Donnerstag, 31. Juli 2008

Zensur nach Landessitte

Entsetzliche Kunde kommt aus dem vorolympischen China: Die sozialistische Staatsmacht tut tatsächlich, was mindestens zwei Dutzend Teilnehmerländer an den Olympischen Spielen auch tun: Sie zensiert das Internet. Bestimmte, nicht näher genannte staatskritische Seiten werden Surfern in China nicht angezeigt, selbst wenn sie deutsche Journalisten sind. Weil ihre Darstellung gegen Landesrecht verstoße, wie ein Beamter erklärt.

Man muss sich das dann wohl so vorstellen wie in Deutschland, wo eine ungenannte Zahl von Internet-Seiten nicht oder nur mit einem Trick erreichbar ist. Auch Google.de, die deutsche Dependance der größten Suchmaschine der Welt, zensiert Suchergebnisse nach Landesssitte, allerdings nach deutscher, nicht nach chinesischer: Gibt der Surfer etwa rotten.com ein, findet Google.de zuerst den Wikipedia-Eintrag zur Seite, die Seite selbst aber nicht. Obwohl sie - Google.com ist Zeuge - natürlich existiert. Ähnlich verhält es sich bei Suchbegriffen wie etwa "body modification", "Adolf Hitler" oder "3. Reich" - wie in China sind Seiten, die nicht gefunden werden sollen, nicht im deutschen Suchindex enthalten.

Und wie in China sind sie natürlich dennoch da. Weil Internetnutzer im Reich der Mitte so zwar arm dran, aber deshalb ja nicht dumm sind, benutzen sie bei Ausflügen auf Seiten, die sie nicht sehen sollen (die meisten davon sind übrigens keineswegs politisch, sondern Pornoseiten) Proxyserver wie browseatwork.com oder gar das noch raffinierter arbeitende Pici-Network.

Journalisten, die jetzt aufstöhnen, als brächen sie überhaupt nur zu Olympia auf, um in zahllosen investigativen Internetrecherchen aus Peking die Menschenwürde zu verteidigen, könnten das wissen. Wollen sie aber nicht, weil die schöne Geschichte vom bösen Chinesen und dem puddingweichen IOC dann keine mehr wäre.

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