Sonntag, 4. September 2016

Die große Improvisation: Wie Angela Merkel die Grenzen abschaffte

Vor einem Jahr passierte es. Auf einmal war die Grenze offen. In der deutschen Tradition überraschender Mauerfälle, begründet von Günter Schabowski und seinem welthistorischen Waschzettel vom 8. November 1989, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel am 4. September 2015 die deutschen Grenzen für jedermann öffnen.

9431 Tage liegen zwischen beiden historischen Tagen.


Erstaunlich aber ist: Das Kabinett wurde diesmal nicht mit der Frage befasst, ob sich Deutschland für fast sieben Milliarden Menschen öffnet. Auch der Bundestag beriet nicht. Es wurde kein entsprechendes Gesetz beschlossen, nicht in erster und nicht in zweiter Lesung. Es gab keine Verordnung, keine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Kein Ausschuss tagte. Keine kleine Runde von Spitzenpolitikern. Nichts.

Geheimnisvolle Anweisung 



Angela Merkel habe die Öffnung der Grenzen "angewiesen", hieß es in den Tagen danach unisono. Ihre evangelische Erziehung habe ihr aus humanistischen Gründen keine andere Wahl gelassen, als ein neues Recht auf Einreise über einen sicheren Drittstaat zu erfinden und umgehend in die Tat umzusetzen.

Wie aber hat Angela Merkel das eigentlich praktisch angestellt? An wen erging ihre Weisung? Auf welchem Weg öffnete sie die Grenzen? Schickte die Kanzlerin an jenem 4. September, der Deutschland für immer veränderte, eine Email an die Bundespolizei? Rief sie ihren Innenminister an? Ließ der den Chef des Bundesamtes für Migration antreten und veranlasste ihn, eine neue "Herrschaft des Unrechts" (Seehofer) einzuleiten?

War sie das wirklich alles ganz allein? Hatte sie nicht wenigstens einen Koch bei sich?

Ungelöstes Rätsel


Es ist eines der unerforschten und deshalb bisher auch ungelösten Rätsel der Gegenwart, wie die deutsche Kanzlerin die zweite Zeitenwende nach 1989 bewirkte. Es gab zwar eine Anweisung an das das Bundesamt für Migration, Syrer nicht mehr abzuweisen, die das Amt zumindest halbamtlich über soziale Netzwerke verbreitete.

Aber von wem die Anweisung kam, wie sie das Amt erreichte und weshalb das Amt, das keine Befugnis hat, Grenzen zu öffnen oder zu schließen, sie umsetzen konnte, bleibt rätselhaft. Denn die Grenzöffnung erstreckte sich über den Einflussbereich des Bamf und über die genannten "Syrer" hinaus auf alle "in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge" (Merkel).

Und sie hinterließ verblüffenderweise dennoch nirgendwo in Medien, Regierungs- oder Parlamentsbetrieb schriftliche Spuren. Selbst der Innenminister wusste augenscheinlich nichts, ehe alles erledigt war. Wie sonst hätte Thomas de Maiziere seine Chefin später für ihre Entscheidung kritisieren können?

Nur mittelbare Beweise


Nur einige mittelbare Hinwiese sind zu finden. So erließ Schleswig-Holstein die „Anlage zum Rahmenbefehl Nr.5“, die unter Berufung auf eine - bis dahin von niemandem gesehene - "Einladung Merkels an alle Flüchtlinge" (Zitat) alle Polizisten freistellte von der Verfolgung von Ausländern ohne gültigen Aufenthaltstitel. In dem Papier heißt es: „Diese durch Kanzlerin-Erklärung und faktisches Verhalten deutscher Behörden beim Grenzübertritt nach Deutschland ,eingeladenen‘ Flüchtlinge machen sich nicht strafbar, weil Grenzübertritt und Aufenthalt gerechtfertigt sind."

Gerechtfertigt aber durch eine Kanzerinnenanweisung an wen? Wo steht das? Welches Gesetz legitimiert es? Wo im Grundgesetz findet sich überhaupt der Begriff "Kanzlerin-Erklärung"?

Niemand weiß es. Selbst dem ehemaligen Verfassungsrichter Udo di Fabio gelang es nicht, "einschlägige offizielle Dokumente" aufzufinden.

Weder Schriftform noch Dienstweg

Die weltverändernde Entscheidung wurde offenbar nicht nur eigentlich nur getroffen in einer "akuten Notsituation" (Merkel), die eine "humanitäre Ausnahme" (Merkel) sein sollte. Sie bedurfte auch weder der Schriftform noch eines Dienstweges, keiner Protokollierung, keiner schriftlichen Rechtfertigung, keiner EU-Richtlinie, keiner Beratung, keiner Begutachtung, keiner Begrenzung, keiner Befristung. Nicht einmal einen Zettel wie bei Schabowski gab es.

Ein Bungalowbau im eigenen Garten unterliegt strengeren Auflagen, die Mitnahme einer Katze in den Spanienurlaub erfordert mehr Papierkram, ein Kneipenbesitzer, der einen Kaffee verkauft, hat über das Zwei-Euro-Geschäft schärfere Dokumentationspflichten zu erfüllen.

Deutschland, bürokratisch, steif und protokollverliebt? Nein, nicht mehr.

5 Kommentare:

Volker hat gesagt…

Legal. Illegal. Scheißegal.

Anonym hat gesagt…

Es genügte jeweils ein Anruf bei Faymann und Orban. Davon müsste die NSA ja Mitschnitte und Abschriften haben.

Anonym hat gesagt…

Der große Run wurde bereits im Juli 2015 durch ein vereinfachtes Asylverfahren für Nicht-Balkanbewohner (ohne weitere Identitätsprüfung) ausgelöst.

Anonym hat gesagt…

Also wenn Merkel nichts veranlasst hat und damit nicht haftbar ist, dann stellt sich die Fragen einfach anders:
Warum hat sie bis zur Stunde nichts veranlasst, um den illegalen Status zu beenden? Unterlassung kann auch ein Verbrechen und damit strafbar sein.

'Erika' hat gesagt…

"""Rechtsstaat"""



Heute verrechtlichen wir Unrecht.
Wie können wir (im GG leider vorhandene) Rechte beschneiden,
laut StGB Nicht Strafbares strafbar machen.