Sonntag, 22. Dezember 2013

Asyl für Snowden: Akte tiefster Symbolik

Deutschland hat die Entscheidung der USA begrüßt, die Strafverfolgung des amerikanischen Regierungskritikers Edward Snowden einzustellen. Außenminister Frank Steinmeier rief die USA aber zugleich dazu auf, mehr für die Beachtung der Menschenrechte zu tun. Dazu müssten Reformen im Geheimdienstbereich vorangebracht werden, die ein "transparentes, unabhängiges und verlässliches Rechtssystem" garantieren, sagte der SPD-Politiker. Der 32-jährige ehemalige Geheimdienstmann Snowden war nach sechsmonatiger Flucht von USA-Präsident Barack Obama überraschend begnadigt worden. Snowden will jetzt nach Berlin fliegen, um sich dort auf einer Pressekonferenz im Mauermuseum zu seinen Zukunftsplänen äußern.

Snowden dankte allen, die seine Freiheit ermöglicht haben. Insbesondere dem russischen Präsident Wladimir Putin, der ihm Asyl gegeben habe, als alle Rechtsstaaten sich weigerten, ihm Obdach zu geben, schulde er Dank. "Nach sechs Monaten Verfolgung durch den mächtigsten Geheimdienst der Welt ist das ein unglaubliches Gefühl der Freiheit", sagte er der The New Times. "Das Wichtigste ist jetzt: Freiheit, Freiheit, Freiheit." Snowden kündigte an, sich für andere Gefangene in den USA einzusetzen, die wie er wegen der Enthüllung fragwürdiger Geheimdienstmethoden verfolgt und in Haft gehalten würden. "Es gibt noch viel zu tun", sagte er. Namentlich nannte er die in Haft sitzenden Jeremy Hammond und Bradley Manning, der unter anderem wegen Geheimnisverrats verurteilt worden war.


Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte ein dauerhaftes Bleiberecht für Snowden in Deutschland. Wenn er dies wolle, sollte die Bundesregierung ihm einen Aufenthalt ermöglichen, sagte sie der Passauer Neuen Presse. Sie schlug eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis oder politisches Asyl für den Whistleblower vor, der sich um die Wahrung der Menschenrechte verdient gemacht habe. Der Direktor der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, lud Snowden zu einem Besuch ein. "Es wäre ein Akt von tiefer Symbolik, wenn Sie als früherer USA-Geheimdienstmann dieses von der sowjetischen Geheimpolizei aufgebaute Gefängnis besuchen würden", schrieb Knabe in einen Brief an den Amerikaner. Vorstellbar seien sowohl ein "eher privater Besuch als auch eine große öffentliche Veranstaltung", bei der Snowden ausführlich von seinen Monaten auf der Flucht berichten könnte.

Die Oppositionspolitikerin Petra Rausch forderte den Präsidenten ihres Landes, Joachim Gauck, in der Bild-Zeitung auf, Obamas Beispiel zu folgen und die Begnadigung des inhaftierten Neonazis Horst Mahler zu erwirken. "Es ist sehr bezeichnend, dass Russland Chodorkowski, die USA Snowden begnadigen, aber in Deutschland noch immer ein Mann im Gefängnis sitzt, der nichts weiter getan hat, als Blödsinn zu erzählen", schrieb Rausch. "Präsident Gauck sollte sich zumindest in diesem Fall ein Beispiel an seinem Freund Putin nehmen und Mahler endlich freilassen."


10 Kommentare:

  1. Déjà-vu

    Zur Zeit des Chinesisch-Vietnamesischen Grenzkriegs standen wir wie ein Mann gegen die chinesischen Aggressoren. Landauf landab die übliche Politfolklore, Unterschriftenlisten, zornige Leserbriefe von Angehörigen aller Klassen und Schichten, freiwillige zum Kampf Meldungen. Im Eulenspiegel eine Karikatur, der chinesische Oberschurke verpasst Vietnam einen "Deng-Zettel".

    Zehn Jahre später kam der Wind aus der entgegengesetzten Richtung. Als die antisozialistische "extreme Minderheit" das Arbeiter- und Bauernparadies China kaputtmachen wollte, da standen wir wie ein Mann auf der Seite der chinesischen Genossen. Und Obergenosse Deng war die Symbolfigur für den mutigen Kampf gegen die finstren Mächte.

