Donnerstag, 4. Mai 2017

"Anti-staatlich": Wie Xavier Naidoo zum letzten Rocker wurde

Es gab eine Zeit, da war der gottesfürchtige Schmachtfetzensänger Xavier Naidoo das Aushängeschild dessen, was Popmusik knapp 70 Jahre nach ihrer Erfindung ist: Fahrstuhlsound für eine übersatte Gesellschaft, an Marketingkonzepte angepasstes Geheul, klanglich optimiert, auf Absatzkanäle konzentriert und inhaltlich um jeden Anflug an Kontroverse amputiert. Wer Naidoo hörte, war angekommen im Schröder-Deutschland, das leicht links und doch liberal, weltoffen, aber sich seiner wirtschaftlichen Bedeutung durchaus bewusst war. Wer Naidoo hörte, konnte ansatzlos auch all die anderen hören, die ständig Gesicht zeigten und mit der Macht marschierten, die Bundesverdienstkreuze kassierten, sich in die Fernsehkanaäle drängten und in Jurys Platz nahmen, als ließe sich mit Singen allein nichts mehr verdienen.

Böse Menschen haben doch Lieder





Der Weg bis dahin war nicht mühsam und lang, er war nicht "steinig und schwer", sondern gepflastert mit guten Vorsätzen. Wer deutsch sang, war zwangsläufig ein Künstler, der eine Botschaft hatte, die weltoffen war, aufgeklärt und friedlich. Der Sound dazu, gespielt von Bands, die alle gleich klangen, war globalisiert und handgemacht, edel produzierter Rockpoprap mit Bildungsanspruch. Es galt szeneübergreifend der als Satz: Lange Haare ja, aber gepflegt müssen sie sein. Wo man sang, waren alle Brüder. Denn böse Menschen haben keine Lieder.

Die Rockstars früherer Tage, sie standen denn auch stets auf der Seite des Guten. Niedecken und Grönemeyer, U2 und Maffay, alle engagiert, klimafreundlich und um gerechte Steuern bemüht. Zumindest scheint es heute so, wo im Kulturradio Features die 70 wilden Jahre des Iggy Pop zelebrieren, die Sex Pistols hochleben lassen und die grundsätzliche Feindschaft der Gruppe Clash zum kapitalistischen System als eine Art fröhliche Jugendirrung wegschweigen. Rio Reiser, vom Verfassungsschutz überwacht und Sänger von Liedern, die zur Zerstörung aufriefen, ist nur noch der Interpret von "Junimond" und von Comicrock über deutsche Könige. Die Toten Hosen, die einst lautstark gegen die staatlichen Pläne zur Atomendlagerung Front machten und ihren ersten Echo noch auf der Bühne in eine Mülltüte steckten, arbeiten am Aufbau der Gesellschaft mit.

Nur noch staatstreue  Stars


Die Max Giesingers und Cluesos dagegen, die Jennifer Rostocks, Silbermonds und Annenmariekantereits, all die vom Fließband der Voice-von-Soundso purzelnden Niemande, sie alle sind immer auf der richtigen Seite. Rebellen, die den Altvorderen in Sachen Staatstreue nicht nachstehen. Sie zeigen unentwegt Courage und klare Kante gegen rechts, sie sind einsatzbereit im Dienst der Sache, sie rufen zur Wahl oder sitzen in Talk Shows, dort onanieren sie nicht und sie zücken auch keine Axt, um auf den Tisch zu schlagen.

Rockmusik, im Kindbett und in seiner Pubertät ein Aufschrei gegen die Verhältnisse, ist mit der Generation der Max Mutzkes und Ella Endlichs, mit Mark Forster, den notorischen Udo Lindenberg und seinem Nachwuchs Bosse zum Soundtrack der gelähmten Gesellschaft geworden. Ein Sangesverein wie von der Bundeszentrale für politische Bildung erfunden, klinisch rein, rebellisch allenfalls durch eine in Bangladesh designzerfetzte Edeljeans. Die Totengräber dessen, was Rock einmal war: Gesellschaftsschreck und Provokation, Anlass für Ausschreitungen und Hoffnungslicht für alle, die nicht angepasst sein wollten.

