einzige Stück, mit dem sie vor Jahren einmal soetwas wie einen Halbhit hatten landen können. Danach ging Licht aus und hinter der Bühne verkündete Angelskår den anderen, das dies ihr letzter gemeinsamer Auftritt gewesen ist.

In der Stadt, in der Händel einst seine Karriere begann, beendeten Minor Majority die ihre. "This is how it goes, Me and you on the telephone, This is how we sound, This is how we grow", heißt es in ihrem schönsten Stück "Wish you’d hold that smile" (Video oben). Aber da wächst nun nichts mehr, worauf wohl schon die Zeile verweist: "This is how I fall, This is how I break".

Mittwoch, 22. September 2010

Sicher ist sicherlich sicherer

Er ist der Innenminister und in der Bundesregierung neben etlichen anderen ausgewiesener Spezialist für alle Fragen angewandter Elektrik. Jetzt hat Thomas de Maiziere, einst als Vorzimmermann bei Eberhardt Diepgen Anbahner der ersten Kontakte von DDR-Staatschef Lothar de Maiziere zu BRD-Kanzler Helmut Kohl, sich zur Sicherheit des kommenden elektronischen Personalausweises geäußert. Worte wie Donnerhall, halb offenbar im Scherz dahingesagt, halb noch berauscht vom letzten Sieg über die Finanzmärkte, Devisenspekulanten, Europafeinde und Fassadenfotografen in die Tagesschau-Kamera gesprochen. Historisch heute schon.

Steinzeitsensationen aus Holz

Knapp 7000 Jahre war das Sonnenobservatorium von Goseck alt, als es auf alten Luftaufnahmen wiederentdeckt wurde. Ein paar Spuren im Untergrund, Erdformationen, ein Kreis aus uralten Trampelspuren, das war alles, was aus der Luft zu sehen war. Vom Boden aber war da gar nichts, was einen Archäo-Tourismus hätte befeuern können, wie ihn das wirtschaftlich darbende Sachsen-Anhalt sich als Einnahmequelle erhoffte.

Immerhin ist das hölzerne Monument, das bis dahin gar nicht mehr existierte, rund 2.000 Jahre älter als Stonehenge, das die ganze Zeit über stand. Souverän abseits der Tatsachen wurde der Begriff „ältestes Observatorium der Welt“ erfunden und eine abenteuerliche Verbindung zur etwa 3000 Jahre jüngeren Himmelsscheibe von Nebra erdacht. Schon hatte die wirtschaftsschwache Region eine neue Attraktion.

Auch der Umstand, dass es Kreisgrabenanlagen wie bei Goseck zwischen Deutschland, Österreich und Tschechien zu hunderten gibt, irritierte das Kultusministerium nicht. Als Teil der archäologischen Installation "Himmelswege" wurde der Versammlungs-, Handels-, Kult- und Gerichtsplatz aus der Jungsteinzeit, der sich nur als Bodenmuster erhalten hatte, umgehend aufwendig neu errichtet. Aus 1675 Eichenstämmen, geschlagen in einem vier Kilometer entfernten Wald, errichteten zehn ABM-Kräfte eines Christlichen Jugenddorfwerkes einen originalgetreuen Nachbau der ursprünglichen Kultanlage.

Der hielt allerdings zur Überraschung seiner begeisterten Schöpfernicht lange. Schon vier Jahre nach dem Bau, den seinerzeit eine Architektin hatte planen dürfen, die gleichzeitig im Vorstand des Betreibervereins sitzt, hatten Pilze die Eichenholzstämme befallen. Es sei ein kompletter Austausch der zweieinhalb Meter hohen Palisadenzäune notwendig, gestand Landrat Harri Reiche ein. Kostenpunkt der Aktion: 220.000 Euro - das kommt so günstig, weil auch die Erneuerung wieder zehn Langzeitarbeitslose abernehmen.

Diesmal sind die mit der Planung des Neubaus der Geschichte betrauten Experten zuversichlich, dass ihnen gelingen wird, was den Menschen der Jungsteinzeit glückte. Holz in Erde faule zwar immer, so dass auch die neue Konstruktion nicht ewig halten werde. Aber schätzungsweise 10 bis 15 Jahre könne sie schon stehen, ohne einzufallen. Glückt das, wird jeder einzelne der jährlich zum Holzkreis pilgernden Touristen am Ende nur zwischen 1,80 und 2,20 Euro gekostet haben. Und der jeweils nach zehn bis 15 Jahren fällige Neubau der Anlage wird den Landkreis in den nächsten 5000 Jahren auch nur zwischen bei 110 und 220 Millionen Euro kosten.

Ab Januar soll die Geschichtssensation zumindest wieder komplett sein.

Maradona Plattengott


Maradona (oder ein anderer Argentinier?) schreit "Yeah", weil ihm eine Platte unterschoben wurde. Ist das richtig und korrekt interpretiert? Wir wissen es nicht. Der hallesche Kachelmann macht Fliesen und sich rar. Ob sein künstlerisches Schweigen darauf hindeutet, dass er sich aus der Kachelstadt Halle zurückgezogen hat? Oder sammelt er nur seine kreative Energie, um im Herbst quasi zu explodieren? Auch das wissen wir nicht. Was wir wissen: Wir sind gespannt.


