Mittwoch, 8. August 2018

Fake News: Manipulieren für Anfänger

Wenn du deinen Feind widerlegen willst, starte am besten mit einer falschen Behauptung, die du ihm in den Mund legst. Dass diese alte Lehre der Demagogie sich auch beim Widerlegen von Fakten verwenden lässt, führt Spiegel-Kolumnist Christian Stöcker in seinem Text "Das Geheimnis der schreienden Zwerge" ebenso fingerfertig wie beispielhaft vor.

Die Grundthese des studierten Psychologen behauptet, eine lautstarke Minderheit dominiere den politischen Diskurs in Deutschland, so dass der an den wahren Interessen der meisten Bürger vorbeigehe. Davon profitiere nur die AfD, der das Thema "Flüchtlinge" quasi exklusiv "gehöre". Ein Thema das, so Stöcker, eigentlich völlig unbedeutend sei, durch das Konzept des "issue ownership" - für schon länger hier Lebende: Themenbesitz - aber als wichtig erscheine. Weil es in den Medien häufig vorkomme, glaubten Bürger, die sich nicht dafür interessieren, sie müssten daran interessiert sein. Und durch die enge Bindung von Thema und Partei rutschten sie damit sozusagen automatisch in den Kreis der Menschen, die gefährdet sind, die AfD gut zu finden.

Lehrstück politischer Manipulation


Ein Lehrstück politischer Manipulation, ausgerechnet ausgeführt am Thema politische Manipulation. Geschickt operiert Stöcker mit falschen Fragen - nicht ob es so ist interessiert ihn, sondern "warum ist das eigentlich so?" Die Antwort ist dann nicht nur für Horst seehofer interessant, wie er verspricht, sondern im Grunde für jeden, der gelegentlich gezwungen ist, Menschen vom Gegenteil dessen zu überzeugen, was die Faktenlage als Wahrheit oder Wirklichkeit zu bezeichnen scheint.

Christian Stöcker zeigt, wie man das am besten macht. Erstmal viel Wortwind, Politologen und Forscher marschieren auf, die Behauptung, Parteien profitierten davon, dass "ihre" Themen häufig auf der Agenda stünden, also in der medialen und heute natürlich auch der sozial-medialen Debatte häufig vorkommen, wird aufgemacht und zwar nicht bewiesen, aber sie steht dann gut da als ausgangspunkt für eine nächste Runde durch die Hirnwelten eines Experten, der den sozialen Medien zutraut, dass in ihnen "Zwerge unbedarfte Beobachter davon überzeugen" könnten, sie seien Riesen.

Seltsamerweise stammen die Belege, die er anschließend für seine als bewiesen bezeichnete Behauptung anführt, dass die vermehrte Behandlung von AfD-Themen zu vermehrte Erfolgen der AfD führen, nicht aus Deutschland, sondern aus Dänemark. Dort sei es so gewesen, dass bürgerliche und rechte Parteien gewannen, wenn Themen wie Wirtschaft, Einwanderung und Kriminalität häufig diskutiert wurden. Linke Parteien dagegen legten zu, wenn Arbeitslosigkeit oder Umweltschutz medial im Vordergrund standen.

Keine Fakten, aber viel Meinung


Ähnliche Zusammenhänge gebe es nun eben in Deutschland zwischen dem Thema Migration und den Parteien, die Stöcker "Anti-Migranten-Parteien" nennt. Zahlen, Fakten oder Studien dazu hat er nicht, der Zusammenhang ist gefühlt, denn stimmte er, hätten die Grünen mit ihren aktuellen Umfragezahlen ein Wunder vollbracht. Aber um Realität geht es hier auch nicht, sondern um den Versuch, aus einer normalen gesellschaftlichen Rückkopplung - Menschen haben ein Problem, Parteien ignorieren das Problem, eine neue Partei entsteht (oder eine alte nimmt sich seiner aus strategischen oder taktischen Gründen an) und die Themenpartei wird sodann von den Menschen mit Problem gewählt - eine Verschwörungstheorie zu basteln.

In der ist weder das Problem schuld an plötzlichen Verwerfungen in der bis dahin wie festgemauert stehenden Parteienlandschaft noch sind es die Parteien, die lieber eine sichere Nische im Festgemauert besetzen als aus ihrer Sicht fragwürdigen Wünschen eines Teils der Wähler nachzukommen. Nein, es sind die Medien, die "mit Talkshoweinladungen, exzessiver Berichterstattung über einzelne Straftaten und so weiter" (Stöcker) ein Problem überbetonen und den Menschen damit suggerieren, sie müssten die Partei gut finden, die verspricht, sich dessen anzunehmen.

Bei Stöcker ist kein Mensch ist mehr Herr seiner Sinne, jeder ist manipuliert, unfähig, ein eigenes Urteil zu fällen. Nicht die dreijährige Lähmung der Bundespolitik bei Entscheidungen zum Umgang mit dem "Zustrom" (Angela Merkel) liefert aus seiner Sicht den Treibstoff für einen Umfrage-Höhenflug der Afd, den sich diese Partei beileibe nicht durch klare Positionen, ein sympathsiches Personalund die glaubhafte Formulierung von Handlungsalternativen verdient hat. Aus Stöckers sich sind es vielmehr Horst Seehofers späte und in der Figur eines "stolpernden, ahnungslosen Stümpers" vorgetragene Versuche eines Richtugnswechsels, die der AfD in die Hände spielen.

Der Spiegel ruft laut blau


Die Hoffnung, die den Autor treibt, findet sich ganz Ende, als er klassisches Experiment aus der Sozialpsychologie beschreibt, in dem es um den Einfluss von Minderheiten auf die Meinungsbildung einer Mehrheit geht. Dabei sehen die Versuchspersonen eine Reihe von Dias in unterschiedlichen Blautönen, bei jedem sollen sie laut die Farbe nennen. Setzte der Leiter der Versuchsanordnung in einer Gruppe Personen, die statt blau immer "grün" sagten, schlossen sich dieser Falschbehauptung zuweilen einige der Versuchspersonen an und nannten die blauen Dias ebenfalls "grün".

Diese Strategie verfolgt auch Christian Stöcker, wie ein Blick auf die Verlaufskurven der AfD-Themen in der Google-Trends-Grafik zeigt: Den behaupteten Zusammenhang gibt es gar nicht.

4 Kommentare:

Florida Ralf hat gesagt…

ich beobachte die evo seines haltungsjournalismus mit einer mischung aus grossem interesse und grosser abscheu. nach allem was uns hans-joachim kuhlenkampff gelehrt hat kann stoecker kein nassrasierer sein.

ppq hat gesagt…

die kommen alle aus einer zeit nach ähm, friedrichs ;-)

Florida Ralf hat gesagt…

ich kenne friedrichs. netter kerl. war trotzdem kuhlenkampff, der sagte, er koenne keine wahlwerbung machen, weil er als nassrasierer zu oft in den spiegel schauen muesse. vom look her geht stoecker zum barbier. ;]

ppq hat gesagt…

den kannte ich nicht. klingt gut