Mittwoch, 30. März 2011

Kanzler Steinbrück stellt Kompetenzteam vor

Die deutsche Sozialdemokratie bereitet sich offenbar auf ein vorzeitiges Ende der Klimakanzlerschaft von CDU-Chefin Angela Merkel vor. Zwei Tage nach der Wahl in Baden-Würtemberg, die den Christdemokraten einen Machtverlust beschert hatte, stellte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in Berlin im kleinen Kreis das "Kompetenzteam" vor, mit dem er in den Wahlkampf ziehen will. Es wird erwartet, dass Steinbrück aus dem Kreise seiner Teammitglieder auch sein künftiges Kabinett besetzen will.

Zuvor war der SPD-Parteivorsitzende und langjährige Pop-Beauftragte Sigmar Gabriel im Laufe einer turbulenten Nachtsitzung von seinem Vorrecht, als "natürlicher Kanzlerkandidat" der Sozialdemokraten ins Rennen zu gehen, zurückgetreten. "Ich glaube, Peer Steinbrück ist der Richtige, wir haben keinen besseren", habe der Wahl-Magdeburger gesagt. Aus seiner Sicht sei Steinbrück der geeignetste Kandidat, die Mitte auf ähnliche Weise anzusprechen wie das zuletzt Frank Steinmeier gelungen war. "Frank-Walter", so Gabriel, "hat gezeigt, dass niemand Parteivorsitzender sein muss, um ein scharfes Rennen zu liefern."

Steinbrück, der sich in den letzten Wochen bewusst aus der aktuellen Tagespolitilk herausgehalten hatte, benannte noch am selben Abend sein künftiges Kabinett. Während er selbst als primus inter pares das Kanzleramt ausfüllen werde, sähen die Planungen vor, dass der bewährte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen zum Finanzminster aufrücke. Asmussen habe das Ministerium unter Steinbrück und Schäuble bereits mit "großer Umsicht" geführt und durch höhere Steuereinnahmen gespart. "Jetzt ist es Zeit, dass er in die erste Reihe tritt", lobte der ehemalige Vorgesetzte und künftige Kanzler. Gerüchte, der sachsen-anhaltische Finanzminister Jens Bullerjahn werde als Sparkommissar nach Berlin rücken, sind damit vom Tisch.

Da Außenministerium und damit die Vizekanzlerschaft traditionell an die Grünen als kleineren Koalitionspartner fallen und nach den Plänen der neuen Volkspartei mit der derzeitigen Parteichefin Claudia Roth besetzt werden, plant Steinbrück, die SPD-Seite des Kabinettstisches mit Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister und Andrea Nahles als Sozialministerin zu besetzen. Das Innenressort fällt an Nils Annen, für die Gesundheit hält sich Manuela Schwesig aus Mecklenburg bereit. Das Familienministerium, für das die Schwerinerin als Favoritin galt, fällt überraschend an Klaus Wowereit, der damit als erster Mann ins Familienressort einzieht, sobald er Berlin an Renate Künast übergeben hat. Andrea Ypsilanti, deren harte Basisarbeit in den vergangenen Jahren danach "geschrieen" (Steinbrück) habe, längst vergangene Fehler nicht mehr aufzurechnen, bekommt das neugeschaffene Integrationsministerium, das sich künftig um benachteiligte Jugendliche kümmern wird. Generationswechsel auch im Justizministerium: Hier wird aus Gründen des Länderproporzes noch ein junger männlicher Jurist oder Steuerberater aus Bayern gesucht, der Kinder und internationale Erfahrung haben, aber mindestens in zweiter Ehe verheiratet sein soll. Hier sehe er aber noch Verhandlungsmasse, sagte Steinbrück, der bereit wäre, den Posten an den juristisch erfahrenen Grünen-Chef Cem Özdemir zu geben.

Die Grünen reklamierten in einer schnell einberufenen Telefonkonferenz außer dem Außenministerium erwartungsgemäß Verteidigung und Umwelt für sich. Neuer Verteidigungsminister wird danach Christian Ströbele, der plant, die Abschaffung der Bundeswehr weiter zu beschleunigen. Deutschland könne der Welt ein Beispiel geben und sich in Zukunft gewaltfrei verteidigen. Das Umweltressort möchte Parteichef Jürgen Trittin gern selbst übernehmen. Der angefragte Ersatzkandidat Rezzo Schlauch habe abgesagt. Endgültig müsse darüber aber die Basis entscheiden. Gedacht ist an einen Vorausscheid im Fernsehen nach dem Vorbild von "Deutschland sucht den Superstar". ARD, ZDF, Phoenix und RTL übertragen die Finalrunde dann parallel.

2 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Wer lange vor den Wahlen über Kanzlerkandidaten spricht, der hat schon verloren.

Steinbrück war ein Versuchsballon, der geplatzt ist, damit ganz schnell der Steinmeier nachgeschoben werden kann, oder um es mit der BILD zu sagen, die ihre eigenen Umfragen von vor wenigen Wochen nicht mehr kennt, er ist der zur Zeit beliebteste deutsche Politiker. Gut daß im Worte beliebtester nicht mein Standardbuchstabendreher ie zu ei passierte...

Also, das mit dem Steinmeier ist mir persönlich sehr schleierrätselig, denn für mein Dafürhalten versprüht er den Charme einer Vogelscheuche, aber vielleicht ist auch das Absicht. Jedenfalls hat er aus seinre zeit unter Schröder sicherlich ein gut gefülltes Köfferchen, der ihn für das Amt qualifiziert.

derherold hat gesagt…

"Neuer Verteidigungsminister (...) Ströbele, (...)die Abschaffung der Bundeswehr ... "

Nö. Sobald Ströbele Verteidigungsminister wird, wird er erklären,
- daß der Umbau zur Berufsarmee aus "humanitären Gründen" zu begrüßen ist
- daß er sich "schämt", daß Deutschland (noch) keine Bodentruppen für Einsätze in Libyen, Somalia oder Takkatukkaland zur Verfügung hat und
- daß neben dem schwäbischen Africom auch Weißrußlandcom eine Heimat hierzulande finden wird.