Mittwoch, 30. April 2008

Gruselkarte der Fußball-Grausamkeiten

Dazu braucht es Fußball-Sachverstand, investigatives Talent und eine große Portion Heimatliebe: Die Hamburger Illustrierte "Spiegel" schreibt unter ihrer neuen Führung weiter entschlossen Sportgeschichte. Nach beinharten Enthüllungen über den Fußball im nur fadenscheinig demokratisierten Osten des Vaterlandes schiebt das Sturmgeschütz der Demokratie jetzt für seine an lange Texte nicht mehr gewohnten Leser eine Gruselkarte der ostdeutschen Fußball-Grausamkeiten nach.

Aus sicherer Entfernung wird Deutschland dazu entschlossen an der ehemaligen Bundesgrenze geteilt. Mit modernster Flash-Technik markiert die Starreporterriege sodann die Brennpunkte von Fußballgewalt und rechtsradikalem Fangesocks: 1. FC Magdeburg, Hallescher FC, Lok Leipzig, Chemnitzer FC, Energie Cottbus, Dynamo Dresden und Union Berlin. Ostdeutsche Städte, die nicht berücksichtigt wurden, werden auf Wunsch sicherlich gern nachgetragen.

Fußballfreunde im früheren "Spiegel"-Zustellgebiet links der Elbe haben Pech. Sie werden nicht berühmt. Kein Platz ist auf der Karte für die Fans des FC Bayern München, die im vergangenen Jahr auf einer Raststätte bei Würzburg einen Bus voller Anhänger des 1. FC Nürnberg überfielen und einer Frau ein Auge ausschlugen. Kein Platz auch für die Anhänger von München 1860, die im Dezember 2007 unter dem Gejohle von 80 Sympathisanten drei Fans des FC Bayern brutal zusammenschlugen und wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung vor Gericht landeten.

Nicht qualifizieren konnten sich außerdem die Fans der Sechziger, die am selben Tag Rauchbomben zündeten, Polizisten verprügelten, den Hitlergruß zeigten und deshalb wegen Beleidigung, Tragens von verfassungsfeindlichen Abzeichen und versuchter Gefangenenbefreiung angeklagt wurden.

Das liegt aber nicht an Bayern. Denn auch Bremen hat alles unternommen, um von Hamburg aus gesehen zu werden. Erst versuchten es Nazihooligans mit einem Überfall auf die Ultragruppierung „Racaille Verte“ im Ostkurvensaal des Weserstadions, dann zeigten Teile der Hooligangruppen „Standarte Bremen“ und „City Warriors“ immer wieder Flagge bei den "Freien Nationalisten Bremen". Doch auch die Teilnahme von Bremer Hooligans bei Neonaziaufmärschen und -veranstaltungen in ganz Deutschland und ihr Engagement bei der Jagd auf vermeintliche Linke fand bei Augsteins Erben nicht die gebührende Anerkennung.

Damit sind die Nazis aus dem Norden aber in guter Gesellschaft. Wenn Bochumer Hooligans Hannover-96-Fans blutig prügeln, Fans vom Rhein sich beim Amateurduell Köln-Leverkusen die Köpfe einschlagen oder Anhänger des Provinzklubs aus Ahlener Fans der Mannschaft aus Essen zusammentreten - der "Spiegel" mag Gewalt im Grunde genommen nur, wenn sie im Osten spielt, er hört Nazi-Parolen ausschließlich, wenn er nicht selbst dabei war und weiß im übrigen, was das Publikum daheim im Westen am besten amüsiert: Ein Blick in den Urwald der "unteren Ligen" (Spiegel), wo die Gewalt auf den Rängen regiert. Und nicht wie im Redaktionsgebäude an der Alster die dreiste, in Vorurteilen getränkte, bornierte Einäugigkeit.

3 Kommentare:

  1. Schon aufgefallen, dass die Karte ein paar Jahre auf dem Buckel hat (Lok Leipzig spielt derzeit 5. und nicht 7. Liga)?

    Gegen den schlechten journalistischen Stil des Spiegels wettern und gleichzeitig einige journalistischen Basics vermissen lassen. Schade, schade.

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  2. http://arno.60.vox.com/

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  3. Man, really want to know how can you be that smart, lol...great read, thanks.

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