Montag, 30. Oktober 2017

Doku Deutschland: Ich kann nicht mehr dein Freund sein



Bis in Familien und Freundeskreise hinein hat sich die Säure des gegenseitigen Misstrauens durchgefressen. Hat mein Bruder AfD gewählt? War das, was meine Mutter eben andeutete, nicht das Geständnis, dass sie Positionen teilt, die auch Alexander Gauland schon erwähnt hat? Was tun mit einem Kollegen, der die Ansicht vertritt, dass auch der AfD ein Bundestagsvizepräsidentenposten zusteht?

Es ist schlimm, schade und bedauerlich, dass es Menschen gibt, die sich nach einer augenscheinlich erfahrenen Gehirnwäsche entscheiden, nicht nur insgeheim zu glauben, was Rechtspopulisten, Rechtsradikale, Rechtsextreme und Rechtsextremisten schon immer glaubten.

Noch trauriger aber ist es, dass der einzige Weg, die so Irrenden von ihren verhängnisvollen Ansichten abzubringen, der sofortige und durchgreifende Verzicht auf Gespräche und Verständigung über den aufgetretenen Dissenz ist. Der komplette Abbruch der Kommunikation mit Pegidisten, AfD-Wählern und Gauland-Verstehern - PPQ stellt ein Formschreiben zur Verfügung, mit dem Betroffene ihrem ins ideologische Trudeln geratenen Umfeld mitteilen können, welcher Maßnahmen es bedarf, damit eine schon lange bestehende Freundschaft, eine Ehe oder auch ein Verwandtschaftsverhältnis weitergeführt werden kann.

Diese Art der Verstoßung hat seinen Ursprung in der Stammesgesellschaft, die damit versuchte, disziplinierend auf ihre Mitglieder einzuwirken.



Hallo ....,

ich bin seit unserem letzten Gespräch in einem großen Gewissenskonflikt Dir gegenüber geraten. Deshalb gehen ich auch nicht mehr ans Telefon, wenn du anrufst, und ich beantworte deine Mails nicht.

Ich will überhaupt nicht mehr mit dir reden, seit du mir gestanden hast, dass du ein großes Kreuz im Auto aufgehängt hast, um wohl zu demonstrieren, dass hier das gute Abendland wäre. Der zweite Schock, dass Du die AfD gewählt hast und auch noch offen darüber sprichst.

Ich will ehrlich sein, ich hatte dich schon eine ganze Zeit lang im Verdacht, weil so vieles, was Du sagst, nicht dem entspricht, was ich in der Tagesschau so mitbekomme. Ich weiß, dass Du Dich als Protestwähler siehst. Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich bin der Meinung, dass man seinen Protest auf einem anderen Weg kundtun kann. Du könntest, das ist nur ein Beispiel, an deinen Abgeordneten schreiben. Oder an Frau Merkel direkt. Du könntest auch eine Petition im Internet starten oder eine Partei gründen.

Dagegen hast du dich aber entschieden, um der AfD deine Stimme zu geben. Angeblich, so meinst du, bringt das die, die du hetzerisch "Altparteien" nennst, obwohl sie sich immer um uns gekümmert haben, dazu, ihre Politik zu ändern.

Es ist für mich unerträglich, dass ein Freund von mir so denkt und dann eine rechtsradikale Partei wählt. Ich halte es für sehr gefährlich und für mich untragbar. Ich werde in meinem Freundeskreis weder einen Scientologen, noch einen Terroristen, keinen Veganer, keinen Hindu, keinen Radfahrer, kein Nagetier und auch einen AfD-Wähler tolerieren. Da ich, wie Du weißt, eigentlich immer versuche, andere zu verstehen und zu tolerieren, hat es einige Tage gedauert, bis ich mich zu dieser Entscheidung durchgerungen habe. Es blieb mir nichts anderes übrig, auch nach fast 36 Jahren Freundschaft vom Kindergarten an.

Diesmal reicht es mir einfach. Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, als ob Du eine schleichende Gehirmwäsche übers Internet bekommst. Du hast dich radikalisiert, spricht von Grenzen, die geschlossen sein müssten, von Merkel, die du weg haben willst, und eben davon, dass eine AfD-Fraktion im Bundestag den Meinungsstreit befeuern werden.

Ich muss dir sagen: Mit solchen Leuten will und brauche ich keinen Meinungsstreit!

Ich kann niemand vorschreiben, wen er wählt, aber ich kann für mich entscheiden, mit wem ich eine Freundschaft führen will. Es ist mir deshalb im Moment nicht möglich, weiterhin Kontakt mit Dir zu pflegen, ehe du dich nicht von deinen zuletzt vertretenen Ansichten distanziert hast. Glaubhaft, bitte. Ich habe auch meiner Familie, insbesondere unseren Kindern und meinem Mann, mitgeteilt, dass sie den Kontakt mit dir zu unterlassen haben, bis von deiner Seite dass Signal kommt, dass du bereit bist, auf den Boden des Grundgesetzes zurückzukehren. Mein Mann sah das anfangs anders, er meint, nicht mehr zu reden, sei das Schlimmste.

Aber ich habe ihm deutlich gemacht, dass ich darüber nicht mehr reden werden. Die Maßnahmen gegen dich sind notwendig, sie sollen dir helfen, sie sind zweckmäßig und angemessen, er kann mir da folgen oder sich gegen mich stellen, so dass ich selbige Maßnahmen auch gegen ihn treffen müsste. Ich habe ihn schon eine ganze Weile im Verdacht, dass manchem populistischen Satz im Fernsehen gegenüber zu nachgiebig ist. Aber wir haben Briefwahl gemacht, ich weiß daher, er hat nicht die AfD gewählt.

Du musst wissen, dass es jederzeit eine Rückkehr in meinen Freundeskreis gibt. Du muss nur mal nachdenken, neue Schlüsse ziehen und Dich um 360 Grad drehen. Bedenke doch bitte, wir leben hier immer noch in einem demokratischen Staat und auch Du kannst nicht behaupten, daß es Dir so schlecht geht. Der allgemeine Trend in der Weltpolitik ist schlimm, aber noch lange kein Grund diese AfD-Nazis zu unterstützen, die auf banale Art und Weise den Menschen Angst machen, die Wissenschaft verdrehen, die Gesellschaft spalten und auch noch so menschenverachtend sind, dass sie ihre Positionen künftig im Bundestag vertreten wollen. Wir wissen doch seit 33, wo so etwas hinführt!

Also bitte, denk darüber nach.

Du kannst mir über Sylvia ein Zeichen geben, wenn du wieder bereit bist, meiner Meinung zu sein.

Mehr Doku Deutschland: Der elendige Paffe



7 Kommentare:

  1. Cartoonist Michael Ramirez

    https://en.wikipedia.org/wiki/Michael_Ramirez

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  2. "... und Dich um 360 Grad drehen ... "

    180 Grad sind wohl gemeint.

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  3. @herold: vieles hier ist falsch gemeint

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  4. "Ich will herrlich sein, [...]"
    Ja, das ist schon mal ein erheblicher Teil des Problems.

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  5. 500 Jahre Reformation : Luther würde die stasi-ekd ins Arbeitshaus stecken .

    der Sepp , Reichsreformationswart .

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  6. Wir sind ja so demokratisch und tolerant, aber bitte nur wenn Du meiner Meinung bist.
    Überzeugend geht nur wenn man miteinander spricht.Konsenz und Kompromiss sind die Grundlagen eines demokratischen Miteinanders. Wer sich der Diskussion mit Andersdenkenden verweigert, der verweigert sich der Demokratie.

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