Dienstag, 10. Oktober 2017

Katalonien: Europa wird noch bunter

Boomende Region: Katalonien könnte jüngstes EU-Mitglied werden.
"Unabhängig", wie stolz das klingt! Wie zuletzt der Kosovo steht nun auch Katalonien vor einer Abtrennung vom Mutterland. Ein großer Moment für Europa, das damit wieder ein Stück vielfältiger und bunter wird. Beobachter erwarten, dass der katalonische Regionalpräsident Carles Puigdemont nach seiner mit Spannung erwarteten Rede im Parlament Briefe an alle Staatsführer der Welt schreiben wird, um jeweils individuell um Anerkennung Kataloniens als neuer Staat zu bitten.

Als 2008 in Europas Osten ein neuer Staat geboren wurde, ging diese Strategie auf. Das kosovarische Parlament in Pristina erklärte einseitig und ohne verfassungsmäßige Grundlage die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien. Mit dem Satz "von heute an ist Kosovo stolz, unabhängig und frei", stellte Ministerpräsident Hashim Thaci vor den Abgeordneten klar, dass eine Unabhängigkeitserklärung heute wie 1776 eine einseitige Angelegenheit ist: Auch wenn Serbien darauf beharre, dass Kosovo unveräußerlicher Bestandteil Serbien sei, werde die neue Republik ihren Weg gehen. Kurz nach der Unabhängigkeitserklärung wurde im Parlament die neue Flagge des Landes enthüllt. Auf dunkelblauem Grund sind in gelber Linienführung die Umrisse des Landes zu sehen. Zusätzlich zeigt die Flagge sechs Sterne.

Die Flaggen unterscheiden sich, doch neun Jahre nach dem Kosovo könnte Katalonien den Balkanstaat als jüngste Republik der Welt ablösen. Voraussetzung wäre, dass die USA auch diesmal nicht lange zögern und die abgespaltene Republik unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung anerkennen. Die europäischen Partner würden dann binnen weniger Stunden folgen. Formell wird die Anerkennung der Republik Katalonien durch ein Schreiben von Bundespräsident Walter Steinmeier an seinen katalonischen Amtskollegen ausgesprochen. Diese Note würde unverzüglich nach Barcelona übermittelt. Zugleich wird der früheren spanischen Provinz die Aufnahme diplomatischer Beziehungen angeboten werden.

Der amtierende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) würde die in Katalonien verkündete Unabhängigkeit als das Ende eines langen und schwierigen Zerfallsprozesses des ehemaligen Franco-Staates Spanien bezeichnet. In den vergangenen 200 Jahren hatten sich bereits Peru, Venezuela, Marokko, Mexiko, Kuba und zahlreiche weitere frühere Provinzen vom Mutterland losgesagt. Deutschland war stets dem Beispiel der USA, Frankreichs, Großbritanniens und anderer Staaten gefolgt und hatte die neuen unabhängigen Staaten anerkannt.

In Madrid stößt die Ausrufung einer Republik Katalonien dennoch weiter auf Ablehnung. Präsident Rajoy erklärte, sein Land werde ein selbständiges Katalonien nicht akzeptieren. Diese gesichtswahrende Taktik gilt als Standard in ähnlichen Fällen, verhindert in der Regel aber keineswegs eine andauernde Veränderung des Status Quo. Wie Kosovo würde Katalonien einen Kurs auf einen eigenständige Aufnahme in den Kreis der EU-Länder steuern, der Euro gilt in der Region, die historisch bis über die französische Grenze reicht, bereits als Zahlungsmittel.

Der katalonische Separatisten-Führer Santiago Callijo aus Vielha jedenfalls sieht im Moment der Abspaltung einen befreienden Augenblick, von dem aus sich eine "klare europäische Perspektive" eröffnen werde.

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3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wo Killerwanze recht hat, hat er: Es geht uns zunächst einen feuchten Schmutz an. Aber auch die achtenswerten, wenn auch in Fragen der Tötung durch Zyanide im verzeihenswerten Irrtum befindlichen Mitschaffenden der Ketzerbriefe liegen nicht falsch, wenn sie postulieren, daß (Pseudo-)Staaten außerhalb des Imperiums gar nicht klein genug sein können.
Wer es fassen kann, der fasse es (Matze 7.14)

Anonym hat gesagt…

Glaube, Katalonien kann auf die EU verzichten.

Gernot hat gesagt…

Offenbar geht es den Separatisten nicht um Schaffung eines Volksstaates, dessen Größe ja unwichtig wäre, sondern, wie im Falle Schottlands, um noch mehr Zuwanderung und Volksveränderung.