Ein halbes Jahrhundert später hat sich die Situation komplett gedreht: "Der Mainstream in Medien und Politik ist im Zweifel deutlich links der Mitte, emanzipiert, ökologisch, nachhaltig, gendergerecht" (NZZ) - und so wie er ist auch der Rock. Die Bands, die im Nachhall des Aufbruchs der Jugendrebellion der 60er gegen das bürgerliche Establishment ansangen, sind längst zu Begleitkapellen einer alternativlosen Staatspolitik mit Hang zur Hypermoral geworden. Das Ergebnis ist grotesk: Die Rebellen balgen sich um Plätze im Staatsfunk. Während radikale Gesellschaftskritik von Clowns wie Xavier Naidoo vorgebracht wird.

Eine grausiger Rockwelt, in der ausgerechnet der unerträgliche Fahrstuhlmusiker aus Mannheim die Fahne des Unangepassten, des Widerspruchs und der Verweigerung hochhält.

Mit einem "neuen Lied" (Mannheimer Morgen) hat der gottesfürchtige Schmalzspezialist sich gerade wieder auf die Spitzenposition der Hitparade der "Wut- und Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Rassist, Rechtspopulist und lupernreine Demokrat" (Twitter) gesungen. Naidoo ist nun der Sarrazin des Deutschrock, ein Hetzer, Hasser und Zweifler, denn er fragt seine Hörer im Titel "Marionetten", wie lange sie noch "Marionetten" sein wollen: "Für eure Puppenspieler seid ihr nur Sachverwalter."

Was darf Rockmusik?


Klingt unfassbar, denn als "Sachverwalter" oder "Sachwalter" bezeichnen sogenannte "Reichsbürger" die Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland. Darf man als Rockstar überhaupt ein solches Wort verwenden? Darf man Anspielungen auf Puppenspieler machen? Ist eine Songzeile erlaubt, die "Alles nur peinlich - und so was nennt sich dann Volksvertreter" lautet? Ist es gestattet, Parlamentarier "langsam und träge" zu nennen und ihnen mit der "Forke" zu drohen? Kann ein Rockstar "anti-staatlich" (Mannheimer Morgen) singen? Oder macht sich damit "im aktuellen politischen und gesellschaftlichen Klima" nicht jeder Popstar  "untragbar" (Stern)?


Die große Frage, 60 Jahre nach Bill Haley, der immer auf der Seite der Staatskanzleien, Parteizentralen und Anzeigenverkäufer der Nachrichtenmagazine stand. Muss nicht Rock gerade heute, im Zeitalter der Zerstörung der Welt durch eine "gespaltene Gesellschaft", mehr Puhdys als Rio Reiser sein? Den Staat stärken wie Roland Kaiser, statt ihn infragezustellen wie singende Quertreiber Marke Rolling Stones, Beatles und Co.? Muss nicht Rockmusik generell konstruktiv sein? Mithelfen, unsere Erde noch besser zu machen und unsere Menschen noch fröhlicher?

Campino, der vom Staatsgegner zum GroKo-Fan erwachsene Hosen-Sänger, fällt das Urteil. "Merkel als Volksverräterin zu beschimpfen, ist inakzeptabel", sagt er. Die Stadt Mannheim, Namensgeber für Naidoos Band, glaubt das auch. Sie denkt über "Konsequenzen" für Naidoo nach. Die Grüne Jugend, Nachwuchsorganisation einer Partei im Überlebenskampf, weiß schon, welche: Entartete Kunst hat auf unseren Bühnen keinen Platz.


12 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Campino wurde im Post nciht erwähnt. Morgen kommt sein neues Album auf den Markt, welches er mit seinen Kumpels eingesungen und eingespielt hat.

http://www.hallo-veranstaltungen.de/artikel/campino-bedankt-sich-bei-angela-merkel/

CAMPINO bedankt sich bei ANGELA MERKEL

„Es ist inzwischen sehr, sehr schwer, Lieder zu schreiben zum politischen Tagesgeschehen, weil das Tempo der Entwicklung immer schneller wird.“ Zur Kanzlerin hat der Sänger aber eine unbeirrte Haltung. Weiter erzählte er: „Wenn mir Frau Merkel auf der Straße begegnen würde, würde ich zu ihr gehen und mich bedanken. Wie sie in der Flüchtlingskrise reagiert hat und sich lange nicht beirren ließ, davor habe ich großen Respekt.“

http://www.tagesspiegel.de/kultur/frontmann-der-toten-hosen-merkel-als-volksverraeterin-zu-beschimpfen-ist-inakzeptabel/19745528.html

