Sonntag, 27. Juni 2010

Gruppengucken ist Massenmord

Das ganze Land im nationalen Taumel, eine komplette Gesellschaft richtet sich inmitten der Krise aus am gemeinsamen Brot-und-Spiele-Gucken unter den schwarz-rot-goldenen Farben, der Fußball als identitätsstiftendes Angebot an alle, deutsch zu sein oder deutsch zu werden - und niemand leistet mehr Widerstand. Niemand? Doch, der „anti-nationale Weltfußballverband“ hat jetzt einen Wettbewerb zum Diebstahl von WM-Fanartikeln jeglicher Art unter dem internationalistischen Motto „Capture the flag“ ausgerufen, um der nationalen Verblendung Enhalt zu gebieten.

"Die nationalen und rassistischen Auswüchse der Fußball-WM sind entschieden abzulehnen und zu bekämpfen", legen die mutigen Kämpfer gegen Autoseitenscheibenfähnchen im einst schon von Reichsminister Joseph Goebbels als "schwarz-rot-gelb" verhöhnten Schwarz-Rot-Gold" fest. Um "alle angeblichen Fußballfans aus ihrem nationalen Taumel zurück in die harte Realität" zu holen, gelte es für jeden echten Internationalisten, "Initiative zu zeigen und sich Fahnen schwingenden Nationalisten entgegenzustellen". Dazu solle alles eingesammelt werden, "was sich als WM-Fanartikel tarnt und positiv auf Deutschland oder jegliche andere Nation bezieht". Alle Deutschen seien Nazis, heißt es im Aktionsaufruf, gemeint sei damit aber natürlich, dass auch alle Briten, Italiener, Südafrikaner, Amerikaner, Ghanaesen und sonstigen Fußballer, Fußballzuschauer, Fernsehmoderatoren und Kartenabreißer Nazis seien.

Am Beispiel des von der Antifaschistische Gruppe 5 aus Marburg inzwischen als "Partynationalismus" enttarnten Gruppenfußballguckens in Adidashemden zeigten sich, so Gruppe-5-Sprecherin Sophia Stern "national-chauvinistische Einstellungen in der Mehrheitsbevölkerung deutlich". Die Übergänge von der Anfeuerung einer Fußballmannschaft hin zu rassistischen und sexistischen Einstellungen und sogar Übergriffen sei aber fließend. Wer heute noch jubele, könne morgen schon massenmorden, vergewaltigen,
den britischen Löwen stellen und brandschatzen. Es gehe darum, aufzuklären, vor allem Jüngere müssten wissen, dass es keinen Unterschied zwischen bösem Nationalismus und gutem Patriotismus geben könne.

Flankiert wird die von der Uni Marburg unterstützte Aufklärungskampagne durch ein anklagendes Musikvideo der Gruppe Mundstuhl (oben) und einen autonomen Fahnenraubwettbewerb, in dem das Kommando Kevin-Prince-Boateng Berlin-Ost derzeit mit 1657 geraubten Fahnen führt. Mitmachen sei immer noch möglich den GewinnerInninen winkten „Ruhm und Ehre“, heißt es auf Niemals Deutschland.

8 Kommentare:

Sepp Schnatter hat gesagt…

"Football for hope... builds a better future" ist auch nicht gerade ein highlight der Werbespruchausdenkbranche. Will sagen, eigentlich genauso bescheuert wie Fahnen klauen.

ppq hat gesagt…

noch besser ist aber "celebrate africas humanity"

blatter übersetzt "humanity" dabei übrigens mit "herzlichkeit", ehe hier noch jemand denkt, man solle jetzt feiern, dass afrika menschlich ist

Die Anmerkung hat gesagt…

Rudelkucken macht doch eh nur im Stadion selber Spaß. Alles andere kann man in die Tonne treten.

"Machen sie das Erleben-Experiment!" (Telekom)
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Da hier coole Sprüche zitiert werden, sei dieser von mir in die Debatte eingebracht.

Und vielleicht meint ja der Blatter, man möge bitte Afrikas Menschen feiern, frei nach dem Motto, Neger sind auch nur Menschen wie du und ich. Womit er zweifelsfrei Recht hätte.

ppq hat gesagt…

ja, klar, das meinte er. ich fand es nur lustig, dass ich jetzt schon aufgefordert werde, leute dafür zu feiern, dass sie leute sind, und kontinente dafür, dass auf ihnen menschen leben.

vakna hat gesagt…

...im einst schon von Reichsminister Joseph Goebbels als "schwarz-rot-gelb" verhöhnten Schwarz-Rot-Gold"...


War das nicht "schwarz-rot-Senf"?
Daß Gold mit Gelb und Silber mit Weiß dargestellt wird, ist bei Fahnen ja normal.

harrytisch2009 hat gesagt…

Einen lobenswerten Einsatz gegen Rassenschande unter dem Deckmantel von Integration und Fußballpatriotismus gibt es auch aus Neukölln zu vermelden: http://www.ef-magazin.de/2010/06/26/2270-aktuelle-nachricht--berlin-neukoelln-riesige-deutschlandfahne-arabischstaemmiger-deutscher-sorgt-fuer-aerger

Im Grunde ist auch Pünktlichkeit eine grundfaschistische, typisch deutsche Tugend. Wir überlegen daher, nicht bei der ARGE anzuregen, die Stütze für unsere Hüter der gesellschaftlichen Moral künftig nur noch dann auszuzahlen, wenn der zuständige Sachbearbeiter gerade darauf Bock hat und nicht in der Ayurveda-Massage, im Fitnessstudio oder auf den Malediven weilt.

ppq hat gesagt…

neenee, das mit dem senf war die wiederaufführung der hetze aus der weimarer republik. letztes jahr erst. joseph hingegen verhohnepipelte das gold als "gelb"

siehe: 16. November 1959 führte der Bundesgerichtshof (3 StR 45/59) aus:

„[Die] Bezeichnung der Bundesfarben als schwarz-rot-gelb, verbunden mit der sich harmlos gebenden Erörterung, ob ‚Gold eine Farbe‘ sei […] stellt […] das Wiederhervorholen einer der hämischsten Goebbels’schen Kampfparolen gegen die durch die Bundesfarben verkörperten Verfassungsgedanken der freiheitlichen Demokratie dar. Die Redewendung ‚schwarz-rot-gelb‘ hat […] durch jahrelange nationalsozialistische Hetze die Bedeutung einer bösartigen Beschimpfung des demokratischen Staatssymbols erlangt.“

vakna hat gesagt…

Ist mal wieder typisch. Indem man auf das Verhohnepiepeln eingeht, wertet man es auf.

Anstatt den Senf oder das "Gelb" an sich abprallen zu lassen, bemüht man Gerichte.