Alle weiteren Ausstellungsstücke aus der öffentlichen Galerie des unbekannten Fliesenlegers finden Freunde der gehobenen Giebelgestaltung im offiziellen Kachelverzeichnis. Eigene Funde können wie stets direkt an politplatschquatsch@gmail.com geleitet werden, jeder Fund wird von uns auf Wunsch mit einem mundnachgemalten Kunstdruck der inzwischen von Kachel-Gegnern vernichteten Ur-Fliese prämiert.

Dienstag, 21. September 2010

Tass ist ermächtigt, zu erklären

"In unserem Land ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört", schrieben die Mütter und Väter der friedlichen Revolution in der DDR vor zwei Jahrzehnten in ihrem Aufruf "Aufbruch 89 - Neues Forum" (Original im Bild oben) - und selten behielt ein offener Brief von unten nach oben so nachhaltig Recht. 20 Jahre nach dem Vollzug der deutschen Einheit ist der Patient ein anderer, die Diagnose aber stimmt immer noch. Während eine kleine Schicht aus Parteifunktionären, Berufspolitikern, Medienschaffenden und Talkshowschauspielern gesellschaftliche Debatten simuliert, steht das nun einige Volk stumm und staunend vor den Empfängern. Das also sollen die Sichtachsen sein, durch die sich 82 Millionen Inländern der Blick auf die Realität eröffnet?

Es ist wie in den Tagen, als Tass ermächtigt war zu erklären, welche Wahrheit das Politbüro beschlossen hatte. Die Kanzlerin, in Hamburg geboren und im Osten sozialisiert, erklärt unerwünschte Meinungen Kraft ihres Amtes zu "unnützen", der Bundespräsident, infolge einer mittleren Staatskrise ins Amt gescheitert, nachdem sein Vorgänger aus nie geklärten Gründen das Handtuch geworfen hatte, betont die Unabhängigkeit der Staatsbank und unterminiert sie im nächsten Halbsatz.

Von den Rängen kommt Applaus wie bestellt, nicht stures Nachfragen nach Hintergründen. Tass ist ermächtigt zu erklären, dass alles seine Ordnung hat. Ein Buchautor, wegen Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung mit Berufsverbot bedroht, muss die Regierenden schließlich vor dem Untergang retten, indem er staatsbürgerlich verantwortlich auf sein Recht verzichtet, die Schnellschwätzer vor Gericht bloßzustellen. Und den Staat damit, nur fünf Monate nach seiner letzten, erneut in eine Machtkrise zu stürzen.

Zu lesen ist dazu nichts. Zu hören ist dazu nichts. Die Talkshows diskutieren Stilfragen, das Publikum darf sich in Umfragen äußern. Kommentatoren vergeben Haltungsnoten. Die Regierenden gehen dazu über, in Ermangelung von Handlungsmöglichkeiten in der Gegenwart die Zukunft zu regieren. Den Parlamenten, die nachkommen werden, wird verboten, was sich jedes Parlament bisher als Grundrecht nahm: Das Schuldenmachen. Auch dem Bürger, der vor 20 Jahren euphorisch in die neue Freiheit taumelte, kommt man inzwischen am besten mit Verboten bei, die ihm suggerieren, dass sein Staat sich kümmert. Mit Glücksspiel, Nikotinverbot, dem Verbot nächtlicher Biereinkäufe, der frühkindlichen Zwangserziehung außer Haus, dem nachmittäglichen gemeinsamen Lernen in der Jungpionierfreundschaft, der Neuerfindung des guten alten "Klassenfeindes" als gesellschaftsgefährdendes Nazischwein und der Überwachung des Bürgers durch elektronische Peronalausweise, gläserne Gesundheitskarten und Sammeldatenbanken beim Finanzamt. Das alles gut getarnt durch den öffentlich und hysterische geführten Kampf gegen die Vollerfassung deutscher Hausfassaden.

"Wenn es wenigstens ein politisches Klima gegeben hätte, in dem man offen über die Probleme diskutiert hätte", wird die Systemgegnerin und Kaviarfreundin Sahra Wagenknecht in nicht allzu ferner Zukunft wieder barmen, diesmal mit der Erkenntnis im Hinterkopf, dass nun auch den Leuten im Westen zu lange erzählt worden sei, dass sie alles haben und einfach glücklich sein müssten. "Da fühlten sie sich einfach verarscht, und damit hatten sie ja auch recht."

Während ein Ministerpräsident in Hauslatschen unkommentiert von seinen sonst stets meinungsbereiten Parteigenossen den Import von Katholiken zur Aufrechterhaltung der Art fordert, arbeiten die Regierenden an der Einrichtung eines vormundschaftlichen Staates , wie ihn der längst vergessene DDR-Dissident Rolf Henrich vor mehr als 20 Jahren in seiner siechenden sozialistischen Heimat entdeckt hatte.

Betreutes Leben rund um die Uhr, mit Staatskino im Abendprogramm. Tass ist ermächtigt, zu erklären, dass alles seine gute Ordnung hat, berichten "Spiegel", "Zeit" oder "FAZ" abwechselnd vorab. Die Kanzlerin hat Tacheles gesprochen, die Arbeitsministerin neue Wohltaten vorbereitet, der Verteidigungsminister will auf Fremdenlegion umstellen, der Oppositionsführer droht faulen Ausländern mit Abschiebung, obwohl nirgendwo im deutschen Recht ein Hinweis darauf zu finden ist, dass Integration Voraussetzung für den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland ist.