Frontmann der Toten Hosen

"Merkel als Volksverräterin zu beschimpfen, ist inakzeptabel"

https://www.welt.de/vermischtes/article164111931/Wuerde-jemand-das-zurzeit-besser-machen-als-Merkel.html

SÄNGER CAMPINO

„Würde jemand das zurzeit besser machen als Merkel?“

http://www.huffingtonpost.de/2017/04/27/alt-punk-campino-outet-sich-als-merkel-fan_n_16261736.html

Das sagt er zu Martin Schulz
Merkels Konkurrenten, den SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, sieht Campino hingegen eher kritisch. "Ich mochte ihn als Europaparlamentarier, aber als Kanzlerkandidat habe ich von ihm bisher eher wenig Beeindruckendes gehört", erklärte er.

ppq hat gesagt…

ich habe ihn vergessen. eigentlich war er fest eingeplant. kommt nun noch rein

Florida Ralf hat gesagt…

We don't need no education We don't need no thought control.

Laenger her als Bach.

Die Anmerkung hat gesagt…

>> ppq hat gesagt... ich habe ihn vergessen.

Ich weiß nicht, ob ich gläubig bin. Doch wenn man sich die jüngsten Aussagen Campinos ein bißchen zur Brust nimmt, dann glaube ich, ist das mit dem Vergessen nicht weiter tragisch, eine vollkommen natürliche Reaktion, glaube ich.

Angesichts dieser aussagen kann man Campino vergessen. Er ist in seiner Karriere zu sehr gebonot und gegeldoft worden.

ppq hat gesagt…

@anmerkung: das alte lied. du startest als gegner, kritiker, alternative. und dann kommt der erfolg, dann kommt das geld, dann kommen ruhm und verführung. und plötzlich sitzt du auf dem schoß derer, die du gerade noch angegriffen hast. und merkst nicht mal, dass du einer von ihnen geworden bist.

das ist das elvis-in-las-vegas-syndrom. nichts mehr mit wackelnder hüfte. nur noch fettpanzer rundherum. und - wie lennon sagte - die damen auf den oberrängen klimpern mit ihren juwelen.

der war gegen den vietnamkrieg, den doch eine demokratisch gewählte regierung durchführen ließ. für den echo käme so ein anti-staatlicher sänger nicht infrage.

Rocksofter hat gesagt…

An propagandistisch bienenemsigen Mitläufern wie diesen reichen Systemprofiteur Pampino der Toten Hirne hat es der deutschen Demokratur in ihrer langen Geschichte mit europaweit von Guernica bis Stalingrad explosiv dröhnenden Openairkonzerten samt stahlgewittrig blitzenden Lightshows noch nie gemangelt. Viele Fans drehten bei diesem martialischen Entertainment hysterisch kreischend durch, bevor sie von der apokalyptischen Götterhämmerung in blutigen Todesschlamm geschleudert wurden.

Warum sollte es heute also anders sein, nachdem nach 45 eine gründliche Entnazifizierung ja unmöglich war, weil man all diese Nix-davon-gewusst-Haber ganz dringend für eine neue funktionierende Bürokratie in der BRD brauchte. Zudem haben alte Kameraden sich wie Aaskrähen gegenseitig kein Auge ausgehackt. Das hielten die für Ehre und benennen unsere Bundeswehrkasernen bis heute nach Hitlers damaligen höchsten Wehrmachtbefehlshabern wie z.B. die sehr aktive Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf. Damit nicht genug, denn es existiert eine zweite in Dornstadt (BW). Aller guten Dinge sind drei, also gab es bis 2004 noch die in Osterode (NS), die zum Bedauern unserer Gutmenschen wegen giftiger Altlasten leider nicht als Flüchtelunterkunft geeignet ist. Es gab unter dem Föhrärr aber noch viele andere Lamettapsychos, die Millionen als Kanonenfutter opferten, damit ihr Herr und Meister satt wurde.

Erst heute, 70 Jahre danach, soll ein angeblich rechter deutscher Offz, der sich bei typisch schwarmintelligenten Behördenkaspern kinderleicht als Scheinmusel Asyl erschleichen konnte, nun der Anlass sein, unsere längst multikulturell unterwanderte Soldateska auf Neonazi-Infektion hin zu durchforsten, um nicht nur saubär sondern rein zu sein, wenn wir erneut fern der Heimatfront in andere Länder einmarschieren, um dort unsere 'westliche Leithammelkultur' auch waffentechnisch durchzusetzen.

