Montag, 4. Juli 2011

Akute Imaginitis

Da muss mehr Überwachung her, ruft der derzeit als Innenminister amtierende Friedrich bei solchen Gelegenheiten gern. Anders bekommt man ja die ganzen Verbrecher nicht mehr in den Griff!

Da ist es schon erhellend, im zwölften Unterpunktmenü des Bundesamtes für Justiz nachzulesen, wofür solche Gesetze eigentlich gut sind. Richtig wichtig waren ja Möglichkeiten zur Telekommunikationsüberwachung vor allem, um Terroristen und Kinderpornohändler verfolgen zu können. Gerade erst mahnte Innenminister Friedrich wieder an, dass der Staat mehr Möglichkeiten zur Überwachung im Netz brauche, um den Urhebern von zuletzt 56.000 mutmaßlichen Straftaten im Netz auf die Schliche kommen zu können.

Offenbar ein Fall von akuter Imaginitis, wie Mediziner die offensichtlich vorliegende schwere Entzündung der Einbildungskraft nennen. Denn wie sieht es denn heute wirklich aus? Ja, natürlich, die Zahl der von den Ermittlungsbehörden eingeleiteten Überwachungsmaßnahmen hat sich seit den Terroranschlägen vom 11. September vor zehn Jahren verzehnfacht. Allein von 2008 zu 2009, die einzigen beiden Jahre, aus denen detaillierte Zahlen vorliegen, erhöhte sich die Menge der angeordneten "Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen" (Bundesjustizamt) um etwa ein Viertel.

Aber wo laufen sie denn? Und vor allem: Wo lauschen sie? Laut Statistik jedenfalls nicht dort, wo eifrige Politiker sie lauschen sehen. Überwachungsmaßnahmen kommen nämlich kaum zur Terrorbekämpfung und fast nie zur Bekämpfung von Kinderpornographie zum Einsatz – sondern regelmäßig und massenhaft nur bei ganz gewöhnlicher Kriminalität wie Bandendiebstahl, Mord, Menschen- und Drogenhandel.

Auch das Internet, obwohl doch nach Ansicht von BKA-Chef Ziercke der "größte Tatort der Welt", bleibt erstaunlicherweise weitgehend außen vor, wenn deutsche Ermittler als Maus-Police auf Täterjagd gehen. Nur 759 Mal überwachten Behörden Email- und Netzverkehr. Das sind gerademal 3,7 Prozent aller angeordneten Überwachungen, die 2009 Internetkommunikation zum Ziel hatte. Alle anderen 19 846 Maßnahmen nahmen Festnetz- oder Mobiltelefone ins Visier.


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