Sonntag, 4. Juni 2017

Das Kanzlertelefonat: Vom Fuß auf die Köpfe

Jubel im Hinterzimmer: Martin Schulz hat gerade verkündet, wohin sich das SPD-Personalkarussell drehen wird.
Er kam als letzte Patrone der deutschen Sozialdemokratie und war vier Monate danach schon wieder verschlissen wie ein Bastschuh nach einer Pyrenäenwanderung. Doch Martin Schulz ist keiner, der so leicht aufgibt. Kaum hatte die Nachricht vom krankheitsbedingten Rückzug des aus dem Ruhrgebiet stammenden mecklenburgischen Ministerpräsidenten Erwin Sellering das kleine Büro im Willy-Brandt-Haus erreicht, von dem aus Schulz seinen Einzug ins Kanzleramt plant und organisiert, griff Schulz entschlossen zum Telefon.

Der zuletzt angeschlagene Hoffnungsträger der SPD rief seinen väterlichen Mentor Sigmar Gabriel an - und in dem folgenden, kaum zehnminütigen Telefongespräch warfen die beiden sozialdemokratischen Vordenker viele falsche Entscheidungen der vergangenen Wochen kurzerhand um. Schulz und Gabriel stellten die SPD vom Kopf auf die Füße, unter dem Druck der Ereignisse schmiedeten sie ein neues Wahlkampfteam und sie entwarfen gleich auch noch eine Strategie, um Angela Merkel wieder ernsthaft angreifen zu können.

PPQ ist durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung in den Besitz eines Mitschnitts des nicht nur für Deutschland, sondern aufgrund der neuen deutschen Führungsrolle in der westlichen Welt auch für den restlichen Globus fundamental bedeutsamen Gespräches gekommen. Es ist laut Xkeyscore-Aufzeichnungen um 10.34 Uhr an diesem Morgen des 30. Mai, der weltgeschichtlich gesehen ein historischer Tag ist. Zwölf Jahre zuvor benannte die Union mit Angela Merkel erstmals eine Frau als Kandidatin für das Amt des Bundeskanzlers. Heute nun greift Martin Schulz zum Handy eines asiatischen Herstellers, es klingelt, Schulz setzt sich in den Ledersessel, aus dem früher Größen wie Schröder, Björn Engholm und Kurt Beck die Geschicke Deutschlands lenkten. Es klingelt, es knackt. Sigmar Gabriel nimmt ab.

Hallo, Gabriel?

Grüß Dich, Sigmar, Martin hier.

Hallo Martin, Moment, ich muss die Kleine ablegen.

Gut, gut, mach das, es ist nur...

Bin wieder dran, was gibts?

Du, Probleme, Probleme, glaubst du nicht.

Was denn? Wieder der Trump?

Ach, wenn es das nur wäre, nee, nee, diesmal ernst, der Erwin ist krank, habs gerade reingekriegt.

Welcher Erwin?

Der Sellering, kennst du doch, Mecklenburg, Ministerpräsident.

Oh, was hat er denn?

Schwer krank, Krebs, schlimme sache. Du, der kann nicht mehr weitermachen, sagt er.

Wie, nicht mehr weitermachen? Wir sind im Wahlmodus, da kann der doch nicht...

Siggi, beruhige Dich, der kann nicht, sagt er, hat hier gerade angerufen. Was soll ich denn machen, ich kann den doch nicht zwingen, dass er bei der Stange bleibt, wo er doch krank ist. Dienstunfähig, erstmal dauerhaft.

Das heißt also?

Das heißt, wir brauchen einen Ersatz und das wollte ich mit dir, also absprechen wollte ich das, wie wir da rochieren, ob du da eine Idee hast. Du kennst die Partei ja ein bisschen besser als ich, ich bin ja noch ganz neu, eigentlich, und mir fehlen auch die Drähte, habe ich den Eindruck. Von Brüssel aus sah das alles...

Martin, Moment, das kommt jetzt, wundert dich bestimmt nicht, also überraschend, ich wickle gerade die Große, lass mich die mal, das geht schon für einen Moment, nur ins Bettchen legen.
...

So, Martin, da bin ich wieder. Ich habe mir mal einen Stift genommen, damit wir das regelrecht, also planen können. Der Erwin ist also weg?

Der Erwin ist weg, definitiv, da müssen wir jemanden Neues hintun.

Mecklenburg sagst du? Da ist es dünne mit der Partei. Im Grunde so dünne, dass wir da nur die Manu zur Verfügung haben. Aber kein Problem, die kann das.

Manu? Welche Manu? Siggi, hilf mir mal, ich habe die gerade nicht gegenwärtig.

Manu Schwesig, die Blonde, kennst du, Mitte 40, sieht aber jünger aus. Hübsch, so modellmäßig. Erinnert mich immer ein wenig an Amanda Seyfried, kennste die? Ist aber älter, denke ich. Von Beruf früher mal Steuerfachwirtin aus Schwerin, die hat aber der Steinbrück damals ausgegraben irgendwo im Landtag oder Stadtrat für so Themen wie Frauen, Familie, Aufbau Ost, Demografie, Inklusion und was fürs Auge.

Jetzt, wo du es sagst. Das ist die mit den kurzen Kleidern, die schon eine Weile Ministerin macht.

