Donnerstag, 13. August 2015

Parallel-Skandal: Versagen als Plan

Es sollte nicht passieren, ist noch nie geschehen, nun aber doch passiert. Im 66. Jahr der Existenz der Bundesrepublik überschneiden sich zum ersten Mal zwei Staatsaffären direkt – ein Vorgang, der nach allem, was Medienwissenschaftler über die Gesetze der Mediendynamik wissen, bislang als völlig ausgeschlossen galt. Doch obwohl der Skandal um die Eröffnung und anschließende gezielte Verhinderung von Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen ein Internetblog trotz einer gewissen medialen Müdigkeit noch nicht ausgestanden ist, startete in Berlin bereits die nächste Regierungsaffäre: Diesmal geht um Lügen zum Thema NSA.

Wie die „Zeit“ berichtet, die seit Jahrzehnten über direkte Drähte in die US-Administration verfügt, hat die USA nie darauf gedrungen, die geheimnisumwitterte Selektorenliste mit den Zielangaben zur US-Überwachung in Deutschland nicht zu veröffentlichen. das hatte die Bundesregierung stets behauptet. Die Amerikaner widersprechen dem nun, sie hätten die Entscheidung über die Veröffentlichung vielmehr der deutschen Seite überlassen.

Deren Außenminister, so die „Zeit“ weiter, habe spätestens seit 2003 ohnehin von den illegalen Überwachungsmaßnahmen gewusst – ein Umstand, den die Bundesregierung bislang standhaft bestritten hatte. Ernst Uhrlau, ehemals Leiter der für Geheimdienstkoordination zuständigen Abteilung VI im Kanzleramt, bezichtigt den amtierenden Außenminister nun der direkten Lüge.

Der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat hatte zwar 2002 das Abkommen zur Zusammenarbeit von deutschen und US-amerikanischen Diensten unterschrieben, das Grundlage der Ausforschung von Millionen Deutschen ist. Später aber hatte er stets beteuert, keine Kenntnis gehabt zu haben. Er habe keine Berichte „mit konkret belastbaren Erkenntnissen über Missbräuche der NSA" vorliegen gehabt. Sondern darauf gedrungen, "eine bestimmte Form der Zusammenarbeit mit der NSA gerade nicht zu vertiefen, um Missbräuchen vorzubeugen".

Eine Lüge, die offensichtlich war. Schon allein an der Tatsache, dass die für die Spionageabwehr Zuständigen im Land nach Auffliegen der NSA-Überwachung trotz ihres Totalversagens keinerlei Konsequenzen zun befürchten hatten, macht deutlich, dass es kein Versagen gab, sondern das Versagen Teil der Planungsunterlagen war. Nun, da sie auffliegt, schlüge in einer funktionierenden Demokratie die Stunde der rituellen Reinigung: Der Lügner müsste gehen und die Sünde mit sich nehmen, auf dass der Rest der Regierungsdarsteller unbescholten weitermachen kann.

Passieren aber wird das aufgrund der diffizilen Machtbalance in der Regierungskoalition nicht. Merkel kann Steinmeier nicht entlassen, weil der dann öffentlich machen würde, dass Merkel selbstverständlich auch im Bilde war. Steinmeiers Parteichef Sigmar Gabriel kann den Genossen nicht gehen lassen, weil der dann offenbaren könnte, wie Gabriel noch vor Wochen Unwissen heuchelte, um in Meinungsumfragen ein paar belanglose Punkte gutzumachen.

Der Sumpf zieht sich so zur Unendlichkeit hin, er wird tiefer und tiefer mit jeder zugetünchten und weggelogenen Sauerei.

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