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    Das war ein Ding, als 2008 der hochgerüstete georgische Aggressor als Willensvollstrecker der faschistischen USA die friedliche Sowjetunion, den Pionier des Menschheitsfortschritt, überfallen hatte. Da hat sich unsere Medien- und Politikermeute wie eine Frau vor Rußland gestellt. Keiner wollte abseits stehen, selbst Merkel will sich Saakaschwili vorknöpfen und Altkanzler Schröder gab zu Protokoll, dass niemand in der Moskauer Führung ein Interesse an militärischen Auseinandersetzungen hat.
    Nicht nur deutsche, auch internationale Experten haben festgestellt, dass Georgiens Staatschef Saakaschwili den Kaukasus-Krieg selbst angezettelt hat.
    Die von Heidi Tagliavini, einer Kaukasus-Kennerin mit Blick auf den Botanischen Garten, erhobene Faktensammlung widerlegt Saakaschwilis Version, sein Land sei an jenem Tag schuldlos das Opfer einer "russischen Aggression" geworden. Georgien gab den ersten Schuss ab (zwar auf georgischem Staatsterritorium, aber solche Nebensachen wollen wir mal nicht an die große Glocke hängen), deshalb, klarer Fall, war es Georgien, das den Krieg auslöste, weshalb die Expertengruppe Georgien für den Verursacher des fünftägigen Konflikts ausrief.

    Heute, wir reiben uns vor Staunen die Augen, ist das gleiche Rußland mit dem gleichen Anführer ist nach aktueller Lesart ein Unrechtsstaat, der den unschuldig guten Chordorkowski einfach so in den Kerker geworfen hat.
    Und wir staunen noch mehr wenn wir lesen, dass die Reichen, die Milliardäre, auf einmal keine die Schere auseinanderreißenden Schmarotzer sind, sondern altruistische Freiheitskämpfer.

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    Der U-Turn der DDR-Führung war mir noch erklärlich. Gorbatschow hat uns die kalte Schulter gezeigt, deshalb hat Honni Schutz gesucht unter den Fittichen seiner chinesischen Genossen.

    Aber den westeuropäischen Zickzackkurs im Hinblick auf Rußland kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.

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    Was lernt uns das?
    "don´t speak to soon for the wheel ´s still in spin"

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  2. wir sagte der genosse honecker in seiner unendlichen weisheit? "jähe wendungen sind nicht ausgeschlossen"

    und was hatte er? recht.

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  3. "Was lernt uns das?"

    Daß die Macht immer noch aus den Gewehrläufen kommt.

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  4. "Daß die Macht immer noch aus den Gewehrläufen kommt."

    Kann ja sein, ich habe Tomaten auf den Augen. Aber gerade das sehe ich im Moment nicht. Das Rußland-Bashing kommt aus den Ministerien und den Redaktionsstuben.
    Gewehrläufe?

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    Schön der Kommentar von Wolfgang Röhl:

    Hurra, der neue Mandela ist da!
    Vor Jahren haben in Russland zwei Gangster einen Machtkampf ausgefochten. Der eine saß am längeren Hebel, der andere fuhr ein. Jetzt ist der damals unterlegene Gangster vom Sieger aus dem Knast entlassen und nach Deutschland ausgeflogen worden, wo er als Freiheitsheld gefeiert wird. „Spiegel online“ berichtet über unseren neuen Mandela: „Der Kreml-Kritiker will keine politische Macht, aber für Unterdrückte kämpfen.
    Aber sonst san mer gsund.

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  5. @Volker:

    Was lernt uns das?

    Es lehrt uns u.a., daß die Wörter »lehren« und »lernen« nicht dasselbe bezeichnen ...

    ;-)

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  6. Ja köß di Hoand, Herr Studienrat

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  7. Ch.: " reage ein Kreuz " - doch doch , har er gesagt ; wollte bei spon kommentieren : also doch der Heiland höchstselbst ( wg Zivilreligion usw ) - hamse aber nicht freigeschaltet .

    der Sepp

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  8. Der Horst Mahler ist eben nicht Pussy Riot. Würde dieser Mahler in einem russischen Kerker schmachten, weil er behauptete, es wären gar nicht 50 Mio unter Stalin ermordet worden, sondern nur 49 Mio, dann würden aber hier für ihn die Freiheitskämpfer aufmarschieren. Und Thierse immer voran

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  9. "Das Rußland-Bashing kommt aus den Ministerien und den Redaktionsstuben."
    Eben. Total folgenlos.

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  10. "Eben. Total folgenlos."

    Ich verstehe wirklich nicht, was da abgeht. Und wäre dankbar, wenn mir jemand auf die Sprünge helfen würde.
    Was ist der Grund für die 180°-Drehung innerhalb weniger Jahre?
    Mit der heutigen Vorspannung hätte die Meute 2008 nicht Georgien verurteilt, sondern bei Rußland die Unverletzlichkeit der Grenzen und Respekt vor der territorialen Integrität Georgiens angemahnt.
    Warum pfeifft heute der Wind aus der entgegengesetzten Richtung?

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