Freitag, 25. November 2016

Merkel: Ich kenne keine Deutschen mehr

Ein bürgerloses, ständig im Werden begriffenes Land aus der Zukunft.
Eben barmte die "Bild"-Zeitung noch flehentlich "Wann sagt uns Merkel endlich, was Sache ist?" Und schon lieferte die Kanzlerin: Sache ist die, dass es nur noch eine Trennung gibt: Die zwischen „diejenigen, die schon länger hier leben“. Und denen, „die neu dazugekommen sind“. Deutschland, ein bürgerloses, im Werden begriffenes Land, das eher ein Landstrich ist - schon länger ohne festen Grenzen, denn die lassen sich nach Merkels Ansicht nicht schützen. Und nun auch ohne Staatsvolk, denn es gibt keine Bürger mehr. Sondern nur noch „diejenigen, die schon länger hier leben“. Und die, „die neu dazugekommen sind“.

Angela Merkel, auf dem Weg in die Geschichtsbücher, knüpft hier bei Kaiser Wilhelm II an. Dessen "ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche", erschuf die über Jahrzehnte anhaltende Illusion, es gäbe ein deutsches Volk, einen deutschen Nationalstaat.

Das Ergebnis, das hat Angela Merkel klar analysiert, waren zwei Weltkriege. Vor ihrer vierten Kanzlerschaft stellt die Hamburgerin die Weichen deshalb  auf Zukunft: Statt über ein allmähliches Aufgehen Deutschlands in einem großen, geeinigten Europa nachzudenken, wie es Kohl, Mitterrand und Thatcher in den Blick gefasst hatten, nimmt Merkel angesichts der Schwäche und Unbeliebtheit der Union eine Auflösung des Nationalstaatscharakters im Inneren ins Visier: Nach der „Drei-Elemente-Lehre“ besteht ein Staat aus einem abgegrenzten Staatsgebiet, einem abgegrenzten Staatsvolk und dessen Machtausübung über dieses Gebiet in Form einer rechtlichen Verfasstheit seiner Gemeinschaft. Das Staatsgebiet ist wage geworden, das Staatsvolk erklärt Merkel nun für obsolet. Und die Staatsmacht selbst räumt bereits Staatsversagen und Kontrollverlust ein.

Das wirkt in die richtige Richtung, schafft aber Unruhe bei früheren Weggefährten, die noch nicht einsehen wollen, dass die Einteilung der Bevölkerung in Gruppen wie "schon länger da" und "neu angekommen" wegweisend für eine Zukunft ist, in der es dem Menschen nicht mehr nur möglich sein wird, sein Geschlecht selbst vorgabenlos zu definieren. Sondern auch, sich einer vormals staatlichen Gemeinschaft anzuschließen, wo immer, wann immer und wie lange auch immer er mag.

Es ist der Ausbruch des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, seine Emazipation von der traditionellen Überstülpung durch eine "Nation", der er sich über Jahrhunderte zugehörig fühlen musste.

 Angela Merkel hat bewusst schwammig nicht definiert, wer mit „denjenigen, die schon länger hier leben“ und mit „denjenigen, die neu dazugekommen sind“ gemeint ist. Es gibt keinen Stichtag, ab dem jemand, der eben noch "neu dazugekommen" ist, als jemand gilt, „der schon länger hier lebt“. Es kann hier um Monate gehen, umTage, Stunden oder Minuten. Es gibt keine Einstufung, wie neu "neu hinzugekommen" sein muss, um noch nicht "Länger-hier-leben" zu sein.

Alles ist relativ, die Physikerin im Kanzleramt passt ihre Politik der Wirklichkeit an wie ein Boxer, der den Schlägen seines Gegners durch Mitgehen die Wirkung nimmt. Wenn man nicht erfahren kann, was geworden wäre, hätte man regiert, lässt sich alles, was ist, als Ergebnis des eigenen Regierungshandelns erklären. Die Sonne geht auf und die Kanzlerin wars. Die Sonne geht unter, und sie hat das getan. Es kommen Menschen neu zu uns, wie wir es wollten. Und sie werden wie von Geisterhand zu denen, die schon länger hier leben, genau wie alle anderen.

Die Vermutung, diese "Einteilung von Menschengruppen dient der Diskriminierung" wie es Vera Lengsfeld vermutet, ist deshalb falsch.

Sie dient dem Fortschritt, sie dient vor allem den Bürgern, „die schon länger hier leben“ und ohne entschiedenes Regierungshandeln, wie es Angela Merkel zeigt, einem unausweichlichen Schicksal des allmählichen Aussterbens entgegensähen.

1 Kommentar:

  1. merkel/gabriel können nicht so offen für ein Dunkeldeutschland 2.0 werben, wie es etwa die AfD sich erlaubt, deshalb schaffen sie mit der einwanderungspolitik/sozialpolitik, die sozialen voraussetzungen/sozialneid für eine ablösung der alten volksparteien durch eine rechte partei wie die AfD

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