"Wir weinen ihnen keine Träne nach", wird Kanzler Sigmar Gabriel, einst Pop-Beauftragter der Bebel-Erben, bei der Verabschiedung des letzten Zuges mit Abschiebehäftlingen am Berliner Hauptbahnhof sagen, die Hand stolz zum Winken erhoben. Bärbel Bohley ist tot, Rolf Henrich in Rente und Tass ermächtigt, zu erklären: Alles wird gut. Nur wer entschlossen handelt, verhindert einen neuen Sarrazin, schafft nach jedem Amoklauf immer wieder neues, verschärftes Waffenrecht, das alle künftigen verhindert, schützt Anleger, verhindert Finanzkrisen, Millionenprämien für Banker und schmutzige Speisegaststätten. Nur wer politisches Handeln unermüdlich simuliert, behält die Macht.

Wer hat es gesagt?

"War er geboren, kam er in die kombinatseigene Krippe, um nach drei Jahren in den kombinatseigenen Kindergarten überzuwechseln. War er krank, ging er in die Polyklinik des Kombinats. Im Sommer besuchte er das Ferienlager, das dem Kombinat gehörte, und anschließend war er noch 14 Tage mit den Eltern in der kombinatseigenen Ferieneinrichtung. Seine Lebenserwartungen waren gradlinig, quasi schienenfahrzeughaft: 14. Lebensjahr Jugendweihe mit Moped-Geschenk und Trabant-Anmeldung; 16. Lebensjahr Facharbeiterabschluß; 20. Lebensjahr Ende der NVA-Dienstzeit und Eintritt ins volle Erwerbsleben. Nach dem Besuch der kombinatseigenen Betriebsberufsschule war die Übernahme in den Betrieb gesichert. Und wenn er nicht silberne Löffel stahl, blieb er dort. Es galt als ehrenrührig, seinen Arbeitsplatz zu kündigen. Man wechselte eben nicht. Dem folgte eine frühe Eheschließung, weil nur ein Ehepaar einen Antrag auf Zuweisung einer gemeinsamen Wohnung stellen konnte, auf die man ohnehin acht Jahre zu warten hatte."

Montag, 20. September 2010

Verbot der Woche: Mongolennazis aus Gobi

Für den n-tv-Moderator und früheren deutschen Diktator Adolf Hitler war Tibet immer ein heißer Kandidat bei der Suche nach dem Ursprung der "arischen Rasse". Um den Nebel der Geschichte zu lüften, ließ der ungelernte Kunstmaler im Jahre 1935 das „Ahnenerbe“ als Behörde für die Erforschung des Ahnenerbguts gründen, dessen Forschungen aber weitestgehend ergebnislos blieben. Anders die von Sven Hedin, einem schwedischen Entdecker mit einer Vorliebe für Tibet, das er gleich mehrfach besuchte, ehe er von 1927 bis 1930 begann, seine Forschungen auf die Mongolei auszuweiten.

Fündig würde er erst heute werden, etwa in Ulan Bator, der Hauptstadt der ehemals sozialistischen Mongolei. Hier sind "Neonazi-Sprüche an Wänden und Fenstern keine Seltenheit", wie die Süddeutsche Zeitung hochinspiriert von einem Bericht des Guardian beschreibt. Mit "ihrer dunklen Haut und ihren schmalen Augen seien die Mongolen das Gegenteil des propagierten arischen Ideals", weiß die Rassekunde-Fachschrift aus München, "trotzdem verehren mongolische Neonazis Hitlers Ideologie einer reinen Nation".

"Hitler hat uns gelehrt, wie man die nationale Identität erhält", zitiert die SZ die Aussage eines Mitbegründers der rechtsextremen Gruppe Tsagaan Khas (Weißes Hakenkreuz) gegenüber dem Guardian, während die Übersetzung des im Original folgenden "We don't agree with his extremism and starting the second world war. We are against all those killings, but we support his ideology. We support nationalism rather than fascism", des besseren Leseverständnisses wegen nicht gelang.


Zuviel Verwirrung ohnehin hier. Nazi-Gruppen aus Untermenschen, die "ihr Volk gegen den Einfluss von außen" schützen wollen, weil sie glauben, im Blutmix mit dem übermächtigen China untergehen zu müssen. Fremdenfeindlichkeit bei den in Europa von Fremdenfeindlichkeit Verfolgten, deren größtes Geheimnis der polnische Wissenschaftler Ferdinand Ossendowski bereits 1922 in seinem Buch „Tiere, Menschen und Götter “aufgedeckt hatte. In diesem sensationellen Reisebericht aus der Mongolei beschrieb er das unterirdische Land Agharti unter der Wüste Gobi, dessen mächtige Einwohner eines Tages an die Oberfläche kommen würden, um die Erde vor der Zerstörung zu retten.

Bisher wartet die Welt vergeblich auf Vril-Flugzeuge und Flugscheiben, Raumhakenkreuzer vom Mond und Luftlandetruppen aus Neuschwabenland. Erst kommendes Jahr geht der Alptraum aller Reinstkultur-Nationalisten in Erfüllung, auch wenn die Bundesregierung derzeit plant, im Rahmen der PPQ-Serie "Verbot der Woche" eine globale Untersagungsverfügung nach Ulan Bator zu senden: Mit Götz Otto und Julia Dietze in den Hauptrollen startet Timo Vuorensolas Versuch, auf dem Mond einen Kassenknüller aus Ahnenerbe und Internetlegenden zu starten, über den die Süddeutsche Zeitung nicht lachen können wird.

