Freitag, 24. November 2017

Jamaika-Blues: Die Niederlage der Nation

Der ewigen Kanzlerin schwinden die Machtoptionen, die führenden Politikbegleiter sind in großer Sorge um den Fortbestand des Gemeinwesens. Politikwissenschaftler Holtmann sieht Volksparteien aber nicht am Ende. Zeitgleich äußern die besten kräfte der deutschen Demokratie populistische Elitenverachtung und nach AfD und SPD hat sich nun auch noch die FDP aus dem Kreis der gestaltungswilligen Parteien verabschiedet. Jamaika-Blues bei "Spiegel", "Stern" und "SZ", Tränen der Trauer und Tränen der Wut bei FR, Taz und Welt. Es riecht nach Weimar, heißt es, wenn auch nur leicht.

Über die Ergebnisse der Bundestagswahl und der nachfolgenden lähmenden Sondierungsgespräche um eine imaginäre Koalition aus Feuer, Wasser und Posaunen sprach PPQ mit renommierten Politpsychologen Hans Achtelbuscher vom An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung.

Die Partner der Großen Koalition haben sehr unterschiedlich auf die Wahlergebnisse reagiert. Warum wollen die Sozialdemokraten auf keinen Fall regieren, die CDU aber um jeden Preis?

Achtelbuscher: Das bestätigt frühere Erfahrungen, nach denen Partner einer Großen Koalition Federn lassen, danach aber auf unterschiedliche Weise mit dem luftigeren Federkleid umgehen. Die Union hat vom Amtsbonus der Kanzlerin profitiert, zugleich aber unter dem Namen Merkel gelitten. Dagegen war die SPD an Martin Schulz gefesselt, den die Wähler nach dem Abflauen des künstlich erzeugten Hypes für eine Art Taschenbuchausgabe von Frau Merkel hielten. Die SPD konnte die Pferde nicht wechseln, weil die gesamte Machtbalance dann auseinandergefallen wäre, ebenso geht es der CDU. Letztlich war der Handlungskorridor beider Parteien so auf ein mehr vom weiter so festgelegt.

Hätte aber dann nicht eine Neuauflage der GroKo folgen müssen?

Achtelbuscher: Schlimmer für beide wäre das auch nicht gewesen. Nein, das Problem liegt darin, dass SPD iwe CDU sich immer noch für Volksparteien halten, die aber sind ein historisches Relikt, denn Milieus und Lager werden brüchiger und die Wähler glauben nicht mehr einfach so, was ihnen durch Medien vorgesetzt werden, die - wie im Fall von ARD und ZDF - direkt unter der Kuratel der Parteien stehen. Der Wert der Volksparteien misst sich aber nicht am eigenen Glauben daran, man sei eine. Sondern am Vermögen, heterogene Interessen unterschiedlicher Bevölkerungsschichten zu bündeln. Die GroKo-Parteien sprachen ja zuletzt wirklich nur noch ein relativ fest umrissenes Klientel an. Die, die in den letzten Jahren profitiert hatten.

Stehen nun nach dem Ende der Jamaika-Spekulation also irgendwann interne Machtkämpfe um die kommende Richtung bevor?

Achtelbuscher: Das ist eine Frage des Krisenmanagement. SPD wie CDU wissen, dass die Krise nur noch tiefer wird, wenn die in den Tiefen der Parteikörper brodelnden Energien nach außen ausbrechen. Deshalb halten Schulz und Merkel ja auch noch durch beziehungsweise dulden ihre Gegenkräfte deren Versuche, von der Spitze aus einen Neuanfang zu organisieren. Aus der Geschichte wissen wir, dass das noch nie gelungen ist, aber nach den vielen Jahren, in denen die beiden Parteien von relativen kleinen, fest miteinander verbundenen Gruppen geführt wurden, herrscht dort wohl der Glaube, dass es diesmal anders sein könne. Allerdings könnte schon beim Parteitag im Dezember alles ins Wanken kommen, weil die Basis der SPD eine Figur wie die alteingesessene Andrea Nahles als fragwürdige Anführerin beim angeblichen Marsch in ein neues Zeitalter empfindet. Klar ist: je später der Umbruch kommt, desto geschwächter wird die Partei sein, die ihn dann ertragen muss.

Und was erwarten Sie für eine Regierungsbildung?

Achtelbuscher: Das wird kein Selbstläufer. Aber ein einigermaßen gut geführtes Land kann auch mal sieben, acht oder auch zwölf Monate ohne Regierung aushalten. Eigentlich regiert in Deutschland ja nun auch schon seit Juni niemand mehr. Und man merkt es im Alltag kaum.

Viele sagen, die Situation sei jetzt so spannend wie lange nicht, die Menschen gingen wieder zur Wahl, es interessierten sich viele für Politik?

Achtelbuscher: Das ist auch ein Spiegel der Schmusezeiten, die wir unter Union und SPD erlebt haben. Die CDU hat sich ja zu einer sozialdemokratischen Partei gewandelt, die Sozialdemokraten haben den Pragmatismus von notwendigen Rüstungsexporten und freundlichen Gesprächen mit Diktatoren entdeckt. Das verschleißt einerseits die Demokratie, andererseits ist so eine Art Führung des Landes durch reines Management für die Wirtschaft ein Segen. Vielleicht sollte man es probehalber mal zwei Jahre so weiterlaufen lassen. Dann wüssten wir, wie nachhaltig das ist. Und dann könnte man entscheiden, ob es sich wirklich lohnt, jedes Jahr mehr als 300 Millionen für eine Regierung auszugeben, wenn man für dieselbe Summe auch 100.000 neue, kostenlose Kindergartenplätze schaffen könnte.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hört ihr jetzt auch ständig von 'staatspolitischer Verantwortung' faseln, wegen der jetzt doch noch irgendwer mit irgendwem außer der AfD koalieren müsse?
Wer hat denn diesen Leerbegriff, auch Worthülse genannt, plötzlich in die Runde geworfen? So als wäre 'staatspolitische Verantwortung' ein Grund, einen faulen Arschwisch von Koalitionsfvertrag zu unterschreiben, wo es doch der beste Grund dafür war, das nicht zu tun?

Anonym hat gesagt…

Sogenannte Demokratie ist für die wahren Herren (die nicht dieselben sind, wie klein Fritzchen wähnt, also, die eigentlichen Herren, wie die irren Verschwörungstheoretiker D'Israeli und Rathenau schon gesagt bzw. angedeutet haben)schlicht und einfach ökonomischer, als nackte orientalische Despotie.
Jetzt haben wir einen Huf in der Tür, jetzt werden wie sie "jagen"!
Zugegeben, ick habe ihnen jewählt. Wat schast maken, außer preppen.