Donnerstag, 23. Juni 2011

Titellos zum Touristenmekka

Das war ein Schlag ins Kontor der allmächtigen Welterbekommission der Unesco, damals vor zwei Jahren. Eine deutsche Stadt, verpflichtet, alle Anweisungen des hohen Gremiums zu erfüllen, weigerte sich einfach. Da musste die Kommission, deren einzelne Mitglieder selbst die Pressedirektorin der Weltorganisation nicht benennen kann, Konsequenzen ziehen. Gemäß dem Vorschlag seines Sekretariats strichen die hohen Abgeordneten großer Welterbe-Bewahrungsnationen wie Bahrain, Kuba, Barbados, Madagaskar und Nigeria das Welterbe Dresdner Elbtal ratzefatz mit einer Stimmenmehrheit von 14:5 von der Welterbeliste.

Das Todesurteil für den Tourismus in der Elbemetropole, die nun ausdörren würde, weil niemand sie mehr besuchen kommen wolle. "Die Blamage ist jetzt amtlich", knirschte der "Spiegel", der traditionell vom Blamagen lebt. Deutschlandweit ergingen sich Qualitätsmedien in dunklen Betrachtungen über das Ende des Tourismus in Dresden, die Dummheit der Dresdner, eine für Hamburger, Kölner und Berliner völlig unnütze neue Brücke einzutauschen gegen den Ruf, eine von weltweit nur knapp 550 Welterbestätten zu sein, die jedes Schulkind kennt.

Zwei Jahre danach sind die Medien allerdings verstummt. Dass "Dresdens Tourismus alle Rekorde bricht", wie die Sächsische Zeitung gerade berichtet, passt ja auch so gar nicht zu den finsteren Zukunftsfantasien, die das jahrelange Murren über die eigenmächtige Bauentscheidung der Sachsen grundiert hatten. Auch in Bahrain, Kuba, Barbados, Madagaskar und Nigeria ist Dresden und die Waldschlösschenbrücke laut Google News kein Thema mehr, "helle Freude" (SZ) herrscht hingegen "bei Hoteliers und Gastwirten in Dresden, denn noch wurde die Stadt von so vielen Touristen besucht wie in den ersten Monaten des Jahres 2011.

"Von Januar bis März sind insgesamt 12,1 Prozent mehr Touristen in die Stadt gekommen als noch 2010", jubelt die regionalpresse, während die überregionalen Mahner und Warner ins Dresden-Koma gefallen sind. Von "Spiegel" bis "Stern", von "Welt" bis "Süddeutscher" ist der Brückenbau kein Thema mehr, ebensowenig natürlich auch die explodierten Besucherströme. Die können dank der Bauarbeiten an der Brücke zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder frei auf die klassischen Flussbiegungen blicken. Zuvor, als der Blick noch Welterbe war, endete die Canaletto-Aussicht im Blattwerk von Bäumen und Gebüsch, mit dem das Welterbe unbemerkt von Berichterstattern in Hamburg, München und Havanna komplett zugewachsen war.

Neidisch blickt die alte Römerstadt Regenburg auf die sogenannte Dresdner Lösung. Seit Monaten wartet die Stadtverwaltung der bayrischen Welterbestadt auf eine Auskunft der Unesco-Welterbekommission zur Frage, ob sich Regensburg eine Ersatzbrücke über die Donau und vielleicht sogar ein Hochhaus am Donauufer bauen darf. Doch die Unesco schweigt.

Der Blick nach Sachsen aber macht nun Hoffnung: Baut man Brücke und Hochhaus, ist der Welterbetitel weg. Aber die Touristen, die sind da.

Der bizarre Streit im Zeitraffer:
Die Rache der Enterbten
Aufschwung ohne Welterbe
Canaletto mit Betoneinfassung
Erpressung im Elbtal
Breit im Brückenstreit

11 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bevor das Welterbe enterbt ist, wollen die Touristen eben noch schnell mal einen Blick erhaschen. Steht erst die Brücke, dann ist es aus mit Elbflorenz, dem Zwinger, dem grünen Gewölbe und der Gemäldegallerie Alte Meister.

Anonym hat gesagt…

Ja die Dresdner, die werden sich noch wundern, wenn sie mit den Vorteilen leben müssen, die die Möglichkeit einer besseren Elbquerung bietet. Das hamm’se nu davon. Vielleicht sollten die sich mal Rat in Stuttgart holen, die dummen Ossis.

