Mittwoch, 15. Januar 2014

Blitzsieg für Sozialtourismus

Spät gestartet, dann aber binnen nicht einmal eines Monats zum „Unwort des Jahres“ avanciert - einen Blitzsieg feiert die diesjährige Wahl aus der Wundertüte der Unwort-Jury. Der Begriff „Sozialtourismus“ soll es gewesen, der im Jahr 2013 genutzt wurde, um „gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa“ zu machen, hat das oberste deutsche Sprachgericht seine Entscheidung begründet. Bemerkenwert dabei, dass das Wort nicht wie noch bei „Döner-Morde“ im Nachhinein entdeckt, seines ursprünglichen Sinnes entkleidet, von seinen Verwendern befreit, umerklärt und verdammt wird, sondern das diesmal quasi im Vorweggang ein Wort eine Medaille umgehängt bekommt, das es noch vor vier Wochen nicht gab.

Schneller geht es nicht. Nach den Daten von Google kann „Sozialtourismus“ keine Debatte geprägt haben, weil es erst Anfang Dezember zum ersten Mal überhaupt in einer großen Zeitung verwendet wurde. Damals warnten "CDU/CSU und Vertreter der Kommunen eindringlich vor einem Sozialtourismus aus ärmeren EU-Staaten nach Deutschland" und entlehnten dazu den ursprünglich aus einem Buch von Ernst Bernhauer über "Die staatliche Förderung des Fremdenverkehrs in der Bundesrepublik" aus dem Jahr 1967 stammenden Begriff.

Aber wenig später war Weihnachten und bis zum Jahresende folgten dann auch nur noch schmale neun Medienbeiträge unter Verwendung des Begriffs, den geschaffen zu haben die Chefetage der Bundesworthülsenfabrik in Berlin bis heute vehement bestreitet.

Der richtige Siegeszug des Wortes begann dann im neuen Jahr 2014, als nach einem Thema für aufmerksamkeitsträchtige Auseinandersetzungen gesucht wurde. Vom Wildbad Kreuth aus, wo die CSU sich in den Europawahlkampf begab, wogte nun eine wahre Monsterwelle an Sozialtourismus durchs Land. Hunderte Beiträge beteuerten jetzt wahlweise, dass es keinen Sozialtourismus gebe, dass Sozialtourismus ein Märchen sei und dass Sozialtourismus nur von den falschen Leuten benutzt werde.

Was das Wort betrifft, trifft das zweifelsohne zu. Seit gestern liegt Sozialtourismus bei Google Trendd mit mehr als 10.000 Suchanfragen und 330.000 Fundstellen nur noch knapp hinter Helene Fischer.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Zettel hatte beim letzten Mal noch selber kommentieren können.

Eine Passage, die auch in diesem Jahr voll gilt:

„Den Mitgliedern der selbsternannten Jury - von niemanden gewählt oder ernannt, durch nichts legitimiert, als "Jury" keiner Institution angehörig; eine private Gruppe - gefällt das politisch nicht,...“

http://zettelsraum.blogspot.de/2013/01/zettels-meckerecke-mibrauchte.html

Anonym hat gesagt…

Haha, das prämierte Wort ist ja ein glatter Euphemismus. -
Es hätte richtigerweise "Sozialschmarotzertourismus" heissen sollen. - Aber das traut sich in diesem feigen Blasrohrkriechervolk niemand mehr laut auszusprechen, hat er doch sofort ein Trommelfeuer von Nazi-Insinuationen zu erwarten. Das ist nämlich eines der wenigen Erfolgserlebnisse, die den erbärmlichen Denunzianten hierzulande geblieben snd, nämlich einen "frisch ertappten Nazi" lautstark zu verbellen und sich dabei als tolle Drachetöter vorzukommen.

Ano-Nymus

Anonym hat gesagt…

Zettel, ist das nicht der Experte, der alle zu rechtsradikalen Verschwörungstheoretikern erklärt, die den NSU-Stuss nicht für bare Münze nehmen?

Corax hat gesagt…

Wie wärs mit der Gründung einer Jury zur Kürung des Gutworts des Jahres?

ppq hat gesagt…

eeine gute idee. wir werden das mal anstoßen, wer interesse hat, kann dann vorschläge einreichen