Mittwoch, 21. Juni 2017

Europas eiserner Kern: Merkcron und der Hades-Plan

Der Traum von Europa, gestrandet, aber noch nicht auf dem Trockenen.

Die ersten Meldungen über den Hades-Plan wurden noch als kranke Fantasien kruder Ewiggestriger verlacht. Deutschland, das Europa unterjochen will! Diesmal mit der Geldkanone! Um es zu regieren! Unvorstellbar.


Und doch ist es wohl wahr, wie die renommierte Hamburger „Zeit“ jetzt mitteilt. „Als Emmanuel Macron das erste Mal nach seiner Wahl zum französischen Präsidenten nach Deutschland flog“, schreibt das Blatt – ein Satzanfang, der klar verrät, dass der französische Präsident inzwischen wirklich in Berlin sitzt.

Dort haben Männer wie Sigmar Gabriel und Frauen wie Angela Merkel große Pläne mit Frankreich, auch das macht der „Zeit“-Artikel klar. Nachdem alle Agenden verschüttgegangen und alle großen Lissabon- und so weiter Strategien folgenlos verpufft sind, will die deutsche Spitzenpolitik den französischen Hebel benutzen, um unter dem Deckmantel einer schnelleren und weiteren europäischen Integration tieferen Zugriff auf die Entscheidungsebenen der EU-Einzelstatten zu bekommen.

Geschütz Sprache


Die deutsche Sprache ist hier ein mächtiges Geschütz. Allein für die kerneuropäische Zusammenarbeit mit Frankreich, der sich, so erwartet Berlin zuverlässig, später alle anderen Ländern anschließen müssen, hat die Bundesworthülsenfabrik neue Begriffe wie „Verteidigungsfonds“, „EU-Staatsanwaltschaft“ und „EU-Finanzminister“ aus vorhandenem Altmaterial gestanzt. Macron, der rund ein Viertel der Franzosen von der Möglichkeit des Fortschritts überzeugt hat, gilt bei Merkel und Gabriel als willfähriges Werkzeug zur endgültigen Re-Integration des ehemaligen Frankenreiches. Nach Jahren im Krisenmodus, in der die EU aus Angst vor Wahlerfolgen europafeindlicher Rechtspopulisten im Stillstand verharrte, sind die Krisen immer noch da. Aber zugleich sind die, die das Krisenmanagement der Merkel, Sarkozy und Hollande kritisiert haben, durch den neuen Mann auf der französischen Bank erst einmal abgelenkt.

Zeit zum Handeln


Zeit zum Handeln. Das eröffnet Merkel eine neue Chance, den Hades-Plan umzusetzen. Überall dort, wo es unauffällig möglich ist, sollen Aufgaben und Zuständigkeiten von den Nationalstaaten weggenommen und auf die überstaatliche Ebene verlegt werden. Merkel nennt das eine “europäische Verteidigungsunion“, aber im Grunde entspricht es alten deutschen Träumen vom wehrhaften Kontinent, die schon Hitler träumte. 1934 sprach der damalige Kanzler von einem stählernen Staatenkern in der Mitte, bestehend aus Österreich, der Tschechoslowakei und Westpolen. Drumherum wären verschiedene Bündnisse aus formell alliierten – aber nicht gleichberechtigten – Blöcken gruppiert gewesen.

Das deckt sich mit den Wünschen des deutschen Verteidigungsministeriums unter der Strategin Ursula von der Leyen und der EU-Kommission, die künftige Rüstungsprojekte wie etwa eine europäische Drohne - im Moment mietet Deutschland Drohnen aus Israel - aus dem gemeinsamen Verteidigungsfonds bezahlen will, weil dann kein nationales Parlament mehr nach steigenden Kosten fragen kann. Schon im März einigten sich die Außen- und Verteidigungsminister der EU über die Schaffung eines europäischen Militärhauptquartiers in Brüssel, so dass der wichtigste Punkt – Symbolik – bereits erledigt ist. Die EU besitzt jetzt nicht mehr nur fünf Militärhauptquartiere, sondern sechs.


