Mittwoch, 10. September 2014

Erfolgsgeschichte EU: Lob des Desasters

Aus der öffentlichen Wahrnehmung ist die Europäische Union völlig verschwunden, seit die Nato an ihrer Stelle agiert. Aber hinter den Kulissen existiert sie natürlich weiter, die prosperierende Gemeinschaft, die Frieden, Brot und Sicherheit für alle Menschen bedeutet. Zehn Jahre nach der fünften, größten und inzwischen vorvorletzten EU-Erweiterung kann sich die Bilanz des Bündnisses sehen lassen: Deutschland schnuppert nach einem ersten Quartal mit schrumpfender Wirtschaft an der nächsten Rezession. Italien hat sie schon – und das seit einem halben Jahrzehnt. Nach einem Rückgang des Bruttonationalproduktes von 0,2 Prozent im zweiten Quartal liegt die Wirtschaftskraft des drittstärksten EU-Partners im siebten Jahr der großen Krise nun wieder unter dem Niveau des Jahres 2000.

Eine Erfolgsgeschichte, wie sie auch Frankreich schreibt. Eben noch gelang ein stabiles Null-Wachstum, jetzt winkt schon die nächste Schrumpfung. Die Voraussetzungen, dass alle etwas davon haben, sind ideal: Schon vor dem Start der Rezession übersteigt die Arbeitslosenquote elf Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 22,4 Prozent - im europäischen Maßstab gesehen ist das ein sehr guter Mittelfeldplatz.

Denn in 13 Staaten der Gemeinschaft, die einst angetreten war, Frieden, Glück, Gleichberechtigung und Wohlstand zu bringen, sind die Zahlen noch übler. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 26 Prozent in Griechenland und Spanien und 16 Prozent in Portugal, mehr als die Hälfte aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Griechenland und Spanien hat keinen Job, in Italien, Zypern und Portugal ist es weit über ein Drittel. Die EU, die anno 2000 beschlossen hatte, innerhalb von zehn Jahren zum "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt" zu werden, „der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“, ist eine Gemeinschaft von Siechen, Kranken und Leidenden, so dynamisch wie ein totes Pferd, so schnell wachsend wie eine Trockenblume.

Was tut die Politik? Sie hält unbeirrt an ihren Plänen fest. Und beschäftigt sich vor allem damit, Spitzenposten in einem über Monate ausgewalzten Hinterzimmergeschacher zu besetzen, dass der Bau des Berliner Flughafens dagegen wie eine Hauruck-Aktion wirkt. Doch keine Sorgen, Kritik wird nicht geübt. Trotz der desaströsen Bilanz der EU, die der Mehrzahl ihrer Mitglieder in den 15 Jahren seit Beginn der dritten und entscheidenden Phase der Wirtschafts- und Währungsunion Wohlstandsabbau statt Wohlstandsgewinn gebracht hat, bleibt der Glaube an das Mantra des allseligmachenden Gleichschritts ebenso unberührt wie der Glaube an den Endsieg der einen Währung für alle, eines Tages, irgendwann, wenn die Jugendarbeitslosigkeit wegbeschlossen, Griechenland durch Geduld entschuldet und Deutschland als Vaterland des Hades-Planes verpflichtet worden ist, die offenen Rechnungen aller bei allen auf seinen Deckel zu nehmen.

Krise feiert Jubiläum: Finanzkrise nun länger als II. Weltkrieg
Per Plan zum großen Aufschwung: Die Lissabon-Agenda, von der nie mehr die Rede war

3 Kommentare:

Gerry hat gesagt…

Woah, hätte nicht gedacht, dass in Schweden und Finnland ähnliche Jugendarbeitslosigkeitsquoten herrschen wie beispielsweise in Rumänien(!) oder Irland. Die Nordstaaten waren doch bislang immer Vorreiter in allen Bereichen, fast noch vor Deutschland.

ppq hat gesagt…

das bekommst du, wenn du das konzept mindestlohn konsequent durchsetzt

schwedische impressionen

Anonym hat gesagt…

Eine Frage treibt mich um: Gibt es Witzbolde, die im Ernste wähnen, wir hätten eine "Krise", oder anders gesagt, wir hätten eine eigentlich nicht gewollte Fehlentwicklung?