Anonym hat gesagt…

Spaßig ist auch, dass die Anzahl der neugierigen Baustellenbesucher an jedem Wochenende die Anzahl der früheren Gegendemonstranten bei weitem übertrifft. Aber wahrscheinlich wird trotz Volksentscheid pro Brücke immer noch das Wort umstritten benutzt.

suedwestfunk hat gesagt…

Als wirkliche Hauptattraktion erweisen sich natürlich "die explodierten Besucherströme", mit denen ppq die Elbhänge dekoriert hat.

ppq hat gesagt…

thema explodiert besucherströme: das sind eiskalte leute da, eiskalt

Sax hat gesagt…

Wer mal aktuell die bizarren Beiträge des verbleibenden Häufleins der "Welterbe-/(wahlweise) Naturschützer lesen will, muß mal auf die Foren von DNN und Dresden Fernsehen schauen. Dort werden Tierarten genannt, die durch die Brücke einen Schaden nehmen sollen, da wird selbst www.feldhamsterverleih.de blass.

ppq hat gesagt…

dass tiere einen schaden nehmen, hört man ja immer wieder. ist eigentlich irgendwo ein fall dokumentiert, wo es dazu kam? ich meine, wo das wilde schwarzwaldreh oder meinetwegen auch der hochharzgrasbesamer wegen einer brücke, eines hochhauses oder eines rockkonzertes ausgestorben ist?

ich lese immer nur vom waschbären, der ganz anders geartet sein muss als der rest der tierwelt. je mehr zivilisation, je lauter und bebauter, desto besser gehts ihm.

nwr hat gesagt…

@ppq
Beim Bau der Pyramiden sollen auch etliche seltene Wüstenskorpione totgetrampelt worden sein, einfach so. Das hat die Welt bis heute nicht verkraftet!

Im Übrigen verweise ich darauf, daß der Tourismus in Sachsen und M-V laut Ukas der toleranz-demokratischen Koordinierungsstellen wegen der NPD in den Landtagen tief im Keller zu sein hat. Daran sollte man sich bei jeder Berichterstattung halten! Erst, wenn diese tyrannische Partei besiegt ist, gehen die Zahlen wieder hoch. Touristen haben schließlich Angst vor den medial inszenierten braunen Schlägerbanden!

ppq hat gesagt…

stimmt, das hatte selbst ich vergessen. die braunen mordbanden hatten ja schon nach sebnitz ddafür gesorgt, dass niemand mehr nach sachsen reiste.

schlimm, dass dieses dunkelbraune kapitel bis heute nicht aufgearbeitet wurde. wäre doch mal ein fall für den "spiegel". titelzeile "immer schlimmer - die welt nach 14 Uhr"

Kurt hat gesagt…

Es ist kein Geheimnis, daß die wegen Brücke, Welterbeaberkennung und NPD im Landtag und im Stadrat (!) in den Keller gesunkenen Besucherzahlen nur dadurch wieder steigen, weil selbstlose, von Steuergeldern genährte, Kämpfer für Frieden und Völkerfreundschaft den Dresdnern ein knallhartes Umerziehungsprogramm verordnet haben. Jedenfalls wird so nach außen kommuniziert.
Es gibt das Kulturbüro Dresden eV, BürgerCourage eV (unvergessen die Aktion 13 Messer), Ausländerrat eV, RoterBaum eV., AZ Conny eV., Bündnis90/Grüne, SPD, LINKE, STURA eV. (unvergessen die kleinen Filmchen auf Kindergartenniveau, die auf Initiative des Studentenrates gedreht und in den Straßenbahnen ausgestrahlt werden) coloradio eV., usw. usf.
Und morgen abend könnt ihr alle an einer Manifestation des Willens teilnehmen. Auf dem Altmarkt in Dresden beginnt die Parade "Dresden wird bunt".
Das wird in Folge die Besucherzahlen weiter anschwellen lassen, wenn die Welt erst erfährt, daß alle Genossinnen und Jugendfreunde ihren Willen zu einem friedlichen Miteinander von einheimischen und zugezogenen Brückengegnern aller couleur bekundet haben.

Volker hat gesagt…

Das mit den ausbleibenden Touristen ist seit Jahren ein running Gag unsere Staatspropaganda.
Tatsächlich jedoch sind die Touristenazhlen in Sachsen und McPomm gestiegen, seitdem die NPD im Landtag ist.
Hat vermutlich nichts mit der NPD zu tun. Eher halten die Touris ein paar NPD-Hanseln im Landtag für weniger bedrohlich als Moslems in der U-Bahn.