Jagd auf einen Unsichtbaren


Fast wäre sie wirklich vergessen worden, die Suche nach dem geheimnisvollen Schlangenmenschen, der den Passauer Polizeichef Alois Mannichl von nicht einmal ganz zwei Jahren in einer Nacht- und Nebenaktion mit dessen eigenen Lebkuchenmesser hatte ermorden wollen. Damals war das eine Staatsaffäre, die von einer "neuen Qualität rechtsradikaler Gewalt" kündete und die Ermittlungsbehörden für wenigstens vier Wochen beschäftigte wie kein anderer Fall seit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer durch die RAF. Später war gelegentlich noch von Umgruppierungen innerhalb der Ermittlungsgruppen, wechselnden Zuständigkeiten, Krankenhausbesuchen und gesicherten DNA-Spuren die Rede. Dann aber verschwand der Mannichl-Fall aus der Berichterstattung.

Bis jetzt endlich die "Bild"-Zeitung" , ein Fachmagazin für vergessene Geschichte, sich an den geheimnisvollsten Angriff eines einzelnen Rechtsextremen auf einen hohen Repräsentanten des Staates erinnert. "Die Ermittlungen gehen weiter", tröstet das Blatt alle Krimifans, die bisher vergeblich auf eine Aufklärung gehofft hatten. Nach wie vor gebe es zwar "keine heiße Spur von dem gesuchten Täter" mit der auffälligen grünen Gesichtstätowierung. "Dennoch geben die Ermittler nicht auf." Die Sonderkommission untersuche immer noch einzelne Details, habe Passaus Leitender Oberstaatsanwalt Helmut Walch gesagt, ohne darauf einzugehen, ob die Wochen nach der Tat auf einer Ausfallstraße gesicherten Zigarettenkippen und Dreiradtrümmer eine Hilfe bei der Tätersuche gewesen sind. „Es taucht hier und da immer wieder einmal ein neuer Hinweis auf, dem man dann nachgeht.”

Bei der noch laufenden Arbeit gehen die Ermittler offenbar inzwischen davon aus, dass ein Rechtsradikaler mit Migrationshintergrund der Täter sein könnte. Es würden auch Personen aus anderen europäischen Staaten überprüft, ließ Walch wissen. Das Feierabendfahndungsboard PPQ hatte schon früh auf die Möglichkeit hingewiesen, dass es sich bei dem Mörder auch um das wütende Opfer eines irren Tätowierers oder einen im Alltag unsichtbaren Maori-Häuptling gehandelt haben kann.

Wer hat es gesagt?

Ich habe die Hälfte seiner Freunde geerbt - und alle seine Feinde.

Sonntag, 19. September 2010

Der Himmel über Halle XXXVII

Getreu der Erfahrung, dass es besser ist, alles Geld auf den Kopf zu hauen, bevor eine staatliche Zwangsverwaltung jedwede Entscheidungsgewalt über kommunale Geldmittel an sich ziehen wird, hat die hallesche Stadtverwaltung wieder mal keine Kosten gescheut. Als Begleitmaßnahme zum momentanen Stadionneubau wurde in einem Testlauf schon mal der Himmel in einem Vereins-Rot gefärbt, um eine nuancierte Abstimmung des Himmelszeltes passend zu den Trikots der hiesigen Heimmannschaft zu erreichen.

Bei diesem ersten Testlauf zeigte sich noch zuviel Gelb am Himmel. Hier werde aber noch farblich "nachjustiert", so die Stadtverwaltung gegenüber PPQ. Einen ersten Entwurf, verschwenderisch bunt vorempfunden, hat Die Anmerkung inzwischen per E-Post im Rathaus vorgelegt - exklusiv oben zu sehen.

Teddy, ein Held zum Kuscheln

Ein Gefolgsmann wie Rudolf Hess war er, treu und voller Selbstverleugnung und jederzeit bemüht, die gemeinsame Sache voranzubringen. 65 Jahre nach seinem Tod ehrt die Quedlinburger Lyonel-Feininger-Galerie ihn nun endlich: Ernst "Teddy" Thälmann, in der DDR Liebling der Kinder und Genossen, dient als Testimonial für eine Ausstellung der Werke aus der Sammlung des Berliner Galeristen und Kurators René Block. Keine Verherrlichung des Kommunismus ist das, wie das Aufhängen von Hess-Bildern (unten) eine Verherrlichung des Nationalsozialismus ist. Im Unterschied zu Hess, der zum Feind seines Führers überlief, harrte der KPD-Führer im Schützengraben aus - eine Heldengeschichte, die ihn unsterblich machte.

Das trifft ausnahmsweise mal den Richtigen, denn Thälmann war - im Unterschied zum Nazi Hess - in seinen besten Jahren nicht nur Ehrenmitglied der Besatzung des Kreuzers Aurora, sondern auch führender Verfechter der Sozialfaschismus-These, die nicht im Nationalsozialismus, sondern in der Sozialdemokratie die größte Hürde auf dem Weg zur Befreiung des Menschen durch den Menschen sah. "In Treue fest" (ARD) zu Stalin, dem weisen Führer der Völker, reinigte Thälmann die deutsche Kommunistische Partei von Links- und Rechtsabweichlern, so dass sie nach dem mühelosen Durchmarsch der NSdAP zur Macht binnen kurzer Zeit zerschlagen werden konnte.

