Donnerstag, 22. April 2010

Kacheln auf allen Kanälen

Fünf Jahre hat er im Stillen gekachelt, fünf Jahre hat er entworfen, gemalt, Kleber gerührt. Er musste sich verstecken, er ist gejagt worden und musste sich die Nacht zum Verbündeten nehmen, um seinen großen Plan zu realisieren, den Verfall Saalemetropole Halle mit Hilfe einer Vielzahl von liebevoll gestalteten Fliesen aufzuhalten.

Die Hoffnung des Mannes, den seine Fans liebevoll Kachel Gott nennen, war stets, die Unesco aufzurütteln, auf dass sie der selbsternannten Kulturhauptstadt Halle auch offiziell den Titel Unesco-Welterbestätte verleihe. Eine nur angemessene Ehrung für die einzige vollverkachelte Stadt der Welt. Obwohl der Gegenwind für das gigantische Vorhaben immer stärker wurde, weil Behörden und Fliesenfeinde, aber auch engstirnige Sammler begannen, Kacheln von den Wänden zu meißeln und sogar ganze Häuser abzureißen, nur um die Verkachelung zu sabottieren, machte der Kachelmann von Halle unverdrossen weiter.

Und endlich folgte auch ein wenig öffentliche Anerkennung in den Massenmedien: Das Heimwerkermagazin "Bild" machte den Anfang, der Heimatfliesenfunk MDR folgte, der Kachelkulturkanal arte eilte herbei, um es der ganzen Welt zu erzählen. Kacheln auf allen Kanälen, kopfschüttelnde, ignorante Hallenser davor: Nie zuvor gesehen haben wollen die meisten die begeisternden Blickfänge an den Fassaden. "Man weiß nicht, was das soll", sagt eine Galeriebesucherin dem Kamerateam von "Dabei ab Zwei", "ich verstehe die Botschaft nicht", kritisiert eine andere. Sie wünsche sich die Fliesen sehr viel größer, außerdem wären Erklärungen des Kachelkünstlers angebracht.

Kunst solle wohl nach Ansicht dieser Leute ein wie ein SED-Mai-Transparent, so ärgern sich Fliesenfreunde, die seit Jahren ehrenamtlich und ohne auf den eigenen Geschmack zu achten viel Zeit aufwenden, um das erste und bislang einzige offizielle Kachelverzeichnis im Internet zu pflegen. Dank der beim großen Partner Google gespeicherten GPS-Daten zu jeder einzelnen Fliese können hier mit Hilfe von Google Maps spezielle Fliesenführungen durch die ehrwürdige Saalestadt geplant werden, die Route gibt dabei das Handy automatisch vor. Stationen sind dabei auch die Orte, an denen langgediente Kacheleologen still werden vor Zorn: Orte, an denen einst Kacheln klebten, die nun aber, wo endlich eine ganze Stadt, ja, ein ganzes Land hinschaut, nur noch Leerstellen sind, deren frühere Pracht sich allein online noch betrachten lässt.

Eigene Sichtungen können jederzeit direkt an die die 24-Stunden-Kachel-Hotline gemeldet werden. Jeder Fund wird von uns auf Wunsch vertraulich behandelt und mit einem nachgemalten Kunstdruck der inzwischen von Kachel-Gegnern feige vernichteten Ur-Fliese prämiert.

7 Kommentare:

  1. "alle suchen den Kachelmann ... "

    Uiuiuiuiui, sehr gefährlich !

    Wenn dann bald zum "Aufstand der Kachelsucher" aufgerufen wird, ist es nicht weit, bis Beugehaft, intensive Suche ("Könnten Sie bitte einmal auch den Hobbyraum aufschließen") und flächendeckende DNS-Tests durchgeführt werden.

    Dahinter stecken bestimmte die Bilderberger !

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  2. ja, das ist die kehrseite der kachelkunst. engstirnige provinzler, die wissen wollen, wo das nichtwissen werte schafft

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  3. Fliesenleger gegen Bilderberger - der Ausgang dieses Kulturkampfes wird bestimmt spannend!

    Mein Wunsch am heutigen EarthDay: Einmal mit einem Flugzeug rund um die Erde fliesen!

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  4. earthday? heute? echt? ich dachte, ich hätte irgendwo girls day gelesen. fällt das auf einen tag?

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  5. guggsdubei karl-eduard:
    http://bit.ly/b99RhB

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  6. das haben wir doch glatt verpasst

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  7. Während Bild noch auf PPQ verwiesen hat, tun die Qualitätsjournalisten vom MDR so, als seien sie von ganz allein auf das Thema aufmerksam geworden.

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