Dienstag, 31. Juli 2012

Weidmanns Unheil

So tapfere, offene Worte kommen sonst nur von der „Zeit“ oder der Frankfurter Rundschau. Diesmal aber ist es die Financial Times, die Klartext in der Euro-Krise spricht. Natürlich sind der Europäischen Zentralbank Anleihekäufe eigentlich verboten. Aber wenn Bundesbankchef Jens Weidmann mal endlich aufhören würde, darauf hinzuweisen, wäre die Eurorettung schon ein ganzes Stück weiter, heißt es in einem Kommentar, der für die Verhängung einer Art Euro-Kriegsrecht plädiert, so lange die Gemeinschaftswährung nicht für alle Ewigkeit gerettet ist.

Was geschrieben steht, soll nicht mehr gelten, wer etwas dagegen hat, soll endlich seine Klappe halten. schließlich sind EZB-Chef Mario Draghi, viele europäische Regierungschefs und zunehmend auch die Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble einig darin, dass mehr getan werden muss als erlaubt ist, um die Währungsunion zu retten. Es grenzt an Impertinenz, wenn dann einer wie Weidmann kommt und ständig nörgelt.

Leider könne niemand Weidmann den Mund verbieten - schließlich ist die Bundesbank unabhängig und hat das Recht, ihren kaum mehr existenten geldpolitischen Einfluss geltend zu machen. Aber auch wer das respektiert, wie es die FT nicht tut, darf schon mal fordern, dass man den widerspenstigen Banker „dazu bringen“ muss, „seinen Widerstand nicht ständig so demonstrativ zum Ausdruck zu bringen“. Soll er doch zu Hause seiner Frau erzählen, was er von den Rettungstaten Draghis, Merkels und Hollandes hält. Aber doch nicht dem Volk.

Schnauze, Weidmann! „Verhindern kann die Bundesbank ein neues Euro-Stützungspaket mithilfe der EZB sowieso nicht“, schreibt die FT, also könne der Querschütze auch damit aufhören, so zu tun, als wolle er das. Hilft der offene Brief nicht, müssen andere Seiten aufgezogen werden. Weidmanns Heil!

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9 Kommentare:

  1. Animal farm. Alle Tiere sind gleich, Schweine sind gleicher.

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  2. "Recht und Gesetz? Wir pfeifen drauf!"

    Der FTD geht's wahrscheinlich mindestens ebensosehr um die Richter in Karlsruhe, denen man mittels der Weidmann-Schelte zeigt, was ihnen blühen wird, sollten sie das ESM-Gesetz für verfassungswidrig erklären.

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  3. "... was ihnen blühen wird, sollten sie das ESM-Gesetz für verfassungswidrig erklären."

    Leider haben die Sprachrohre der Finanzindustrie durchaus Erfolgsaussichten.
    Das BVerfG wird zwar in der letzten Zeit von einigen Gläubigen als Fels in der Brandung angebetet, aber das ist dieser Verein leider nicht.

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  4. Väterchen Stalin zeigte uns, wie konterrevolutionäre Elemente behandelt werden sollten!

    EZM befiehl, wir folgen!

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  5. Weidman kann weit mehr tun. Wie Roman Herzog angemerkt hat, ist es der Bundesbank nach Art. 88 GG erlaubt, Kompetenzen an eine unabhängige und der Geldwertstabilität verpflichtete EZB abzugeben und nur an die. Sind die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, müssen diese Kompetenzen zurückgeholt werden. Die Wirtschaftswoche haut in dieselbe Kerbe: http://goo.gl/ly19w

    Das wäre das schnelle Ende des Euros

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  6. *Grrrrr....*

    Niemand "muß" und es geht nicht darum, ob jemand "kann", sondern nur darum, was man "will":
    Cetereum censeo, es geht bis zur letzten Patrone ... äh... Euro.

    Oder: "Erst wenn die letzten Versicherungsansprüche verpufft, das letzte Wochenendgrundstück mit einer Sicherungshypothek belastet, werdet ihr merken, daß man BVerfG nicht vertrauen darf."

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  7. Dieser Artikel lässt gleich am Anfang eine wichtige Marktregulierung ausser acht. Wenn Länder eine eigene Währung haben, dann können sie Geld drucken, aber gleichzeitig sinkt der Wert der Währung, deshalb hat man hier auch keine freie Hand. Ich möchte den Investor sehen, der Geld anlegt, mit der Gefahr, dass er durch Währungsverluste 50-80% verliert. Die Oberschuldner dieser Welt (USA/GB) können das,
    dabei steigt sogar noch ihre Währung (siehe Dollar/Euro). Wer hier nicht merkt, was das wahre Finanzproblem ist,
    der sieht die Realität nicht. Gegen so ein Ganoventum kann man nicht mit Recht und Gesetz ankommen, unsere Politiker versuchen eben kreative Lösungen.

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  8. WENN man (ein Folker Hellmeyer) Recht hat und die pösen Angloamis "uns das antun", dann darf man an eines erinnern:
    Man kann politische Ziele nicht mit ökonomischem Handeln ausschalten.

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  9. Die FTD hat bisher recht behalten: Schon vor 10 Monaten (http://www.ftd.de/politik/europa/:kolumne-thomas-fricke-jetzt-ist-auch-mal-gut-mit-griechenland/60110457.html) hat FTD- „Chefökonom“ Thomas Fricke gewarnt. Zitat: „Seit zwei Jahren wird bei uns über die Griechen eigentlich immer das Gleiche gesagt. Höchste Zeit, das Land mal für ein paar Wochen auf den Index zu setzen. Das könnte Wunder wirken.“
    Fricke weiß, dass die ganze Lösung des Euro-Problems (1.) darin liegt, nicht darüber zu reden.
    Und natürlich (2.) in unbegrenzten Mitteln für die „Retter“, die man dann nämlich gar nicht braucht, die Mittel, so Frickes These, wenn der „Stammtisch“, die Bundesbank, der Steuerzahler und alle sonstigen, die gegen unbegrenzte Enteignungsrechte in der Hand anonymer Funktionäre (ESM) sind, darüber nicht (mit)reden dürfen.
    Das ist Fünf-Sterne-Dialektik. Lenin und noch einige andere rotieren vor Neid im Grab, bzw im Balsam.

    Das Wunder (s.o.) ist ausgeblieben. Die Ursache für das Desaster: Die Leute haben gegen Frickes eindringlichen Rat über Griechenland und Spanien geredet. Die 53-Prozent-Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Spanien haben nichts mit der strukturellen Wettbewerbsunfähigkeit des Landes und dem Euro-Kredit-Super-Fehlallokations-Bauboom zu tun, sondern sind Schuld dieses Professors aus München, diesem Sinn.
    Warum die FTD bald zur Wochenzeitung wird und dann zur „Woche“? Keine Ahnung. Also ich lese das eigentlich gerne, wenn 25jährige Politologen und Kommunikationswissenschaftler mir Währungen erklären und mir sagen warum unbegrenztes Gelddrucken superclever ist, ebenso wie das Abschaffen der veralteten Magna-Charta-Rechte (1215) westlicher Parlamente und warum ich zu all dem das Maul zu halten habe.

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