Der Dank des Vaterlandes an den "Sohn seiner Klasse" (Defa), der "niemals gefallen ist", wie eine Facebook-Seite bis heute rühmt: Thälmann wurde von den Nationalsozialisten verhaftet und in "Schutzhaft" genommen. Als Hitler und Stalin einen gemeinsamen Pakt schließen, hofft er, dass sein früherer Fürsprecher in Moskau, der ihn nach dem Wittorf-Skandal um geklaute Parteigelder 1928 gegen den Widerstand des restlichen ZK an der Spitze der KPD gehalten hatte, ihn freihandelt.

Doch Stalin hat das Interesse an Thälmann schon verloren. Während er seinen ungarischen Vasallen Matyas Rakosi, den Vorsitzenden der Partei der Ungarischen Werktätigen, noch 1940 zu späterer Verwendung aus deutscher Haft holt, lässt der Führer der Weltrevolution seinen deutschen Statthalter fallen. Von wegen niemals gefallen. Thälmann schreibt Hilferufe in Briefen, wird aber kurz vor Kriegsende auf Befehl von Hitler umgebracht. Glück für die Ausstellungsmacher: Hätte er überlebt, wäre er womöglich an Stelle von Ulbricht zum Stalin der DDR geworden. Und die Ausstellung, die noch bis Ende Oktober läuft, müsste dann vielleicht mit einem schicken Erich Honecker- oder Erich Mielke-Bild werben.

Samstag, 18. September 2010

Visa-Gangster verbreiten Bange

Jeden Tag steht mindestens ein Dummer auf, man muss ihn nur finden, wissen findige Verbrecher überall auf der Welt. Mit ganz gerissen gefälschten Mails versuchen die international agierenden Banden, arglose Kreditkartenbesitzer auf täuschend echt nachgemachte Bankseiten zu locken. "Teuer (e) Kunde/Kundin", heißt es in den als Fälschung kaum zu erkennenden Anschreiben, (Foto links) die auch vorsichten Banknutzern kaum eine Chance lassen, den Trick zu durchschauen. "Beachtung! - Wir haben bestimmen kürzlich, dass quelqu' hat vielleicht, Ihre Karte ohne Ihre Genehmigung und einen mehrfachen Versuch der Zahlungen zu benutzen zu scheitern."

Den arglosen Empfängern wird an dieser Stelle automatisch Angst und Bange, sie sind nunmehr bereit, die Anweisungen der Kriminellen Wort für Wort zu befolgen. "Wir müssen jetzt", forden die Betrüger, "die Informationen Ihrer Kreditkarte wieder zu bestätigen". Dazu sei es nötig, "um Ihre Karte gegen l' zu schützen; betrügerische Benutzung und für die Aktualisierung Sicherheit des system Verified by VISA, Danke dieser Verbindung zu folgen:"

Den mitgelieferten Link nicht anzuklicken, wagen auch erfahrene Nutzer nicht, denn die gerissenen Gangster drohen unmissverständlich mit ernsten Konsequenzen: "Wenn Sie n' vollenden Sie dieses Verfahren vor dem 24. August 2010 wir gezwungen, Ihre Karte definitiv aufzuhängen, denn sie d' vielleicht zu benutzen; eine betrügerische Art und Weise."

Ohne zu ahnen, dass der geforderte Klick nicht etwa zu mehr, sondern zu weniger Sicherheit führt, betätigen die Betroffenen ihre Maus. Das internationale Verbrechertum ist dankbar: "Danke d' zu haben untersuchen diese Information und uns die Vertraulichkeit und die Sicherheit Ihrer Kreditkarte aufrechterhalten zu helfen" und schließt mit einem knappen "Herzlich, Ihr VerifiedbyVisa Dienst Sicherheitsdepartement."

Freitag, 17. September 2010

Der Himmel über Halle XXXVI

Die Stadtverwaltung von Halle geht mittlerweile soweit, unnütze Plattenbauten nur deswegen nicht abzureißen, damit sie einen soliden Kontrast zum mit Steuermillionen teuer finanzierten "Himmel über Halle" bilden können.  Wir finden das nicht richtig - aber schön.
Mehr Blicke in den Himmel über Halle finden sich ausgehend von hier.

Doku Deutschland: Gier ist ein Geschwür

Es sind die unerzählten Dramen und Tragödien, die im Foyer deutscher Gerichte darauf warten, von mitfühlenden Seelen entdeckt zu werden. Zwischen kurzangebundenen Vorschauen auf betrunkene Schlägereien, unterschlagene Mieten und gestohlene Kleinkrafträder stecken immer wieder auch Geschichten, aus denen das ZDF mit Hilfe von Veronica Ferres und Heino Ferch eine ganze Sommerabendserie machen würde.

Das Drehbuch hat das Leben im Rahmen der PPQ-Reihe "Doku Deutschland" bereits geschrieben, äußerst kostengünstig dazu. In der Hauptrolle der Verfilmung eines authentischen Falles aus Mitteldeutschland: Ein knapp 50-Jähriger mit offenem Blick und dünnem Haar, gespielt von Heiner Lauterbach, dem der Staatsanwalt, gespielt natürlich von wie immer überzeugenden Ulrich Noethen, Betrug in sechs Fällen vorwirft, davon einmal in einem besonders schweren Fall.

