Sonntag, 4. November 2012

Licht am Ende des Grummelns

Der Mann ist ein Bär, aber einer von der harmlosen Art. Andis Shala, von dem das Gerücht geht, er glaube auch nach anderthalb weitgehend erfolglosen Jahren beim Halleschen Fußballklub, dass der Fangesang "Schahallallalala" zu seinen Ehren angestimmt wird, betreibt schauspielerisch immer viel Aufwand auf dem Platz. er rudert mit den Händen, feuert Mitspieler an und läuft nicht einmal wenig, wenn auch nie besonders schnell. Aber getan hat der Schwarzschopf, der aus Schottland kam und eine feste Fangemeinde aus Vater und Onkel mitbrachte, noch keinem Gegner etwas. Was dazu zuletzt führte, dass HFC-Trainer Sven Köhler den großgewachsenen, bulligen Stürmer trotz anhaltender Sturmkrise nicht mehr berücksichtigte.

Shala aber glaubte an seine Chance, versicherte er zumindest öffentlich, während die Spatzen von den Dächern pfiffen, dass die Zukunft des gebürtigen Albaners, will er sie in Halle genießen, allenfalls beim Ortsnachbarn VfL oder in Ammendorf liegt.

Auch im Spiel gegen die in einer ganz anderen Erwartungsliga spielenden Arminia aus Bielefeld sitzt Shala zu Beginn auf der Bank. Es stürmt wieder Michael Preuß, der Notnagel, an den Sven Köhler derzeit sein Trainerschicksal gehängt hat. Dahinter wiedermal eine Änderung im Offensivbereich: Statt Anton Müller, Telmo Texeira, Erich Sautner oder Toni Lindenhahn darf sich nunmehr der etatmäßige Sechser Maik Wagefeld als Offensivkraft versuchen.

Der Erfolg ist mäßig. Gegen den von einer zwischenzeitlichen schweren Finanzseuche mit Hilfe wunderbarer Zaubertricks geheilten Tabellenzweiten stehen die seit August sieglosen Hallenser hinten wieder sicherer, vorn allerdings auf verlorenem Posten. Michael Preuß vorzuwerfen, dass er keinen Ball annehmen, geschweige denn zu sichern weiß, wäre gemein. Könnte der frühere Halberstädter es besser, wäre meist sowieso niemand da, auf den er ablegen könnte.

Bielefeld besteht in dieser ersten Halbzeit aber auch nur aus einer rechten Seite. Appiah überläuft dort immer wieder seinen Gegenspieler Nico Kanitz, Becken und Ruprecht können allerdings immer noch einen Abschluss verhindern. Drüben geht es besser. Mast schlägt den Ball in der 34. einfach mal zweckfrei nach innen, wo wieder niemand wartet. Appiah aber, diesmal letzter Mann, verhindert den fälligen eigenen Abstoß, indem er die Flanke mit der Brust ins eigene Tor umlenkt.

Eine Führung aus dem Nichts - und nach Maßgabe der bisherigen Heimspielergebnisse dieser Saison die Garantie dafür, dass der HFC nach vier Spielen ohne Punkt zumindest wieder einen Zähler gutgeschrieben bekommt: Noch nie haben die Rot-Weißen bis hierhin nach eigener Führung daheim noch verloren.

Aber irgendwann muss es ja doch passieren, warum also nicht heute? Zwei Minuten zeigt die Anzeigetafel das 1:0, da geht der bis dahin nicht nur wegen seines Führungstreffers ins eigene Tor auffälligte Mann auf dem Platz wieder an Kanitz vorbei, der immer noch zu glauben scheint, er könne auch mal ein Laufduell für sich entscheiden. Die Flanke kommt, in der Mitte verpassen Ruprecht und Becken und Klos köpft ins Tor.

Halle wirkt jetzt wieder gelähmt wie am Mittwoch im Pokalspiel. Die Köpfe hängen, die Fehlpassquote steigt nochmal. Seit Wochen hält die Negativserie mit Stürmerflaute, Heimpleiten, Auswärtsklatschen und Trainerkritik an. Seit Wochen wird das Grummeln lauter, das nach neuen Spielern, Trainerwechsel und nicht näher bezeichneten Konsequenzen verlangt.

Die Fans aber singen. Vertrauen ist machbar, Herr Nachbar! Als Appiah wieder außen durchläuft, nachdem Zeiger im Mittelfeld den Ball verloren hat, bleibt Rechtsaußen Sören Eismann nur noch die Sense, um Testroet am Schuß zu hindern. Das gibt Elfmeter. Und der gibt, weil auch HFC_Torwart Darko Horvat nicht mehr wie im letzten Jahr Strafstöße generell hält, das 1:2.

