Dienstag, 15. April 2014

Die Rückkehr der Provokateure

Im Jahr 1953 begann in der damaligen DDR eine Folge von heute "Volksaufstand" genannten Unruhen, in denen sich die seit langem aufgestaute Unzufriedenheit mit den allgemeinen Lebensumständen und der Politik der SED-Führung entludt. In zahlreichen Städten und Gemeinden kam es zu Arbeitsniederlegungen, Warnstreiks und Demonstrationszügen, Gefängnisse wurden erobert und Rathäuser besetzt.

Während Zeitungen und Fernsehsender im Westen die Aktionen als "Aufstand" unterdrückter Volksmassen beschrieben, war für die ostdeutsche Seite klar, dass es sich um bezahlte Provokateure handeln musste. Das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" gab die Linie vor: "Im Verlaufe des 17. Juni 1953 versuchten bezahlte verbrecherische Elemente aus West-Berlin die Bevölkerung des demokratischen Sektors zu Gewalttaten gegen demokratische Einrichtungen, Betriebe, Läden und Geschäftshäuser und gegen die Volkspolizei aufzuhetzen", hieß es da, "die West-Berliner Provokateure zogen plündernd und raubend durch einzelne Straßenzüge, wobei sie zu hinterhältigen bewaffneten Überfallen gegen Volkspolizei und fortschrittlich eingestellte Bevölkerungsteile übergingen."

Sieben Jahrzehnte später wiederholen sich die Vorgänge, wenn auch mit vertauschten Rollen. Hatte die westliche Seite die Proteste in Kiew noch als Aufstand einer unzufriedenen Bevölkerung gegen ein korruptes und europafeindliches Regime gefeiert, bevorzugen die Leitmedien in EU und Nato bei den Protesten in der Ostukraine die Lesart des "Neuen Deutschland" von 1953: Moskau sei im Begriff, das Gebiet durch "bezahlte Provokateure" destabilisieren zu lassen, um anschließend dort einmarschieren zu können, berichtet die "Welt".

Einen "Volkswillen" gibt es nach einhelliger Auffassung aller westlichen Berichterstatter in der Ostukraine derzeit überhaupt nicht, ganz im Gegensatz zur Westukraine, wo das Volk die Macht übernommen hat und endlich selbstbestimmt lebt. Die Menschen in Donezk und Charkow dagegen sind ausschließlich Subjekte, ferngesteuert und missbraucht. Was dort geschieht, geschieht ausschließlich, weil es von Putin so angeordnet worden ist. Die Bevölkerung distanzierte sich von den Provokateuren und ihren verbrecherischen Handlungen, heißt es. Die primitive Weltsicht hieß: Wer uns kritisiert, muss vom Feind eingeschleust sein.

Russland hält mit der Argumentation der "Welt" von 1953 dagegen: Die Demonstrationen und Besetzungen im Osten der Ukraine entsprängen dem Volkswillen, die offizielle Sprachregelung zum Regierungswechsel in Kiew lautet "faschistisches Abenteuer" . Propaganda allerorten, welche billige Parole eines Tages gültige Geschichtsschreibung sein wird, zeigt erst die Zeit.

Ukraine-Blog

11 Kommentare:

Teja hat gesagt…

Die Vorwürfe können doch nur deswegen so detailliert vorgebracht werden, weil sie genau den Spielregeln entsprechen, nach denen vor ein Paar Monaten auf dem Maidan gespielt wurde.

Dabei hat Putin gar keinen Grund, in der Ostukraine nachhelfen zu müssen, da braucht er nur zusehen und die reifen Früchte einsammeln.

Teja hat gesagt…

PS: Auf dem Foto vom Juniaufstand, der Mann mit der Aktentasche. Sehr schön, wie er den ganzen Rummel zu ignorieren scheint und seinem Tagesgeschäft nachgeht.
"T34/85 10m neben mir? Ach, davon genug gesehen/erlebt im Krieg, die jucken mich nicht mehr."

ppq hat gesagt…

teja, den habe ich auch staunend angeguckt...

das bild oben täuscht übrigens ein bisschen, mit absicht.

wer errät, woher es stammt, gewinnt ein putin.jpg

Teja hat gesagt…

Gute Illustration wie absichtlich mit zweierlei Maß gemessen wird - es geht nicht um die Menschen, sondern um Politik.

Orwell hat gesagt…

Oben, das könnte sowas wie der antifaschistische Schutzwall um die "rote Zora" "in action" oder sowas wie eine friedliche Demonstration fortschrittlicher antifaschistischer Aktivisten in der Schlandschen Republik sein...

Oder 1. Mai in Bürrrlün/Hamburch? Ist ja bald wieder.

ppq hat gesagt…

nöö, ist schon ukraine

ppq hat gesagt…

weiß es keiner?

Die Anmerkung hat gesagt…

Das sind die Euromaidan-Gangster. Ganz oben, die Hools. Haben sich noch vor Wochen als für die (westliche) Freiheit kämpfende Demokraten gut verkauft, weil sie den Anschluß der Ukraine an die EU mit Steinen und Molotow-Cocktails begrüßt haben. Oder so.

Jetzt sind sie weitergezogen, in die Ost-Ukraine, weil es dort den Anschluß an Rußland abzufeiern gilt. Oder so.

Ich weiß ja auch nicht, was der CIA-Chef in Kiew angeordnet hat, was die jetzt machen sollen.

Anonym hat gesagt…

Budapest 1956?

Die Anmerkung hat gesagt…

Das zweite Scharzweißfoto heißt Volksaufstand in der DDR 1953 und wird vom Freien Netz Süd als Teaserbild für einen Vortrag anläßlich des 17.Juni 1953 genutzt.

Das erste sieht auf 1000 Stück ausgedehnt müllig aus.

Das ist genau diese Bildästhetik, für die bei den Medien heuzutage Geld bezahlt wird.

eulenfurz hat gesagt…

"Welche billige Parole eines Tages gültige Geschichtsschreibung sein wird, zeigt erst die Zeit."

Danke, das findet Eingang in die ehrwürdige Halle zitierfähiger Merksätze.