Die Kamera fährt erstmal auf die Akte zu, die auf einem gläsernen Schreibtisch liegt. Dann Blende auf Heino Ferch, ein Opfer, dem man seine persönliche und finanzielle Misere am Hemdkragen ansieht. Aus der Küche klappert Geschirr, Frau Ferch, gespielt von der Ferres in der Rolle ihres Lebens, brät kleine Bratwürstchen, denn die Lage ist ernst. Ferchs, die im Film Grabowskis heißen, sind betrogen worden. Von Heiner Lauterbach, dem jetzt Angeklagten, der in der absolut gelungenen filmischen Umsetzung des authentischen Falles, dem die Besten Mitteldeutschland zum Opfer fielen, Heinrich Asenberg genannt wird.

Asenberg begann vier Jahre zuvor im lauschigen Isernhagen, in Alicante und dem sachsen-anhaltinischen Armenhaus Tröglitz, gedreht wurde natürlich an den Originalschauplätzen der originalen Story, "dem Geschädigten Ferch, also Grabowski, vorgespiegelt zu haben, er, also Lauterbach als Asenberg, sei in der Lage, dem Ferch, also Grabowski, "für die Finanzierung eines Krankenhausneubaus in Alicante einen Kredit über 163 Mio Euro zu verschaffen", wenn Ferch alias Grabowski ihm" zuvor insgesamt 150000 Euro zur Verfügung stelle".

Genau schreibt es der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift und genau so ist es passiert. Ältere Leute, die schon viel erlebt haben, aber auch jüngere, die keine 150000 Euro besitzen, hätten dem raffinierten Gauner mit dem leutseligen Gehabe daraufhin kurzerhand die Tür gewiesen. Wären deshalb aber nie ins ZDF gekommen. Die Original-Filmfigur Grabowski hingegen, als Heino Ferch immer auf neue Rollenangebote angewiesen, geht drehbuchdienlich auf das überaus verlockende Angebot ein. Ein Krankenhaus in Alicante zu bauen ist für den sportlichen Familienvater, der bisher nur ein Einfamilienhaus in Tröglitz und eine Zweimastbark in Isernhagen besitzt, ein Lebenstraum.

Grabowski geht zur Bank, er hebt das Geld ab. Ferres macht im eine Szene, die drehbuchreif wäre, stände sie nicht ohnehin drin. Ein Messerblock fliegt durch die Designerküche. Die Kinder laufen weinend in den großen Garten, Ferch aber lässt sich nicht umstimmen. Wutentbrannt stürmt er aus dem Haus, das Geld in einem Packpapierumschlag mit Krankenkassenlogo in der Hand.

Dann hat es Lauterbach. Man sieht ihn zufrieden zählen. "Woraufhin der Angeklagte", heißt es in der Klageschrift im wirklichen Leben, "seinem Plan entsprechend das Geld für sich verwendet haben soll". Fünf weiteren Geschädigten habe der gewiefte Heiner Lauterbach mit seiner ganzen Wandlungsfähigkeit ebenfalls vorgetäuscht, "er könne binnen weniger Monate einen als Darlehen gewährten Geldbetrag verzehnfachen". Woraufhin diese ihm ebenfalls, jetzt blendet die Kamera gekonnt auf einen diabolisch grinsenden Heiner Lauterbach, dem noch ein alter Geldschein aus der weißen Weste hängt, "Beträge zwischen 7.000 und 10.000 Euro - insgesamt 41.000 Euro zur Verfügung gestellt hätten". Auch dieses Geld legte der nunmehr in Halle in aller Stille Angeklagte "seinem Plan entsprechend" nicht an, sondern er gab es aus, bis es alle war.

Gier, das zeigt diese nie gedrehte Fernsehsensation des Jahres in aller gebotenen Unverbindlichkeit, ist keine Managerkrankheit, sondern ein Geschwür, das im ganzen Volkskörper wohnt. Die letzte Szene zeigt die wie immer grandios gebrochene Veronika Ferres an der Wohnungstür. Sie hat sich von Heino Ferch getrennt, weiß aber noch nicht, ob sie auf Heiner Lauterbach warten wird. Als es klingelt, öffnet sie sofrt, ein Glas Rotwein in der Hand. Draußen steht Sven Regener, ein stadtbekannter Musiker, der von Christian Ulmen gespielt werden wird. Er hat keine Gitarre dabei, aber ein Angebot in der Tasche. Wenn Veronika Ferres ihm eine Million schenkt, wird er beim Ausgeben immer an sie denken. Jetzt ist schnelles Handeln gefragt.

Rechte Gewalt: Die Tat macht den Nazi

Eines der letzten großen, abgrundtief dunklen Geheimnisse der vorgeblichen deutschen Demokratie konnte jetzt durch das zivilgesellschaftlich stets engagierte Watchblog "Die Zeit" gelüftet werden. Das Internetjournal, traditionell auf hauchdünnem Holz gedruckt, hat in jahrelanger Feinarbeit die offizielle Zahl der von Rechten, Rechtsradikalen, Rechtsextremen, Rechtsextrimisten und Rechtsmotivierten ermordeten Menschen nachgerechnet. Und dabei herausgefunden, dass Bundesbehörden offenbar seit mehr als zwei Jahrzehnten zahlreiche Opfer verschwiegen haben.

