Samstag, 1. November 2008

Thomas gegen den Rest der Welt

Ja, natürlich. Thomas Neubert, als Fußballspieler in Diensten des Regionalligisten Hallescher FC, ist in Wirklichkeit der Popstar Marius Müller-Westernhagen in seiner besten Rolle als tragischer Held Theo Gromberg. Wie damals der heringsdünne Mime als "Theo gegen den Rest der Welt" kämpfte, so kämpft Thomas Neubert, in der vergangenen Saison dank seiner unnachahmlich herausgestolperten Tore noch Glaubensstifter für den Anhang des halleschen Traditionsklubs, seit zwölf Wochen um einen, einen einzigen, wenigstens einen kleinen Treffer.

Auch gegen den Tabellenzweiten Kiel aber bleibt alles Rackern, Laufen und mit langem Bein nach dem vorbeirollenden Ball kackeln vergebens. Thomas Neubert, nach der Bibel bereits "Ungläubiger Thomas" genannt, weil er mittlerweile jedermann davon überzeugt hat, dass es keinen Sinn hat, daran zu glauben, dass er noch jemals ins Tor trifft, müht sich. Und alle Mühe ist vergebens.

Wie immer ohne Stürmertor, poliert der HFC in 90 Minuten gegen Kiel notgedrungen die beinahe makellose Heimbilanz: Einmal hat die Elf von Trainer Sven Köhler seit Mitte Mai zu Hause gesiegt, und das war gegen den seinerzeitigen Tabellenletzten Cottbus II. Seit April gelang es nicht mehr, in einem Punktspiel vor eigenem Publikum mehr als zwei Tore zu schießen. Stattdessen hat sich die Truppe des Aufsteigers angewöhnt, auswärts zu siegen. Und im eigenen, schwer baufälligen Stadion remis zu spielen, am liebsten 1:1.

Thomas "Theo" Neubert tut auch gegen Kiel, was er nicht kann. Der arme Mann steht allein gegen vier Abwehrspieler. Eingeschriebene Mitglieder der Neubert-Kirche sagen, er binde damit gleich vier Mann. In die Lücke könnte der vor der Saison als hängende Spitze eingekaufte Alt-Star Ronny Hebestreit spritzen. Doch der schafft es, im Ernstfall schlagartig unsichtbar zu werden. So deutet sich rechtzeitig an, wie der Tag enden wird: In der ersten Minute versiebt Neubert per Kopf, danach schießt Kiel häufiger zwar aufs Tor, Halle aber überrascht mit einer eigenen Führung nach einem Freistoß an der Eckfahne (50.) und die Tribüne zweifelt kurz daran, im richtigen Stadion zu sein.

Das aber nur drei Minuten, in denen ausgiebig diskutiert werden konnte, dass diese Führung eindeutig zu früh kam. Eine bestechende Analyse, denn umgehend hält Kevin Kittler einen Kieler einen Moment zu lange, der ansonsten mit dem Sortieren seiner gelben Karten beschäftigte Bundesligaschiedsrichter Michael Kempter schaut ausnahmsweise mal hin und erkennt sofort die Möglichkeit, das Spiel mit einem Strafstoß noch einmal spannend zu machen. Die Gelbe Karte für Kittler gibts natürlich obendrauf.

Nach dem Ausgleich spielt nur noch der HFC, allerdings wie immer nur bis zur Mittellinie. Kunze, zuletzt bei Köhler in Ungnade gefallen, kommt für Pavel David, jemand auf der Tribüne ruft "Ihr wollt woh´ dadaheeme nich mehr jewinnen?". Weil nach der Auswechslung von Rene Stark mit Christian Kamalla nur noch ein Original-Hallenser auf dem Platz steht, versteht das aber niemand und die Antwort bleibt aus.

Wie auch Thomas Neuberts großes Comeback als Torgott. Bis zur 80. darf der große Blonde mit den beiden linken Schuhen noch unnachahmlich vor sich hinwirbeln. Einmal reißt er ein Loch, allerdings nur in den Rasen. Aber an ihm allein liegt es ja nicht. Die Flanken, die nicht kommen, kann auch der größte Wille nicht ins Tor treten. Der Zorn der Fans, die ihre Mannschaft wegen deren beharrlich behaupteten dritten Tabellenplatz schon für ein Spitzenteam halten, haben in Neubert ein williges Opfer gefunden: Spärlicher Applaus und laute Flüche begleiten seine Auswechslung. Neubert aber wird wiederkommen, denn so ist er schon damals auf der Jagd nach seinem Truck am besten gewesen: Ein Mann allein, ein einziger Thomas gegen den Rest der Welt.

2 Kommentare:

Eisenschwein hat gesagt…

und fast wäre ich ins stadion gegangen ... ich denke aber mittlerweile, dass deine beiträge das unterhaltsamste am spiel des hfc sind.

Sockenpuppe hat gesagt…

ja, aber es macht auch spass, ins stadion zu gehen und dann zu spekulieren, was denn wohl im mittelpunkt des abendlichen beitrags stehen wird, na und der körperklaus da bot sich voll an.
jedoch hätte vielleicht etwas anderes diesmal das interesse unseres autoren wesentlich mehr berührt, wenn er sich feindseitig (kochstrasse) der szenerie genähert hätte, gut, ich gebe zu bei mir wars eher zufällig und das erste mal und nur möglich, weil nur 40 kieler und nicht 400 angereist waren.
ich schlängelte mich durch drei(!) sperren der ordnungskräfte jeweils aus vier oder fünf längs hintereinander geparkten bussen gebildet in jeweiliger verlängerung der toraus- bzw. mittellinie(n) alle drei waren mit entsprechendem personal besetzt diese und ringsrum busse genug um jeweils ca. 1,5 kieler pro bus zum bahnhof zu fahren, aber nein sie mußten laufen im blinkenden schein des blauen lichts und mein rückweg wurde erst geöffnet, als der letzte störchefan schon den bahnhof am horizont erblicken konnte.
hübsch und am anfang des videos gut zu sehen, dass auch im stadion jeder kieler seinen ordner hatte
hübsch auch zu sehen, wie die ordnerpenner vom pokalspiel stolz wie bolle, behängt mit allerlei nachrichtentechniktand durchs rund flanierten.