Mit anderen Worten, die heutige Jugend ist, wie sie ist, weil die davor war, wie sie war ... bis auf wenige Protestfreaks komplett angepasst. Nacktaffiger Herdentrieb-Power eben, sonst nix.

Drei zwitschernde Schwalben machen nämlich bekanntlich noch keinen Frühling.

God shave the Queen Muddi.

Anonym hat gesagt…

Wie hieß das doch gleich in der DDR? "Rock für den Frieden" und die Steigerung war "Festival des politischen Liedes."

Genau da sind wir wieder.

Naidoo ist heute das, was Biermann früher sein wollte.

Sink Mai Zong hat gesagt…

Dieser Naidoo hat ja auch einen bunten Teint, der ihm zu singen und somit zu sagen erlaubt, was einen weißen Sänger medial schon lange in die rassistische Nazihölle gestürzt hätte.

Ein Plus an Hautpigmenten kann in heutiger weltoffener Willkommenszeit also durchaus ein Plus an Meinungsfreiheit bedeuten, denn so ein islam-goldig brauner Osmanenbimbo darf bei uns inzwischen wieder ungestraft 'Juden ins Gas' brüllen. So viel Bereicherer-Tolleranz muss man als Michel aushalten, sonst ist das nicht mehr Merkels Deutschland.

Dasselbe sollte mal ein patriotischer Helldeutscher versuchen ... dann ist die knallrot lackierte maasianische Kahane-Kampfdrohne aus alten Volksarmee-Beständen aber sofort im Terminatormodus, um den phösen Rächzz-Hatespeech zu eliminieren.

Unsere angebliche Hochkultur entpuppt sich mit jedem neuen Tag mehr zu einem albernen Remake der Rocky-Horror-Picture-Show.

Und unsere Zukunft, unsere Jugend?

Die stiert überall hypnotisiert bis sediert auf ihre Handys, um auch jede Schwachmaten-SMS mitzubekommen und rennt dabei wie eine ferngesteuerte Marionettenpolonaise vor jedes zweite Auto.

Leider überleben das so viele Herdentrieb-Lemminge, dass sie zur echten Landplage werden.

Anonym hat gesagt…

In der Ostmark gibt es auch noch einen Künstler der dem Staat Parolie bietet:

Muslimisches Kopftuch: Andreas Gabalier „solidarisiert“ sich mit Österreichs Frauen – in den Landesfarben

Teilverhüllt mit einem muslimischen Kopftuch in den österreichischen Landesfarben schrieb der Musiker:

Dear Mr. President !

Nachdem für Sie „der Tag in unserem Land noch kommen wird, an dem wir ALLE Frauen bitten werden müssen ein Kopftuch zu tragen, aus Solidarität anderen Kulturen gegenüber denen es die „Religion vorschreibt“,
habe ich mir heute schon einmal eines aus Solidarität unseren Frauen gegenüber aufgesetzt!

In weiser Voraussicht auf das noch folgende Alkoholverbot aus Solidarität jenen Religionen gegenüber in denen man keinen Alkohol trinkt, habe ich heute schon einmal damit begonnen mein Verdauungsschnapserl nach meinem geliebten Schweinsbraten gegen ein Stamperl steirisches Kernöl zu ersetzen!

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr VolksRock’n’Roller

Quelle: http://www.epochtimes.de/politik/europa/muslimisches-kopftuch-andreas-gabalier-solidarisiert-sich-mit-oesterreichs-frauen-in-den-landesfarben-a2109480.html


Adebar

Gernot hat gesagt…


"Naidoo ist heute das, was Biermann früher sein wollte."

Ich musste eher an Renft denken. Übers Renft-Verbot zu googeln, lohnt sich; der Verbotstext ist einfach herrlich.

ppq hat gesagt…

das wäre eine idee. xavier naidoo für nicht mehr existent zu erklären. warum hat die bundeskunstkammer das noch nicht veranlasst?

Die Anmerkung hat gesagt…

Aus die Maus. Der Ziegenficker-Poet hat klargestellt, was Kunst ist.

http://www.bild.de/unterhaltung/leute/jan-boehmermann/boehmermann-video-zu-naidoo-51599618.bild.html

„Hurensöhne Mannheims“

Böhmermann nimmt sich Xavier Naidoo vor