Im Zivilbereich geht es ebenfalls mit großen Schritten voran. Frankreich und Deutschland werden als nächstes einen "Zukunftsfonds" (®© Bundesworthülsenfabrik) für die Eurozone schaffen, der als übernationaler Sonderetat "Zukunftsinvestitionen" ohne große Nachfragen finanzieren, Nothilfe leisten und in der nächsten Finanzkrise Wirtschaftskrisen beseitigen wird.

Dahinter steckt die Idee, mit einem nicht von nationalen Parlamenten kontrollierten Eurozonenbudget mehr Geld mit weniger öffentlichen Diskussionen in Krisenländer wie Griechenland transferieren zu können. Organisatorisch würde der jeweilige Zuschussanteil aller Beitragsstaaten in Friedenszeiten völlig ohne Aufsehen abfließen. Im Krisenfall wäre dann der - von keinem Wähler gewählte -Vorsitzende der Eurogruppe die Person, die als EU-Finanzminister mit der Geldgießkanne durch Europa fährt. Nach demselben Muster wurden in der Finanzkrise die sogenannten "Rettungsfonds" gegründet, die in den EU-Verträgen nicht vorgesehen waren.

Auch eine EU-Staatsanwaltschaft ist in Planung. Sie könnte sogenannte grenzüberschreitende "Finanzverbrechen" (®© Bundesworthülsenfabrik) anklagen, bei denen sich die nationalen Strafverfolgungsbehörden seit Jahrzehnten nicht einigen können, wer zuständig ist. Zum Start fehlen allerdings noch widerspenstige, europafeindliche, auf nationalen Egoismen beharrende Länder wie Ungarn, Italien und die Niederlande. Die EU-Kommissarin für Justiz Věra Jourová sagte, dies sei ein exzellentes Beispiel, wie im Europa der Zukunft diejenigen, die mehr tun wollten, vorangehen könnten. Sie bezog sich vor allem auf Deutschland und Frankreich.

Gleichheit wird optimiert


Der wichtigste Schritt aber wird zweifellos die gemeinsame europäische Wahlliste, die endlich mit der unguten Tradition Schluss macht, dass europäische Wählerstimmen je nach Land unterschiedliches Gewicht haben. So ist die Stimme eines slowakischen Wählers beispielsweise neun Mal so viel wert wie die eines deutschen Wählers. Damit hatten die Väter der EU beitrittswilligen Staaten vor deren Beitritt  zum Deutschen Reich zur EU die Sorge nehmen wollen, dass deren Interessen eines Tages keine ausreichende parlamentarische Vertretung mehr haben könnten.

Dieser Tag ist nun gekommen. Nach einer Änderung der EU-Verträge entstünde eine Europäische Wahlliste, deren Kandidaten von allen EU-Bürgern gewählt werden könnten - als Test ersteinmal für die 73 Parlamentssitze, die durch den britischen Austritt wegfallen. Eigentlich könnten mit dem Abschied der Briten auch diese Sitze eingespart werden. Doch mit der Wahl über eine EU-Liste könnte Deutschland als Mitgliedsstaat mit den meisten Wählern hier ganz demokratisch seine dominante Position in der EU ausbauen. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass eine so einschneidende Veränderung des Wahlrechts erst nach den Europawahlen im Jahr 2019 beschlossen wird.

2 Kommentare:

Cordt hat gesagt…

Stelle mir eine Vergabe der Sitze der Abtrünnigen (perfides Albion) durch eine Art Bundesversammlung vor. Mündige Bürger finden sich zusammen und geeignete Kandidaten. Das verhindert, daß die emotional ungefestigte und politisch unerfahrene Plebs den Wahlvorgang nicht behindert.

Die Anmerkung hat gesagt…

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