Freitag, 20. Mai 2011

Verbot der Woche: Mitleid mit Mördern

Eindeutig verzockt hat sich der dänische Regisseur Lars von Trier. Nach dem verheerenden Echo, das Angela Merkels öffentlich geäußerte große Freude über die Hinrichtung des ehemaligen Terrorfürsten Osama Bin Laden bei Jung und Alt, Groß und Klein sowie im In- wie Ausland ausgelöst hatte, wollte der Dogma-Filmer sein neues Werk "Melancholia" mit einem mutigen Bekenntnis zu Empathie und Mitgefühl auch im Falle fürchterlichster Verbrecher auf dem Weg zu den Kinokassen begleiten. Erst äußerte der Sohn eines Kopenhagener Juden, der das 3. Reich in Schweden überlebt hatte, Mitleid mit Adolf Hitler, der einsam und in einem noch nicht völlig durchgetrockneten und ausgehärteten Betonbunker hatte sterben müssen. Von hellwachen Journalisten darauf angesprochen, dass es sich bei Hitler um einen bekannten Faschisten handelt, gab Trier frech zu: "Okay, ich bin ein Nazi."

Wenn der Filmemacher gedacht hatte, irgendjemand weltweit werde bereit sein, seine humoristische Einlage als solche auch öffentlich zu erkennen, hat er sich geirrt. Bin Ladens Tod total erfreulich zu finden, geht gar nicht. Noch weniger aber ist es 66 Jahre nach dem Tod des deutschen Despoten möglich, dessen Tod nicht total erfreulich zu finden.

Lars von Trier ist deshalb beim Filmfestival von Cannes umgehend ausgeschlossen worden und die Bundesregierung erwägt informierten Kreisen in Berlin zufolge im Moment ein in die bürgerschaftlich engagierte PPQ-Initiative "Verbot der Woche" eingebettetes bundesweites Aufführungsverbot seines Machwerkes "Melancholia". Der Film, der teilweise im Weltall handelt, stehe im Verdacht, jugendgefährdende und demokratiezersetzende Informationen zu transportieren, die vom Blogampelamt und den Bundeszensurbehörden als grundgesetzwidrig eingestuft werden.

Es ist ein knietiefer Fall, ein Sturz in den braunen Sumpf, eine "Ächtung" (FAZ), die die Papiermühlen zum Klappern bringt. "Höllensturz" und "Eklat", titeln die Gazetten, nur Gau kommt nicht vor. Während die Dänen gelassen reagieren, sind die Deutschen sofort begeistert aus dem Hitlerhäuschen.

Autobahnalarm! Rasch soll reagiert werden, um gegen den fruchtbaren Schoß vorzugehen, der noch fruchtbar ist. Verboten werden sollen auch Äußerungen, die Trier als einen "der talentiertesten, einflussreichsten aber auch umstrittensten Regisseure seiner Generation" beschreiben und seine Filme verharmlosend "suggestive Bilderwelten" oder "eigenwillige Fernsehspiele" beschreiben. Hier gelte nunmehr die gesetzliche Regel, dass wer Mitleid mit Hitler äußere, über kein Talent verfügen könne.

Vor dem Verbot oder zumindest einer Umbenennung stehe auch die erfolgreiche Popgruppe "Element of Crime" (Video oben), die sich in Verkennung der wahren Natur des dänischen Quieslings irrtümlich nach einem von dessen frühen suggestiven Machwerken benannte. "Der Liebling des Festivals ist denselben roten Teppich hinuntergestürzt, den er einst so rasant erklommen hat", schreibt die FAZ, wie immer messerscharf in der Analyse. Vorgestern sei der Däne ein Künstler gewesen. "Heute ist er ein Fall."

Und, man möge später daran denken, wo man das zuerst gelesen hat, nicht der letzte!

Mehr aus der bürgerschaftlich engagierten Reihe Verbot der Woche

2 Kommentare:

  1. Am wenigsten Mitleid hatte ich noch mit dem Führer und dem von Trier, das meiste mit der Schauspielerin (?), welche während des Trierischen Outings neben dem Trierer saß und nicht wußte, ob sie nun heulen oder lachen, empört, entsetzt, bestürzt oder betroffen sein soll. Was verlangt in so einem Fall die Gesellschaft? Sie hat es den Umständen gut gemacht - einen Mix von allem gemimt.

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  2. Wir brauchen endlich eine Art Möbius (wie der in Düremnatts "Physiker", der das System aller möglichen Erfindungen entdeckte), der endlich das "System aller möglichen Verbote" findet, damit der leidige Hickhack über gute versus pöhse Freude bzw. Empörung aufhört. So die Obermenge aller Tabus, Denk/Sprech/Handlungs-Verbote endlich entdeckt wird, sind deren maliziöse Übertreter wesentlich schneller und leichter unschädlich zu machen.

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