Die Dimension rechter Gewalt, die zuletzt mit dem Mordanschlag eines faschistischen Schlangenmenschen auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl "eine neue Qualität" (Bayerns Innenminister Hermann)erreichte, wird vielfach unterschätzt. Zwar seien insgesamt nicht mehr Menschen ermordet worden, schreibt das Blatt als Erläuterung einer interaktiven Landkarte voller Punkte, auf der Interessierte interaktiv mit den rechten Morden spielen können (unten). Doch hätten Polizei und Justiz beinahe hundert Opfer statistisch falsch erfasst und in verharmlosenden Schubladen als Morde unter Alkohol, Opfer von Diskoschlägereien und Auseinandersetzungen zwischen Asylbewerbern und syrischen Kioskbesitzern abgelegt.

Die bittere und entsetzliche Wahrheit: Statt 47 kosteten Mordaktionen von rechts seit 1990 mindestens 137 Opfer das Leben. Die braune Dunkelziffer ist aller Erfahrung nach sogar noch sehr viel höher.

Eine erschütternde Zahl, gerade weil, wie auch das Blatt beklagt, 2004 und 2007 gar keine Menschen von Rechten umgebracht worden seien. Zuletzt war sogar die Zahl der rechtsextremen Straftaten insgesamt zurückgegangen, obwohl nicht nur "Die Zeit", der zu allem entschlossene BKA-Chef Zierke und der in Medienlügen erfahrene Alphablogger Stefan Niggemeier nachhaltig für eine weitere Erhöhung geworben hatten.

Die neuen Zahlen aber werfen nun doch wieder ein neues Licht auf das Land der "national befreiten Zonen" und "No-Go-Areas", von denen bisher ausschließlich ausdauernd die Rede war, ohne dass sie jemals auf einer Landkarte hätten eingezeichnet werden können. Wie "Die Zeit" minutiös nachweist, bedienen sich die Behörden seit Jahren eines simplen Tricks, um die Opferzahlen schönzurechnen.

Dabei werden Todesfälle durch Gewalt nur dann als rechte Taten registriert, wenn sie von nachweislich "rechts motivierten" (BKA) Tätern begangen wurden. Ein Fortschritt gegenüber der Zeit vor der letzten von der "Zeit" ausgelösten Zählungsreform, vor der für eine Aufnahme in die Statistik nicht nur eine Gesinnung, sondern zusätzlich eine politische Motivation nachgewiesen werden musste.

Doch bei weitem nicht ausreichend, wie die Fachredaktion ermittelt hat. "Doch immer noch gibt es reichlich Fälle, in denen die Strafverfolger ein rechtes Tatmotiv kaum oder gar nicht ergründen", heisst es in dem wegweisenden Beitrag. Manchmal reiche zur Begründung schon die Tatsache, dass die Täter keine Rechtsradikalen seien. Zur kontinuierlichen weiteren Erhöhung der Fallzahlen, deren Verkündung jeweils zur Verfertigung großformatiger Warnartikel dienen kann, sei es deshalb zwingend erforderlich, auch Taten von nachweislich nicht rechts- oder gar rechtsextremistisch gesinnten Tätern in der Statistik der Opfer rechtsextremer Gewalt zu erfassen. Um vorerst noch nicht sämtliche Todesfälle durch Gewalt deutschlandweit einbeziehen zu müsen, sieht eine Gesetzesinitiative aus dem Zeitungshaus vor, zur Festlegung der aufnahmegeeigneten Taten wahlweise Eigenschaften des Opfer oder der Tatumstände heranzuziehen.

Mit Hilfe mehrerer Beispiele weist das Autorenkollektiv überzeugend nach, wie das zu funktionieren hätte: Sagen Täter etwa aus, sie hätten "für Ruhe und Ordnung" sorgen wollen, deutet das künftig ebenso unzweifelhaft auf einen rechten Hintergrund wie der Umstand, dass es sich beim Opfer um einen sogenannten "nicht-rechten" Jugendlichen, einen Obdachlosen oder Migranten handelt.

In einem der von der "Zeit" kompetent und spannend geschilderten Fälle hatten Jugendliche einen Obdachlosen erschlagen. Allein durch die Auswahl des Opfers, fanden die von dem engagierten Blatt beauftragten Experten heraus, sei der rechtsextreme Hintergrund ausreichend belegt, weil Rechtsextreme bekannt dafür seien, häufig Obdachlose anzugreifen. Komme Hass als Tatmerkmal hinzu, sei der Hintergrund gar nicht anders als von rechts zu sehen.

Im "Kampf gegen rechts" (Angela Merkel) ergeben sich mit einer Statistik diesen Zuschnitts künfitg völlig neue Perspektiven. Akte sinnloser Gewalt, wie sie Rechtsextreme, aber etwa auch die Täter in Truman Capotes Erzählung "Kaltblütig" begehen, könnten unabhängig von der konkreten Täterschaft global unter "rechts motiviert" (BKA) gezählt und zum Anlass für Aufstockung der Mittel zu ihrer vorbeugenden Bekämpfung genommen werden. Ziel müsse es sein, heißt es in Opferberatungsstellen, "Mord vom Täter wegzudenken".

Perspektivisches Ziel sei ein Aufklärungsansatz, der nach einem alten Bibelwort Taten sprechen lässt: Die Tat allein soll dann als Beleg der Gesinnung gewertet werden. Noch sei kein Konsens über diese Frage hergestellt, man habe aber angedacht, Mörder spätestens ab Januar 2012 generell als rechtsextrem oder rechtsradikal einzustufen, da das menschenverachtende ihrer Tat ja dafür spreche, dass es sich keinesfalls um "nicht-rechte" (Verein Miteinander e.V.) Jugendliche oder Erwachsene handeln könne.

