Mittwoch, 15. März 2017

Interview: „Touristen brauchen politische Rechte“

Sex-Touristin Angelika möchte bei Besuchen in Deutschland künftig auch gern politisch mitreden.
Die deutsche Staatsbürgerschaft sei wie der VIP-Ausweis eines elitären Clubs, kritisiert der Migrationsforscher Heiko Hassknecht. Deutsche wählen in Deutschland, sie wählen nach ausschließlich deutschen Interessen, häufig aufgrund von Fake News und nach russischen Vorgaben. Hassknecht will das ändern, Deutschland für eine breitere Wählerbasis öffnen und auch den Menschen, die Jahr für Jahr Milliarden Euro ins Land bringen, eine Chance geben, den guten Kurs des Landes mitzubestimmen. Er macht deshalb Vorschläge, wie künftig auch Touristen in Deutschland politisch mitwirken könnten.


Herr Hassknecht, Touristen spielen eine wichtige ökonomische Rolle für die Länder, die sie besuchen. Dennoch haben sie keinerlei Recht, ihre politische Erfahrungen in die Gastländer einzubringen. Warum ist das so?

Hassknecht: So einfach lässt sich das nicht beantworten. Man muss unterscheiden, woher jemand kommt und wen er besucht. Stammen sie aus einem autoritären Staat und lernen in einem demokratischen Land, sich einzubringen? Oder kommt jemand aus den Philippinen, immerhin eine Demokratie, und macht einen Abstecher nach Saudi-Arabien oder Katar? Wir haben eine Studie mit Besuchern aus China gemacht, sechs Gruppen, die in demokratischen und in autoritären Ländern waren. Was alle gemeinsam haben, ist, dass sie alle tendenziell schlechter über das politische System in der Heimat denken.


Das heißt alle Touristen vergleichen grundsätzlich ihre Heimat mit dem Zielland?

Hassknecht: Genau. Wir haben das an vielen Themen wie Vertrauen in die Polizei, Sozialversicherung, Regierungssystem und allgemeines Sicherheitsempfinden abgefragt. Und im Prinzip finden Touristen es überall besser als daheim. Das kann aber eher zu negativen Einstellungen führen. Wir haben mit Philippinern gesprochen, die ihr Land mit Saudi-Arabien verglichen und sagten, dort gehe es ja allen gut, dort wird Dieben die Hand abgehackt, das hätten wir gern auch bei uns.

Beim Thema Mitbestimmung gibt es in Deutschland Skeptiker, die befürchten, dass Touristen, die in Deutschland wählen dürfen, undemokratische Vorstellungen Platz greifen sind. Muss man sich um die Demokratie in Deutschland sorgen?

Hassknecht: Vielleicht kommen diese Menschen ja auch deshalb zu uns, weil sie sich nach Demokratie sehnen? Dann sollten wir ihnen diese aber auch bieten. Dem steht in Deutschland aber eine Art Kult der Staatsbürgerschaft entgegen. Es ist wie ein VIP-Ausweis eines elitären Clubs. Deutsche Staatsbürgerschaft wird nach wie vor meist exklusiv gesehen, wie der jüngste CDU-Beschluss zeigt. Das ist bedauerlich.

Warum ist das bedenklich?

Ich würde eine Entkoppelung von Staatsbürgerschaft und politischen Partizipationsrechten vorschlagen. Gewisse politische Rechte sollten gewährt werden, ohne dass man gleich deutscher Staatsbürger wird. Man kann ja sagen, dass Menschen, die ein Land besuchen, auf kommunaler oder regionaler oder sogar nationaler Ebene stärker partizipieren sollen. Während der Zeit dürfen er oder sie aber konsequenterweise nicht im Herkunftsland wählen, erst nach dem Urlaub wieder.

Welche Vorteile lägen darin?

Wenn wir über Touristen reden, dann müssen wir wissen, dass sie faktisch nirgends mitreden können. Im Land, aus dem sie kommen, haben sie nichts zu melden, weil sie nicht daheim sind. Und dort, wo sie sind, haben sie kein Wahlrecht. Politik wird über sie gemacht, sie werden entmündigt. Das ist ein Problem, weil sie keine Demokratie erfahren können. Aber hier in Deutschland wird Demokratie gelernt und gelebt, wir sind ein Vorbild für die ganze Welt. Und ich denke, deshalb könnte ein Wahlurne in einer privaten Unterkunft oder in einem Hotel, wo ein Tourist untergebracht ist, auch dem sozialen Frieden dienen.


Wie laut ist der Ruf von Touristen nach so einem Momentan-Wahlrecht?

Hassknecht: Man muss leider sagen, dass den meisten Menschen das Politische nicht wichtig ist. Die Hauptmotivation der Touristen, über die Sie sprechen, ist das Reisen, Städte angucken, am Strand liegen. Sie kommen ja nicht wirklich in Kontakt mit dem politischen System vor Ort.

Kann man einen Trend erkennen, wie Menschen politisch entscheiden, die lange im Ausland leben?

Hassknecht: Am meisten Forschung zu politischen Folgen von Tourismus gibt es bezogen auf Japaner, weil die am weitesten reisen. Und da gibt es die interessante Erkenntnis, dass Japaner, die die USA besuchen, eher einen Machtwechsel gewählt hätten. Das sieht man auch in anderen Ländern. Touristen bringen frischen Wind mit.


Lässt sich diese Erkenntnis auf Europa übertragen?

Hassknecht: Es gibt erste vergleichbare Erkenntnisse für Polen, es fehlt aber die breitere Forschung dazu. Beispiele zeigen, dass sich Alltagserfahrungen von Touristen zu Hause im Ausland
auswirken können. Wenn US-Touristen zum Beispiel darüber erzählen, dass Homosexuelle daheim heiraten dürfen, dann kann das die Einstellungen der Leute in Sachsen schon beeinflussen. Man spricht bei so etwas von politischer Rücküberweisung.


Welche Bedingungen müssen in einem Zielland gegeben sein, damit ein Tourist positive Demokratieerfahrungen macht?

Hassknecht: Was wir bisher wissen, zeigt, dass nicht das politische System des Ziellandes entscheidend ist, sondern die Möglichkeiten zur politischen Mitwirkung. Das Wahlrecht ist dabei nicht das wichtigste, sondern, dass Touristen mitmachen dürfen, dass Pressefreiheit herrscht und der Rechtsstaat funktioniert.

3 Kommentare:

Sauer hat gesagt…

Trotz meiner knapp bemessenen Zeit bin ich bereit, Angelika in unser politisches System einzuführen. In welches Hotel muß ich die Wahlurne bringen? Ich verspreche, ihr einfühlsam zu zeigen, was sie mit mir alles mitmachen kann.

Gernot hat gesagt…

Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb die Anwesenheit in D Voraussetzung zum Wahlrecht in der BRD sein sollte.
Schließlich sind alle Menschen Menschen. Alle sollten wählen dürfen, nicht nur diejenigen, die sich z.B. einen Urlaubsaufenthalt gestatten können. Alle sollen an Demokratie teilhaben!

Anonym hat gesagt…

@ Sauer: Nicht fort-, höher hinauf sollt ihr euch pflanzen! Wer war das noch gleich?
Und Rassenbastarde gibt es schon mehr als genug.