Sonntag, 9. März 2014

Ukraine: Mit Lügen gegen Lügen

Das US-Außenministerium hat die Glaubwürdigkeit von Russlands Präsident Wladimir Putin mit einem Faktenblatt in Zweifel gezogen. "Zehn falsche Behauptungen über die Ukraine" – so überschrieb das State Department eine Auflistung, die versucht, Behauptungen Putins mit "Fakten" zu widerlegen. Der PPQ-Faktencheck, durchgeführt von einem Expertenteam unter Leitung von des Medienwissenschaftlers Hans Achtelbuscher vom An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle an der Saale, zeigt allerdings, das die Argumentation der USA "ganz charmant" klingt, etwa in den Augen der Zeitung "Die Welt". Er aber habe, so Achtelbuscher, seit dem Vietnamkrieg "nicht mehr solch verblüffende Dichtung aus Washington gesehen".



PPQ dokumentiert den vollen Wortlaut des Faktenchecks aus dem US-Außenministerium mit Achtelbuschers Ergänzungen:

Putin sagt: Die russischen Truppen auf der Krim sollen nur russische Militäreinrichtungen schützen. "Bürgerwehren" haben infrastrukturelle und militärische Einrichtungen auf der Krim an sich gerissen.

State Department: Es gibt Beweise, die darauf hindeuten, dass russische Sicherheitsdienste hinter den organisierten, anti-ukrainischen Truppen auf der Krim stecken. Diese Einheiten tragen zwar keine Abzeichen auf ihren Uniformen, doch ihre Fahrzeuge haben russische Kennzeichen und die Soldaten geben sich offen als Russen zu erkennen, wenn sie von internationalen Medien und ukrainischen Soldaten gefragt werden. Außerdem tragen sie Waffen bei sich, die für Zivilisten nicht erhältlich sind.

Achtelbuscher: Putin stellt eine Behauptung auf, Washington tut nichts anderes. Beweise Fehlanzeige, von Fakten nichts zu sehen.

Putin sagt: Russlands Handeln ist durch den Freundschaftsvertrag zwischen der Ukraine und der russischen Föderation gedeckt.

State Department: Der Vertrag aus dem Jahr 1997 besagt, dass Russland die territoriale Integrität der Ukraine respektieren muss. Doch die Russen haben die Handlungsgewalt auf der Krim an sich gerissen und dadurch die Souveränität der Ukraine missachtet.

Achtelbuscher: Putin argumentiert, dass es keine russischen Truppen auf der Krim gibt, jedenfalls keine außerhalb des vertraglich genehmigen Kontingents in den russischen Stützpunkten. So lange nicht harte Beweise
gegen diese Behauptung vorgelegt werden (siehe Punkt 1), ist die Argumentations des State Department wirkungslos und überflüssig.

Putin sagt: Die Opposition hat das Übereinkommen mit dem ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch vom 21. Februar nicht umgesetzt.

State Department: Dieses Übereinkommen sah vor, dass die Rada (das Parlament) ein Gesetz verabschiedet, mit dem die Verfassung der Ukraine aus dem Jahr 2004 wiederhergestellt werden sollte. Dadurch wäre das Land wieder zu einem parlamentarischen System zurückgekehrt. Janukowitsch hätte den Erlass binnen 24 Stunden unterzeichnen und die Krise so zu einem friedlichen Ende bringen sollen. Er löste seinen Teil der Abmachung aber nicht ein und ist stattdessen geflohen. Dabei hinterließ er Beweise umfangreicher Korruption.

Achtelbuscher: Die Welt hat zugesehen, wie Janukowitsch sehr wohl das Abkommen unterzeichnet hat. Der Inhalt ist bis heute auf den Seiten des Auswärtigen Amts abrufbar, neben Janukowitsch unterzeichneten auch im Namen der Opposition Vitali Klitschko (UDAR), Oleg Tjagnibok (Swoboda) und Arsenij Jazenjuk (Vaterland). Bezeugt wurde die Unterzeichnung durch die Außenminister Polens, Deutschlands und Frankreichs. Dass die USA das entweder nicht weiß oder leugnet, wirft ein seltsames Licht auf die argumentation insgesamt.

Putin sagt: Die ukrainische Regierung ist nicht legitimiert. Janukowitsch ist immer noch der rechtmäßige Präsident des Landes.

