Mittwoch, 29. August 2012

Das ist bei uns nicht möglich

Der Rechtsstaat, dieser Tage wieder neu gedacht, von Männern, die Prinzipien haben, wenn es landschaftlich passt. „Timoschenko ist krank“, zetert ein Ulrich Krökel von der einzigen wahren deutschen Danachrichtenagentur DPA in der Westdeutschen Zeitung angesichts des Verfahrens, das die frühere ukrainische Oppositionsführerin vor dem „europäischen Menschengerichtshof“ (Zitat n-tv) gegen die Führung der Ukraine angestrengt hat. Timoschenko könne „nach einem in der Haft verschleppten Bandscheibenvorfall kaum aufrecht gehen“, mitleidet Krökel, „dennoch überhäufen Staatsanwaltschaft, Geheimdienst uns regierungstreue Politiker sie mit immer neuen Anklagen“.

„Das ist bei uns nicht möglich“, hätte der Schriftsteller Sinclair Lewis vielleicht behauptet, denn er starb bereits 1951 und bekam nicht mehr mit, wie das Landgericht München II den 91-jährigen Ukrainer John Demjanjuk vergangenes Jahr nach zweijähriger Untersuchungshaft wegen Beihilfe zum Mord in 20.000 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilte, weil an die Adresse des früheren KZ-Aufsehers gerichtete Vorwürfe „auch ohne einzelnen Tatnachweis stichhaltig“ seien. Zweck einer Strafe für den schwerkranken "fremdvölkischen Hilfswilligen" (SZ) sei es, für eine gewisse Genugtuung bei den Opfern zu sorgen. Obwohl Demjanjuk keine konkrete Tat zugeschrieben oder gar nachgewiesen werden konnte und der Angeklagte wegen einer Verwechslung bereits irrtümlich sieben Jahre in einem israelischen Gefängnis abgesessen hatte, betrachtete das Gericht bereits die Tatsache, dass Demjanjuk sich hatte zwingen lassen, als "Trawniki" in Sobidor Dienst zu tun, als ausreichend für eine Verurteilung.

Ulrich Krökel, eine Menschenrechtsverfechter reinsten Wassers, kommentierte damals nachdenklich: „Es mag eine Geschmacksfrage sein, ob man die Bilder von dem 91-jährigen John Demjanjuk im Gerichtssaal als Genugtuung empfindet oder als notwendiges Übel“. Er zumindest empfand angesichts des röchelnden Greises, der im Krankenbett in den Gerichtssaal geschoben wurde, große Freude. Es könne keinen Zweifel daran geben, „dass der alte Mann genau dort hingehörte: auf die Anklagebank beziehungsweise, um korrekt zu bleiben, das Anklagebett.“ Zweirangig sei auch, „ob er dort den Schwerkranken gemimt hat oder ihm tatsächlich die Kräfte schwinden“. Um dies zu ermöglichen, "darf und muss man einem Schwerverbrecher sogar ein Bett in den Gerichtssaal schieben".

Demjanjuk bekam die höchste Strafe aller jemals für Verbrechen in Sobidor angeklagten Ex-Aufseher. Angeklagt wurden insgesamt 17 Männer, 16 deutsche und ein Ukrainer. Zwölf Deutsche wurden freigesprochen. John Demjanjuk starb zehn Monate nach seiner Verurteilung. Ulrich Krökel verteidigt den Rechtstaat immer noch.

Albrecht muss aussagen, hats ja aber auch nicht mit dem Rücken.

6 Kommentare:

Cordt hat gesagt…

Lieber ppq, das grenzt ja an Diktaturenvergleich. Ist das nicht bei Ihnen verboten? Aber hier, in diesem noch immer zu wenig kontrollierten Medium ...

Zur falschen Zeit am falschen Ort oder Mitglied, sagen wir eines Motorradklubs zu sein, als Straftatbestand zu werten, gefällt. Gefiel schon mal. Gefiel schon immer. In solchen Systemen, Sie wissen schon.

Heute bei uns undenkbar. Mit Ausnahme derer, die es verdient haben. Ich verlasse mich da ganz auf führende Innenpolitiker.

ppq hat gesagt…

diktaturenvergleiche sind verboten das ist richtig. deshalb prangern wir ja fortgesetzt auch nur an, wenn solche versucht werden. kröckel vergleicht gar nicht, er merkt nicht mal, dass er zweimal über dasselbe schreibt, nur eben anlassangemessen mit entgegengesetztem ausgang. wir protokollieren. wertfrei.

vakna hat gesagt…

Wertfrei protokollieren. Eben diese Aufgabe von Journalisten ist nicht zweckdienlich und für die Transformation in eine bessere Gesellschaft sogar höchst gefährlich, weshalb sich die meisten Journalisten gleich selbst und freiwillig zu Propagandisten umfunktionieren.

Volker hat gesagt…

Am 17. September 1814 kamen die beiden Kriegsschiffe HMS Briton und HMS Tagus vor Pitcairn an. Die Kapitäne Staines und Pipon, die von der Entdeckung Folgers sechs Jahre zuvor nichts wussten, waren beeindruckt von der friedvollen und gottesfürchtigen Gemeinschaft, die sie vorfanden. Adams wollte freiwillig mit nach England zurück segeln und sich dem Seegericht stellen, aber die Bewohner flehten die Kapitäne an, ihn auf der Insel zu lassen. In seinem späteren Bericht an die Admiralität schrieb Staines, dass es ein Akt von großer Grausamkeit gewesen wäre, den letzten noch lebenden Meuterer gefangenzunehmen.

eulenfurz hat gesagt…

@Volker
Oder man denke an den Westfälischen Frieden ... Mein Gott, war die Welt einmal zivilisiert gewesen!

Anonym hat gesagt…

Ich - so spricht er - heiße Krökel, und die Welt ist mir zum Ekel. --- Hiermit senkt der Eremit / sich nach hinten / Knopp entflieht.