Dienstag, 27. August 2013

Free Uli: Vergessenes Wahlkampfthema


So sicher sind sie gewesen, so sicher! "Hoeneß wird Wahlkampfthema" orgelte es Ende April aus allen Rohren. Fünf Monate vor der Bundestagswahl hatte die SPD eine Waffe gegen die CDU gefunden, die FDP nagelte den SPD-Kandidaten darauf fest, dass er sich vom obersten Steuersünder der Republik hatte beraten lassen, die Linken warf allen demokratischen Parteien vor, es mit den Hinterziehern zu treiben. Steuerbetrug war für ein paar warme Apriltage "die schlimmste Straftat überhaupt", denn der NSU-Prozess, der sich um die schlimmsten Straftaten überhaupt drehen würde, hatte noch nicht begonnen. Die NPD forderte trotzdem wie immer die Todesstrafe für Schuldige, allerdings druckte das niemand.

Die "Welt" immer wusste: "Affäre Hoeneß: Parteien haben ihr großes Wahlkampfthema gefunden", die FR assistierte "Uli Hoeneß: Steuerbetrug wird Wahlkampfthema" und die taz machte es konkret: "Hoeneß als  SPD-Wahlkampfthema".

Dann kam der Sommer. Dann kam die Urlaubszeit. Dann kam Snowden, kam Prism, kam Münteferings Wahlkampfschelte. Kam der Bundesligastart. Kam die Anklageerhebung gegen Hoeneß. Kam das große Schweigen. Die ersten fragten staunend "Hoeneß?" Hoeneß, das war doch der Fußballer, der Manager, der Wurstfabrikant. Das dicke Ding mit der halben Glatze? Und was sollte mit dem sein? Wahlkampfthema?

Wieso, weshalb warum? Kurz gab es noch mal die absurde Meldung, der Midas von München, der so viel Geld mit der Aktie der Deutschen Telekom verlor, habe auf einem Schweizer Konto weitere 350 Millionen Euro versteckt. Die Wahlkämpfer hatten sich da aber schon darauf verständigt, Hoeneß beim Wettstreit um Wählerstimmen außen vor zu lassen. Und die Medien hatten vergessen, dass ihre Analysen aus dem Frühjahr das ganz anders vorhersahen.

Nach dem ersten Gesetz der Mediendynamik, in dem ein Forscherteam des An-Institutes für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle an der Saale bereits vor Jahren erstmals wissenschaftlich beschrieben hat, wie es zum grassierenden Themensterben in den deutschen Leitmedien kommt, hat Hoeneß nicht mehr als zwei Emp auf der nach oben offenen Empörungsskala errreicht. Der oberste Steuersünder der Republik habe damit als Medienthema nie die Dominanz einer Wulff-Affäre, eines Sarrazin-Buches oder auch nur einer Fukushima-Katastrophe erreicht, analysiert Medienforscher Hans Achtelbuscher. Beeindruckend an der Affäre sei medienwissenschaftlich gesehen allein der Umstand, "dass jeder Fachmann sehen konnte, dass Herr Hoeneß nicht die Statur mitbringt, wirklich aus dem Frühjahr bis hinüber in den Wahlkampf im Spätsommer zu wirken". Leider aber, klagt der Medienwissenschaftler, interessierten sich Medienschaffende generell nicht für Medienwissenschaft. "Sie improvisieren lieber aus dem Handkasten und arbeiten mit abenteuerlichen Thesen, die kaum gedruckt, schon vergessen sind".

Das Publikum immerhin, so Achtelbuscher, gebe ihnen Mal für Mal recht: "Die Fälle, in denen Medien ihre eigenen kruden Thesen mit zeitlichem Abstand prüfend erneut betrachten, sind seltene Ausnahmen", warnt der Wissenschaftler.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vergessenes Wahlkampfthema?
Mitnichten. Die SPD hat den Volkssturm (Steack) in Marsch gesetzt. Heraus kaum der ultimative Wahlkampfknaller.


VS

ppq hat gesagt…

das hat achtelbusch wohl übersehen