Dienstag, 29. Dezember 2015

Neues Aussteigerprogramm für Pegida-Anhänger

Ein neues Aussteigerprogramm soll Hetzer und Hasser aus der Pegidisten-Szene holen.
Bei rechtsextremen Neonazis hat es sich längst bewährt, sie, oft verführt von verbohrten Altnazis, können mit Hilfe von speziellen Aussteigerprogrammen von Innenministerien, Verfassungsschutz oder bürgerschaftlich-engagierten Vereinen aus ihrer schlimmen Weltsicht aussteigen. Mit einer neuen Initiative will Bundesinnenminister Thomas de Maiziere diesen Weg auch Menschen eröffnen, die bislang willenlos der sogenannten Pegida-Bewegung nachgelaufen sind - obwohl es genügend Warnungen der Behörden gab, dies nicht zu tun.

Und so könnte ablaufen: Horst Hansemann, kleiner Gewerbetreibender aus Pillnitz bei Dresden, will raus aus der rechten Szene. Weil ihn die anderen Demonstranten enttäuscht haben. Weil er nicht mehr neben Galgen herlaufen möchte. Weil er sein Leben ändern will. Er ist der klassische Pegida-Aussteiger, um die 47 Jahre alt, dem Alkohol eher zugeneigt, mit einer Geschichte, die zur Wendezeit in der DDR noch einmal neu begann. Hansemann glaubt an einen Vater Staat, der besser nicht da ist, er hatte nie Probleme mit Drogen, ist in zweiter Ehe verheiratet, fährt Volkswagen, er hat vier Angestellte und Angst vor zuviel Zuwanderung.

45 Jahre war Hansemann, als er erste Kontakte zum rechtsextremen Faschisten-Milieu der Pegida-Populisten knüpfte. Immer wieder montags ließ er sich missbrauchen, er schrie "Lügenpresse" und sprach nicht mit Journalisten. Immerhin: Er behielt seinen Job - schon weil die Firma seine eigene ist. Das soll so bleiben, deshalb steht für Hansemann fest: Er steigt aus, für ihn war es das mit dem Meckern über die Regierung, dem Hass und dem Protest gegen notwendige staatliche Maßnahmen.

Jan ist ein Beispiel für einen Aussteiger, ein Durchschnitts-Neonazi, den es so nur der Vorstellung halber gibt. Rechtsextremismus und Pegidismus hingegen ist nicht erst nach den NSU-Morden allgegenwärtig. Gerhard S. will hier helfen. Das ist sein Job, denn der 52-Jährige ist der zuständige Sachbearbeiter der Bundesinformationsstelle gegen Extremismus (BIGE) bei der neuen Meinungsfreiheitsschutzabteilung desBundesblogampelamtes (BBAA) im mecklenburgischen Warin. S., ein großgewachsener, vertrauenerweckender Mann, kümmert sich um Ausstiegswillige und möchte aus Sicherheitsgründen anonym bleiben.

Was ist laut S. die größte Fehleinschätzung von Pegidisten? "Sie stammen nicht immer aus armen Familien und unteren Schichten. Manchmal sind die Eltern gut situiert, auch Abiturienten rutschen ab." Welches Vorurteil stimmt? Es sind vorrangig Männer, die gegen offene Grenzen wettern, Obergrenzen fordern und Einwanderer aus anderen Kulturen als Gefahr sehen. Frauen machen S. zufolge nach wie vor unter zehn Prozent aus.

In der Pegida-Szene ist bekannt, das es eine Aussteiger-Hotline gibt. Das Aussteigerprogramm beim BBAA soll Rechten, Rechtsradikalen, Rechtsextremen und Rechtsextremisten wie Hansemann einen Ausweg aufzeigen. Was es nicht soll und laut Gerhard S. auch nicht tut: Jan wird nicht nach Kameraden oder Vorgängen aus der Pegidisten-Szene befragt. Er soll in seinem Willen bestärkt und nicht ausgefragt werden. Infos über das Milieu beschafft sich nicht die Meinungsfreiheitsschutzabteilung, sondern der Verfassungsschutz. der habe, sagt S., dazu seine eigenen Quellen und Methoden.

Für S. beginnt alles mit einem Anruf. Wegen der bundesweiten Debatte um ein Pegida-Verbot klingelt es täglich. Aber nicht alle, die in der Leitung sind, wollen auch aussteigen. "Manchmal ruft jemand an, dem der Rechtsruck der SPD zu schnell geht - oder CDU-Mitglieder, die auf der Linie der Kanzlerin liegen und Seehofer aus der Union werfen wollen", berichtet S. Das sei verständlich, bringe aber nichts, zumindest nicht in Sachen Ausstiegsstatistik, an der er gemessen wird.