State Department: Am 4. März hat Präsident Putin selbst zugegeben, dass Janukowitsch "keine politische Zukunft" hat. Nachdem Janukowitsch aus der Ukraine geflohen war, hat sich selbst seine Partei der Regionen gegen ihn gewandt, seine Amtsniederlegung bestätigt und die neue Regierung unterstützt. Diese wurde vom demokratisch gewählten ukrainischen Parlament mit 371 Stimmen anerkannt – eine Mehrheit von mehr als 82 Prozent. Die vorläufige Regierung ist eine Regierung des Volkes, die das Land zu der demokratischen Wahl am 25. Mai führen wird – Wahlen, die allen Ukrainern ermöglichen werden, die Zukunft ihres Landes mitzubestimmen.

Achtelbuscher: Völkerrechtlich betrachtet hat Putin Recht. es gibt nur drei Wege für einen ukrainischen Präsidenten, sein Amt zu verlieren: Tod, Rücktritt oder ein vollendetes Amtsenthebungsverfahren. Flucht oder "Neuwahl" werden in der ukrainischen Verfassung ebensowenig als Ablösungsgrund genannt wie die eine Beurteilung durch Russland, dass der Amtsinhaber "keine politische Zukunft" habe.

Putin sagt: Es herrscht eine humanitäre Krise und Hunderttausende flüchten aus der Ukraine nach Russland, um dort um Asyl zu bitten.

State Department: Bislang gibt es weder Beweise für eine humanitäre Krise, noch für Massenauswanderungen von der Ukraine nach Russland. Internationale Organisationen vor Ort haben bei ukrainischen Grenzposten nachgefragt, die diese Behauptungen entkräftet haben. Auch unabhängige Journalisten, die von der Grenze berichten, haben keine Flüchtlingsströme beobachtet.

Achtelbuscher: Dünnes Eis. Die USA argumentieren, dass Russland erst warten müsse, bis es zu spät sei, ehe es eingreifen dürfe. Das tut nicht einmal der Westen, siehe Grenada, Kosovo, Mali.

Putin sagt: Ethnische Russen werden bedroht.

State Department: Jenseits der russischen Medien gibt es keine glaubwürdigen Berichte darüber. Die neue ukrainische Regierung hat sich von Anfang an den Frieden und die Wiedervereinigung als Prioritäten gesetzt. Übergangspräsident Aleksander Turtschinow hat sich geweigert, einen Erlass zu unterschreiben, nachdem die russische Sprache regional eingeschränkt werden sollte. Ethnische Russen und russischsprachige Einwohner haben Petitionen gestartet, die nachweisen, dass ihre Gemeinden nicht bedroht werden. Seit die neue Regierung eingesetzt wurde, ist wieder Ruhe in Kiew eingekehrt. Die Verbrechensrate ist nicht angestiegen, es gab keine Plünderungen und keine Vergeltungsaktionen gegen politische Gegner.

Achtelbuscher: "Keine glaubwürdigen Berichte" heißt, es gibt Berichte, wir glauben sie nur nicht. Vermutlich, weil wir nicht wollen. Bedenklich: Das State Department spricht von einem "Erlass" zur Abschaffung des Russischen als Amtssprache, es handelte sich jedoch um ein Gesetz, das das Parlament bereits mehrheitlich beschlossen hatte. Kennt Washington den Untershcied nicht? Will es ihn nicht wahrhaben?

Putin sagt: Russische Stellungen werden bedroht.

State Department: Russische Militäreinrichtungen waren und sind sicher. Die neue ukrainische Regierung hat sich verpflichtet, an allen bestehenden internationalen Verträge festzuhalten – auch an denjenigen, die die russischen Militäreinrichtungen betreffen. Es sind die ukrainischen Stützpunkte auf der Krim, die von den Russen bedroht werden.

Achtelbuscher: Schließt an Antwort 1 an und ist insofern ebenso eine reine Behauptung wie Putins Vorhalte.

Putin sagt: Es ist zu Massenangriffen auf Kirchen und Synagogen im Süden und Osten der Ukraine gekommen.

State Department: Religionsführer des Landes und internationale Fürsprecher für Religionsfreiheit, die in der Ukraine tätig sind, haben dementiert, dass es solche Zwischenfälle gegeben habe. Alle kirchlichen Oberhäupter der Ukrainer, darunter Vertreter der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats, unterstützen die neue politische Führung. Jüdische Gruppen im Süden und Osten der Ukraine haben keinen Anstieg anti-semitischer Zwischenfälle bemerkt.

Achtelbuscher: Übergriffe sind seit Jahren Protestfolklore, auch wenn sie in westlichen Medien eher nicht aufgegriffen werden. Dass es unter den Führern der Protestbewegung zahlreiche Nationalisten, Antisemiten und Rechtsradikale gibt, wird auch in den USA berichtet. Offenbar liest das State Department keine Zeitungen.