Wenigstens ist jetzt Halbzeit, wenigstens kann Sven Köhler nun auswechseln und umstellen. Zur Verfügung steht dem inzwischen auch selbst schwer in der Kritik stehenden Trainer eine Mischung aus den Versagern vom Pokalmittwoch und Enttäuschungen aus früheren Umstellungsversuchen. Köhler entscheidet sich für Andis Shala als neuen Wagefeld und Erich Sautner als neuen Lindenhahn, Zeiger und Lindenhahn müssen raus, Wagefeld besetzt nun doch wieder die Stelle der zweiten Sechs. Auch die Stadionregie reagiert und schaltet wegen zunehmender Dunkelheit die Flutlichter an.

Was dann passiert, ist eine Art Wunder von der Saale. Andis Shala nämlich, der gemeinhin über den Platz wandelt, als quäle ihn allenfalls die Sorge um den Sitz seiner Frisur, erfindet sich an diesem Nachmittag im strömenden Regen neu. Aus dem Bären, der bei Kopfbällen häufig nur zwei, drei Zentimeter hochzuspringen pflegt, weil er sich selbst für hochgewachsen genug hält, auch ohne Springerei an den Ball zu kommen, wird ein Fighter, ein Beißer und kantiger Kämpfer, der nicht Ruhe gibt, bis er sich eine gelbe Karte abgeholt hat.

Alles geht jetzt schneller, wenn Halle am Ball ist. Und Bielefeld tut sich schwerer. Der HFC ist auferstanden dank Andis Shala. Fußballerisch ist das immer noch Magerkost. Aber neben Shala kratzen, beißen und ackern natürlich auch Wagefeld, Hartmann, Mast und Preuß. Das Spiel hat in der besseren Beleuchtung seine Temperatur verändert, die schon scheintoten Rot-Weißen sind von der Schlachtbank gestiegen und greifen nach dem Fleischerbeil.

Mehrfach hat Bielefeld jetzt Glück. Preuß schießt ein sauberes Tor, genau wie zuletzt gegen Stuttgart. Und genau wie vor zwei Wochen wird der Treffer nicht anerkannt. Dann wird Hartmann im Strafraum gelegt - der Pfiff bleibt aus, ebenso wie später bei Shala, der vom inzwischen eingewechselten Angelo Hauk an der Strafraumgrenze freigespielt wird, sich aber fallen lässt, als er merkt, dass ihm ein Abwehrspieler am Trikot herumnestelt.

Da steht es dann aber doch schon 2:2, denn in der 72. tut Preuß, was beim HFC normalerweise verboten ist. Nach einem Rempler im Fünfmeterraum lässt er sich fallen, es gibt Strafstoß für den HFC. Es ist der 16. Spieltag und seit dem Erfurt-Spiel im August der erste Elfer für Halle.

Und der geht nicht rein. Maik Wagefeld schießt schwach, schafft es aber immerhin, den Nachschuß über die Linie zu bugsieren. 2:2 und der Pflichtpunkt nach eigener Führung, genauso, wie die Statistik es vorhergesagt hat. Der HFC aber will mehr, auch Köhler riskiert jetzt alles und bringt Hauk, auch einen aus der Versager-Fraktion. Dessen beste Aktion veredelt Shala mit besagtem Sturz im Strafraum, allein der Erfolg bleibt der Aktion versagt.

Der HFC drückt jetzt, ohne gut zu spielen, das Spiel lebt von der Möglichkeit zu Triumph oder Tragödie, die greifbar in der Luft liegen.

Am Ende ist es dann nicht das eine, das andere aber auch nicht. Bielefeld beklagt, einen Handelfmeter nicht bekommen zu haben, den es kurz vor Schluß hätte geben können. Halles Ruprecht ärgert sich, dass er einen Kopfball genau in die Hände von Platins drückt, statt ihn in die Ecke zu lenken.

Doch so, wie nicht jedes gewonnene Spiel ein wirklicher Sieg ist, bedeutet nicht jedes Remis zwei verlorene Punkte, auch wenn der HFC den Sieg am Ende mehr verdient gehabt hätte als die meist behäbig auf Zeit spielenden Gäste. Zum ersten Mal in dieser Saison haben Köhlers Männer ein Spiel zumindest halb herumgedreht, zum ersten Mal haben einige Totalausfälle bewiesen, dass mit ihnen vielleicht doch noch zu rechnen ist. Noch steckt der Hallesche FC tief in der Krise. Aber es ist Licht am Ende des Grummelns.

3 Kommentare:

Gustaf Fröhlich hat gesagt…

gab es damals gg. RWE nicht auch einen Elfer .. damals zum 1:0 ..

Anonym hat gesagt…

gegen RWE gab es definitiv einen Elfer für uns; der Faller von Shala war glaube ich vor dem eigentlichen Elfmeter, den Wage im Nachfassen versenkt hat; und hat Eismann nicht auch den Klos gefoult vor dem Elfer für Bielefeld?

ppq hat gesagt…

erfurt war mir ganz abhanden gekommen. der rest steht doch so da?

nur die zeitfolge ist nicht die erzählreihenfolge