Ja, genau die. Die kann das, die kann alles, sieht immer gut dabei aus, überzeugend, frisch, sozialdemokratisch. Kann reden, kommt auch auf Plakaten gut rüber und in Talkshows, wenn es um überschaubare Themen geht.

Die nehmen wir also als Ministerpräsidentin?

Die nehmen wir. Im Kabinett ist die als Familientante ersetzbar, das beschwatze ich mit der Merkel, die wird da wenig sagen können, dagegen, meine ich. Unser Posten, unsere Entscheidung.

Siggi, die Merkel würde ich lieber gern selbst, ich meine, anrufen. Als Chef, muss. Nur müssen wir der dann irgendwie auch einen Ersatz verkaufen, wenigstens was Vorübergehendes bis Herbst.

Martin, das ist im Grunde ein Glücksfall, denn mal ehrlich, die Barley kann es doch nicht.

Gerade wollte ich es sagen.

Nee, schon gut, nee, ist klar. Wenn wir die rüberschieben, Frau, Familie, die sieht auch nicht schlecht aus, ist schon älter, seriös, dann haut das hin. Warte mal kurz, ich schreibe das mal auf. Okay.

Brauchen wir nur noch einen neuen General.

Muss ja nicht neu sein. Hauptsache, er kann das besser als die Barley. Mit der werde ich nicht warm, Siggi.

Was hälst du von Heil?

Deinen Hildesheimer Spezi? Ich bin nicht sicher. Hat der nicht letztes Mal richtig Bruch gebaut?

Martin, jeder Mensch verdient eine zweite Chance. Und Hubertus ist ein Beißer, der drückt, der kämpft. Eine Bulldogge, sage ich dir, ganz anders als die Barley, auch viel jünger. Und der strampelt ganz anders, weil er sich was ausrechnet.

Mir fällt jetzt ad hoc sowieso auch kein anderer ein. Stegner hatte ich kurz gedacht, dann wäre der aus Kiel weg. Aber im Grunde mag ich den nicht, der ist so platzeinnehmend in seiner Art. Auch größer als ich, das geht nicht, wenn ich irgendwo mit dem auftrete, das gefällt den Leuten nicht, wenn einer so rausragt.

Im Vertrauen, Martin, das geht mir ähnlich. Lass uns mal bei dem Hubertus bleiben, glaub mir, das ist ein Guter, der konnte das beim Walter damals nur nicht so zeigen. Der ist auch nicht so hochgewachsen, glaube ich. Jeder Mensch verdient eine zweite Chance, ich habe dir deine ja auch gegeben.

Und da bin ich immer noch dankbar, Siggi. Mensch, 62 Jahre alt und wieder zurück ins Glied in Brüssel? Wie hätte das denn im Lebenslauf ausgesehen? Ich kann doch noch was leisten, für Deutschland, für Europa, für alle Menschen, ich liebe, ich liebe doch alle, alle Menschen, na ich liebe doch, ich setze mich doch dafür ein. Weißt du doch.

Dann sind wir einig, Manu geht nach Schwerin, die Kati ins Ministerium und der Hubertus rückt als General nach?

Sind wir. Ich rufe jetzt die Merkeln an und teile das mit, danach die drei Genossen mit den Marschbefehlen. Siggi, du hast mir sehr geholfen. Lass uns mal wieder ein Weinchen trinken gehen zusammen, ich habe hier einen guten Vinho Verde Quinta do Barco, den mir die Uekermann von den Jusos mitgebracht hat. Soll ganz lecker sein, sagt sie. Da müssen wir dann ja auch mal schauen, wie wir die stärker einbinden.

Das machen, Martin, lass mich nur erstmal hier zu Ende machen. Bin ja nur noch am Fliegen, weißt du, Israel, USA, Hamburg. Kaum, dass ich mal die Kinder sehe. Aber ich melde mich und dann machen wir das. Bis dahin grüß mir die Inge, auch von der Anke.

Du auch, Siggi, Grüße an die Anke und an deine Mädchen, auch von der Inge. Wir sehen uns dann. Ich mache einen Termin zur Verkündung der Beschlüsse, wo wir dann noch mal Einigkeit demonstrieren können.

Das machen wir, Martin, wie immer. Wir sehen uns dann, gib durch wo und wann, ich bin da.


3 Kommentare:

Julie hat gesagt…

Nur so am Rande:

"Was hälst du von Heil?"

Muss richtig heißen: HÄLTST" Also mit 2x T
Kommt von HALTEN

ppq hat gesagt…

so sprechen die nicht

suedwestfunk hat gesagt…

Es wird alles immer scheußlicher. Jetzt leaken irgendwelche Rechten schon die privaten Telefonate der SPD-Spitze. Oder ist das etwa fake? Haben das gar nicht Martin Schulz und Sigmar Gabriel gesagt? Hat sich das ein Fascho aus den Fingern gesogen, um die Genossen an der Spitze zu verleumden? Da kommen einem viele Zweifel. Das einzig halbwegs Authentische: "Ich kann doch noch was leisten, für Deutschland, für Europa, für alle Menschen, ich liebe, ich liebe doch alle, alle Menschen, na ich liebe doch, ich setze mich doch dafür ein."
Zu mehr reicht's nicht. Was soll Einer davon halten?