Putin sagt: Kiew versucht, die Krim zu destabilisieren.

State Department: Die ukrainische Übergangsregierung hat mit Zurückhaltung agiert und den Dialog gesucht. Russische Truppen hingegen haben ihre Stützpunkte verlassen und politische Ziele auf der Krim an sich gerissen. Die Regierung in Kiew sofort versucht, die Situation zu entschärfen. Petro Poroschenko, der neueste Emissär der Regierung, wurde daran gehindert, die Rada auf der Krim zu betreten.

Achtelbuscher: Als die albanische Mehrheitsbevölkerung im Kosovo ihre Loslösung von Serbien verkündete, halfen EU und USA umgehend "beim Aufbau dieses jüngsten europäischen Staates". Damals erklärte Russland als serbische Schutzmacht, dass es eine UN-Kosovo-Resolution 1244 aus dem Jahr 1999 als Rechtsgrundlage für eine Entsendung einer EU-Mission nicht anerkenne. Dagegen machen konnten die Russen auch nichts. Diesmal ist es andersherum.

Putin sagt: Die Rada steht unter dem Einfluss von Extremisten oder Terroristen.

State Department: Die Rada ist die repräsentativste Institution der Ukraine. Die jüngsten Gesetze wurden mit großen Mehrheiten verabschiedet, auch mit Stimmen aus der Ost-Ukraine. Rechtsextreme, ultra-nationalistische Gruppen, von denen einige in offene Kämpfe mit Sicherheitskräften während der EuroMaidan-Proteste verwickelt waren, werden in der Rada nicht repräsentiert. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die ukrainische Regierung eine diskriminierende Politik verfolgt; vielmehr hat sie sich öffentlich zum Gegenteil bekannt.

Achtelbuscher: Oleg Tyahnybok, Chef der Partei Svoboda, hat die alte ukrainische Regierung eine "jüdisch-russische Mafia" genannt. Kein zufälliger Antisemitismus, sondern Grundausrichtung dieser "Reformkraft2. Washington ist weit weg genug, um vieles nicht zu sehen.


9 Kommentare:

eulenfurz hat gesagt…

Diese halbseidene Frage-Antwort-Propaganda ist so grenzwertig primitiv, daß wir, obwohl es in den Fingern juckte, nur genervt abwinkten. Dankenswerterweise hat sich Herr Achtelbuscher des Klamauks angenommen, fragt sich nur, wer ihn je dafür wird entschädigen können.

Volker hat gesagt…

Die Prantl-Prawda hat es leider wieder vom Netz genommen, das Bild vom kämpferischen Demokraten, der Stolz das Demokratie-Symbol zeigt, die SS-Runen.

Oels hat gesagt…

Laut Anzeigetafel des ukrainischen Parlaments stimmten 328 Abgeordnete für die Amtsenthebung und nicht wie vom State Department behauptet 371.
Damit wurde die erforderliche 3/4 Mehrheit (Artikel 111) verfehlt. Schade.

ppq hat gesagt…

ist ja irgendwie auch egal. die leitmedien zitieren das us-außenamt wie früher adn das politbüro. da sich das us-außenamt darauf verlassen kann, kann es sich alle zahlen selbst ausdenken

derherold hat gesagt…

Nett, Herr @ppq.

Dank´ für die Fleißarbeit ... äh... das Interview !

Volker hat gesagt…

"Dank´ für die Fleißarbeit ... äh... das Interview !"

Das ist ja die Krux bei PPQ, dass man nie weiß was Fakt und was Fiktion.
"Als mögliche beinharte Reaktion des Westens auf das russische Vorgehen in der Ukraine hat der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit als Erster einen Boykott der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland ins Spiel gebracht" habe ich zuerst für eine der PPQ-typischen Satiren gehalten, und dann ...

Volker hat gesagt…

"Kein zufälliger Antisemitismus, sondern Grundausrichtung dieser ´Reformkrafte´"

Ich weiß schon, in ungefähr welche Richtung Svoboda marschiert.
Allerdings habe ich eine gewisse Phobie gegen Wikipedia-Artikel, wo in der Beschreibung einer Organisation 12 mal "phobi" vorkommt.

Levan hat gesagt…

Das ist für mich ein Rätsel, dass jemand noch an StateDep glaubt. Liest Kommentare von Ron Paul! USA hat in der Ukraine nichts zu suchen. Die Scheisse, die die USA in den letzten 25 Jahren gebaut haben, soll genug sein um zu verstehen, was für "Demokraten" und "Friedensstifter" dort sitzen.

Anonym hat gesagt…

schon gesehen?

https://www.youtube.com/watch?v=hHt92B0tWls#t=32