Ist aber mal ein Ausstiegswilliger in der Leitung, dann wird genau geprüft - denn geeignet ist nicht jeder. Die Bedingung: Jemand wie Hansemann muss derart tief im Pegida-Sumpf stecken, dass er es von allein nicht mehr herausschafft. "Er muss Pack sein, darf aber auch nicht polizeilich auffallen", sagt S. "Denn wir können ihn nicht vor einem Strafverfahren schützen."

Es wird ein Treffen vereinbart: in wenig besuchten Cafés, auf Feldwegen, in einem Foyer, in einer Polizeidienststelle oder auch am Bahnhof. Dort hinterfragen Gerhard S. und seine Kollegen, was Hansemann zu einem Ausstieg bewegt und welche Vorteile er sich davon erhofft. Damit eins klar ist: Geld gibt's dafür keines, sagt S. Nicht für einen Kneipenabend am Montag, um sich abzulenken, nicht für eine neue Bleibe abseits der gewohnten Umgebung im braunen Sumpf. Was einem Aussteiger hingegen ermöglicht wird: Er kann seine Waffen, seine selbstgebastelten Galgen, Spruchbänder mit Merkel-Hetze oder rechtsextreme CDs abgeben, ohne dass er Ärger bekommt. "Dann darf er durch die geöffnete Tür zurück in die demokratische Gesellschaft schlüpfen", sagt S.

Wie aber weiß S., wer wirklich alles umkrempeln will? Anfangs wird beispielsweise überprüft, wer bereits als Pegida-Anhänger beim Verfassungsschutz oder bei befreundeten Diensten registriert ist. Das sei ein gutes Indiz. Später checken etwa V-Leute und Polizisten bei Szenetreffs, wer sich weiterhin mit seinen alten Kameraden trifft, auf Pegida-Demos und Versammlungen von Pack und Mob geht.

Racheakte auf Ausstiegswillige habe es bisher so gut wie nicht gegeben - und wenn, dann bewegten sie sich auf "Ohrfeigen-Niveau", sagt S. - Hansemann und Co. bleiben also meistens in ihrer gewohnten Umgebung und versuchen sich dort ein neues Umfeld zu schaffen. Gerhard S. und seine Kollegen begleiten sie etwa zum Arbeitsamt und holen eine gewisse Sozialisation nach, die andere seit ihrer Jugend lernen. Zwei Jahre dauert diese "Hilfe zur Selbsthilfe" im Schnitt.

Gut 80 Prozent der Pegida-Anhänger ist es nach einen Anruf bei der Hotline so wirklich gelungen, der Szene den Rücken zu kehren. Die restlichen Ausstiegswilligen haben das Programm abgebrochen und sind wieder abgerutscht - meist, weil sie extrem rechts waren und keinen Anker außerhalb der Szene setzen konnten.

S. hofft aber, dass ihm das Dutzend Leute, das aktuell am Aussteigerprogramm teilnimmt, der Mehrheitsgesellschaft nicht mehr entgleitet. Trotz mancher Rückschläge fällt sein Fazit "positiv und befriedigend" aus. "Es ist wirklich eine lohnenswerte Aufgabe, niemand zurückzulassen und keinen aufzugeben", sagt er.

4 Kommentare:

Gernot hat gesagt…

Vielleicht benötigt die Pegida-Bewegung eine Hymne?

https://www.youtube.com/watch?v=8ASK67Mk_Yw&index=32&list=PLgova0eMpmfcU8P_Ap7OcHw4mu5yW0WJj

Borsig hat gesagt…

Und jetzt machen diese bösen Nazies auch noch Schund - und Schmutzliteratur zu einem Bestseller. Dabei können die in und um Dresden doch gar nicht lesen. Unglaublich-alternativlos. "Deutschland im Blaulicht"

Anonym hat gesagt…

Ein Pegida-Einsteigerprogramm für Westdeutsche wäre wichtiger.

Anonym hat gesagt…

heute im LOL Markt : der Türke ( Abreißkalenderkopf , eher flach ) belästigt die Kunden - keiner schaut hin , Debatten mit dem Personal sinnlos ; ergo : ich kaufe nicht mehr bei LOL