Freitag, 30. Oktober 2015

Kanzlerinnendämmerung: Die Orbanisierung Deutschlands

Grenzen dicht! Zäune hoch! Ein "Zeichen" (Gerhard Schröder) für die Welt, dass Deutschland nun doch nicht alle 60 Millionen Flüchtlinge aufnehmen kann, die nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissars derzeit unterwegs sind. Die AG Nazis in der Union macht mit einem Offenen Brief an den "Focus" unverhohlen Druck auf Kanzlerin Angela Merkel. Gefordert wird unumwunden, dass Merkel die Grenzen schließt, für Nachschub bei winterfesten Zelten sorgt und "ein Signal aussendet, dass es eine grenzenlose ungesteuerte Zuwanderung nicht geben kann". Im November, von dem das Kanzleramt hofft, er möge bitterkalt und regnerisch werden, auf dass das Wetter endlich abschreckend auf die Flüchtlingsströme wirke, soll der Antrag förmlich bei einer Parteiversammlung der CDU-Kommunalpolitiker eingebracht werden.

Ist das dann noch die Union der Kanzlerin? Oder wird sich Angela Merkel angewidert abwenden von Menschen, die rechten Rattenfängern folgen und das obergrenzenlose Asylrecht an quasi us-amerikanische Vorbedingungen knüpfen wollen? Wer steht noch zu ihr in den Stürmen von der Basis, die ein Herr Seehofer mit seinen hemmungslosen Rufen nach einzelstaatlicher Souveränität aufpeitscht, die es doch nicht geben kann in einer globalisierten Welt? Mit seiner "aggressiven AfD-Rhetorik in der Flüchtlingspolitik setzt der CSU-Chef eine Spirale in Gang, die die Union unablässig nach unten zieht", wie Heribert Prantl in der SZ analysiert. Wie lange kann die Kanzlerin sich noch halten? Wie lange widersteht sie der Versuchung, so zu tun, als regiere sie das Land? Und auf wen kann sie in dieser späten Phase des Untergangs noch vertrauen?

Auf Jean-Claude Juncker immerhin, dem sie zu seiner Spitzenkarriere verholfen hat. Der multiple Dauerfunktionär mit der inzwischen 35 Jahre währenden Laufbahn als Europäer, steht treu zu seiner Kanzlerin. In der EU-Wahlkampfarena musste er sich einst anhören, dass Deutschland das Sozialamt Europas ist.

So ein Quatsch! Damals schon platzte ihm der Kragen. Aber es hilft nichts. Nun ist es dieser Seehofer, den Juncker, der Luxemburger mit der Kaufmannsmoral, zurechtweisen muss: "Es braucht keine feierlichen Appelle, aus Bayern oder von sonst wo", sagte Juncker, "die Kommission verdient keine Kritik in dem Zusammenhang."

Denn die Flüchtlingspolitik Europas macht doch die deutsche Kanzlerin, allenfalls die Brosche zur Borte am Jäckchen liefert Brüssel zu. Dafür werden die Menschen der Kanzlerin später dankbar sein, so dankbar, wie sie heute Helmut Schmidt sind, der damals neue Atomraketen in Deutschland stationieren ließ, obwohl die Mehrheit der Uneinsichtigen dagegen war.

Die Erben der Unbelehrbaren von damals tarnen sich heute als Sozialdemokraten, Österreicher oder CDU-Mann, doch was sie unverhohlen fordern, entspringt demselben Ungeist, der die "wirre Welt der Wohlstandsbürger" schon seit Monaten prägt.

Aus dem "Das schaffen wir" der Kanzlerin ist "das schafft uns" geworden, das Boot ist nicht mehr toll, sondern doch wieder voll. Obwohl Studien längst ergeben haben, dass Ausländer deutlich mehr zu öffentlichen Haushalten beitragen, als sie in Form von Transferleistungen erhalten, fordern die extremistischen Ränder der CDU einen Kurs der rigorosen Abschottung. Grenzkontrollen, eine Pegidisierung der Union, eine Orbanisierung Deutschlands. Und Merkel, die eben noch so starke Führerin des Kontinents, fordert Geduld: "Wir können den Schalter nicht mit einem Mal umdrehen", sagt sie.

Welchen Schalter? Vor zwei Wochen war Angela Merkel dch noch sicher gewesen, es gebe gar keinen Schalter.


7 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Das Boot ist doch aber toll. Und voll auch.

Anonym hat gesagt…

"Auf Jean-Claude Juncker immerhin, dem sie zu seiner Spitzenkarriere verholfen hat."

Apropos, da war doch mal was:

"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert", verrät der Premier des kleinen Luxemburg über die Tricks, zu denen er die Staats- und Regierungschefs der EU in der Europapolitik ermuntert. "Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt." (Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-15317086.html)

"... warten einige Zeit ab, was passiert ..." Das scheint auch die Regierungsmaxime der Dame aus der Uckermark zu sein. Welch große Europäerin.

Gerry hat gesagt…

Frau Merkel wird sich nirgendwo angewidert abwenden, denn es würde einen Geschmackssinn und eine Meinungsposition voraussetzen.

Borsig hat gesagt…

Ihr Völker der Welt,schaut auf dieses Land. Es ist überfordert und braucht Hilfe aus Europa. (A. Merkel in der Neujahrsansprache 2016)

Anonym hat gesagt…

@ Borsig

A. Merkel wird am 31.12.2016 keine Neujahrsansprache mehr halten. Am 31.12.2015 wird sie diese noch halten müssen, weil die Neuwahlen erst in 2016 sind.

Borsig hat gesagt…

@ Anonym: Wäre ja dann auch für 2017, nee soweit habe ich nicht gedacht. Aber diesen Dezember ist sie wohl noch da.

Anonym hat gesagt…

2017 is' wieder mol gindsch, doß dor Mässias gommt. Bis dahin heißt es ordentlich aufzumischen.