Das werde den Zahlen noch einmal einen Schub geben. "Eine Bundesstiftung könnte Aufklärungsarbeit leisten und die Opfer der rechten Gewalttäter unterstützen", empfehlen die Fachautoren, die sich von der jüngst erfolgten Gründung des Blogampelamtes im mecklenburgischen Warin als zentraler Internetaufsichtsbehörde in Deutschland haben inspirieren lassen. Durh ein beständiges Anwachsen der Bedrohung durch den gewalttätigen Rechtsextremismus in der Statistik könne die Bundesstiftung auch ohne eine realen Zuwachs an Taten ermächtigt werden, "die Wirkung von Aufklärung und Opferhilfe deutschlandweit zu verstärken". Da winken neue Stellen, deren Inhaber jeden Morgen beten werden, dass bald wieder mal ein Mord geschieht.

Mehr dazu auch bei Karl Eduards Kanal.

Donnerstag, 16. September 2010

Fremde Federn

Wir haben keine Reichsschrifttumskammer, kein Ministerium für Neusprech, kein ZK und kein Politbüro, die den Ton vorgeben, und dennoch haben sich Begriffe wie "moderate Taliban" und "soziale Brennpunkte" festgesetzt, Euphemismen, die der Selbsttäuschung dienen.

Geburtstag in der Schinderstraße

Er war ein Rassist reinsten Wassers, ein Antisemit, Menschenschinder und Eroberungsreisender, gegen den beinharte Kommunisten wie Ernst Thälmann und Rosa Luxemburg direkt völkerverbindende Toleranz vorlebten. Carl Peters, am 27. September 1856 in Neuhaus/Elbe im Königreich Hannover geboren, verbrachte seine Lehrjahre in England und lernte dort von den Besten. 1884 gründete er die „Gesellschaft für Deutsche Kolonisation“ und ließ sich von dieser zusammen mit zwei Begleitern einen Auftrag zum Gebietserwerb in Ostafrika erteilen. Deutschland, so war er überzeugt, braucht Überseegebiete, will es groß und mächtig werden. Auf dem schwarzen Kontinent angekommen, dessen Bewohner er für eine Art aufrecht gehender Affen hielt, machte Peters nicht viel Federlesens. Ehe seine Truppe ein Dorf betrat, gab es eine warnende Salve aus den Gewehren, damit war dann schon mal angenehme Verhandlungsstimmung hergestellt. Die „Schutzverträge“ mit den Einheimischen schloß der Abgesandte des Deutschen Reiches, indem er Häuptlinge dazu brachte, deutschsprachige Schriftstücke mit ein paar Kreuzen zu unterzeichen.

Große Jahre für das Reich, große Jahre für Carl Peters, der in "Afrika Neger totschießt wie Spatzen", wie der "Vorwärts" schrieb. Obwohl Reichskanzler Bismarck die Verträge später „ein Stück Papier mit Neger-Kreuzen drunter“ nannte, bekam der agile Eroberer mit den Beinamen "blutige Hand" und "Hänge-Peters" den offiziellen Auftrag, Gebiete Afrika für das Reich in Besitz zu nehmen. Als Reichskommissar für das Kilimandscharogebiet hielt er sich afrikanische Mädchen als Geliebte, nach der Feststellung, dass eine von ihnen ihn mit einem Diener betrog, ließ er beide öffentlich aufhängen und zur Sicherheit auch gleich noch ihre Heimatdörfer zerstören. Einer seiner Mitarbeiter beschrieb die Atmosphäre am Hofe des Reichskommissars: „Übrigens ist Peters halb verrückt. Alles um ihn herum geht krumm vor Hieben. 100 bis 150 sind an der Tagesordnung. Es ist kaum zu glauben, welche Angst die Leute vor Peters und seinen Leuten haben“.

Den folgenden Aufstand schlug Peters so blutig nieder, dass er nach Deutschland zurückgerufen und dort auf Betreiben des kaiserlichen Disziplinargerichts unehrenhaft entlassen wurde. Er verlor seinen Titel und seine Pensionsansprüche und musste von einer kleinen Pension leben, die Kaiser Wilhelm II. ihm persönlich zahlte. 1937 war es Adolf Hitler selbst, der den inzwischen verstorbenen Schinder popstum freisprach. Die „Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums“ lobte, dass Peters „den Gedankengängen des Dritten Reiches bereits vor fünfzig Jahren“ nahestand.

Grund genug, für Städte wie Soltau, Bad Hersfeld, Delmenhorst und Lüneburg, den großen Afrika-Eroberer der frühen Tage bis heute engagiert zu würdigen. Während im Osten Straßennamen wie "Lenin" oder "Thälmann" überwiegend nur in kleineren Orten die zwei Jahrzehnte seit der Wende überlebt haben, feiern die Carl-Peters-Straßen in acht Städten und Gemeinden westwärts der früheren Grenze schon ihren 80. Geburtstag.

Umbenannt wird aber immer mal, zuweilen sogar, ohne dass sich der Name ändert: Im Bremer Stadtteil Walle verlor Carl Peters das Namensrecht, die nach ihm benannte Straße heißt allerdings immer noch so. Nur jetzt, so gratismutig arbeitet die Stadt ihre Geschichte auf, nach einem verdienten Strafrechtsreformer gleichen Namens.