Donnerstag, 6. Februar 2020

Thüringen: Ende der Demokratie

Die Braunstraße in Erfurt führt direkt zum Thüringer Landtag.

Das Wissen darum, wer den neuen Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt hat, war schon Momente nach dem dritten Wahlgang manifest. CDU und FDP, dazu aber auch die AfD, wie sonst hätte es sein sollen? Dass die Wahl geheim abgehalten worden war, also eigentlich niemand wissen kann, welcher Abgeordnete welcher Partei für welchen der beiden Kandidaten gestimmt hatte, spielte keiner Rolle. Zorn und Wut brachen sich Bahn, der aufdämmernde Faschismus wurde beschworen und Parteivorsitzend im fernen Berlin ließen unversehens tief in ihr bizarres Verständnis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung blicken.

Annegret Kramp-Karrenbauer verwies auf Absprachen in der CDU, nach denen die Parlamentarier der Landespartei im grünen Herzen der Republik keinen Kandidaten hätten wählen sollen, den auch Abgeordnete der AfD hätten wählen können. Wenig später verkündete die Bundespartei dann einen neuen, noch weitergehenden Beschluss. Das Präsidium der Bundes-CDU empfehle einstimmig Neuwahlen in Thüringen. Ihre Kollegin Saskia Esken, eine Art AKK der SPD, stimmte ein: Die Bundes-CDU sei schuld an der Situation, weil deren Anweisungen an die Erfurter Genossen nicht unmissverständlich genug gewesen seien. der Grüne Robert Habeck forderte, die Situation umgehend "zu bereinigen", schieg sich allerdings noch über die dazu notwendigen Maßnahmen aus. Katja Kipping von der Linken, seit ihrer Prognoses eines "klaren Auftrages für Linke zur Regierungsbildung" ausgewiesene Kennerin der Verhältnisse im kleinsten ostdeutschen Bundesland, schwieg geschockt. Walter Borjans, Eskens Quotenmann, setzt "Liberale" bedeutungsvoll in Anführungszeichen.

Nun trägt die Bundesrepublik ihren Namen nicht nach den Bundschuh-Truppen des Thomas Müntzer, sondern weil sie als Bundesstaat verfasst ist. 16 Bundesländer, die als Staaten gelten, haben sich zusammengeschlossen und sich eine gemeinsame Regierung gegeben. Nach Artikel 79 des Grundgesetzes liegt die Ausübung der Staatsgewalt bei der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung grundsätzlich in der Zuständigkeit der Länder. Ausgenommen sind Fälle, in denen das Grundgesetz sie dem Bund ausdrücklich zugewiesen hat.

Entscheidungen darüber, wie wo wann wer oder warum gewählt wird, gehören nicht dazu, denn die Bundesländer bilden den Bund, sie sind der eigentliche Staat. Der Bund aber entscheidet nur über Fragen, die für die Einheit und den Bestand des Ganzen wesentlich sind, und das nur insoweit, wie die Gliedstaaten ihre Staatlichkeit behalten und an der Willensbildung des Ganzen beteiligt sind. Von oben herunterregieren und den Gliedstaaten Vorgaben dazu zu machen, wie sie sich zu regieren haben, widerspricht dem föderalen Prinzip, auf das die Mütter und Väter des Grundgesetzes nach den Erfahrungen des hitlerschen Zentralstaates mit seinem Führerprinzip größten Wert legten.

Dass nun eine Parteivorsitzende im Gefühl, von oben leiten und führen zu müssen, dieses Konstruktionsprinzip der Bundesrepublik ignoriert, könnte daran liegen, dass Annegret Kramp-Karrenbauers bekannt ist für Äußerungen zwischen Einhegung der Pressefreiheit und Weltneuordnungsplänen. Natürlich ist es in Deutschland seit den Tagen der alten Bundesrepublik Tradition, dass Ministerpräsidenten nicht in den Landesparteivorständen, sondern auch im Konrad-Adenauer-Haus gemacht werden, natürlich ist es üblich, dass die Macht der Bundespartei im Hinterzimmer selbst den härtesten Widerstand einzelner Landesfürsten brechen und deren Karrieren beenden kann.

Doch sowohl Konrad Adenauer, der sich 1949 nicht von der SPD, sondern von den Abgeordneten der Rechten Deutschen Partei in seine erste Kanzlerschaft wählen ließ,  als auch alle seine Nachfolger legten Wert darauf,  auf der Bühne förderalistisch zu regieren. Im Streit mit Ministerpräsidenten waren handelten diese Parteivorsitzenden wie Gegner auf Augenhöhe, nicht wie Ankläger, Richter und Platzanweiser zugleich.

Der Respekt vor der verfassungsmäßigen Ordnung verbot es bislang, mit Anweisungen oder auch nur mit öffentlich geäußerten drängenden Wünschen Entscheidungen in den Ländern zu präjudizieren. So hat Angela Merkel in ihrer zeit als CDU-Vorsitzende zwar Neuwahlen in Venezuela gefordert und sie in Österreich angeregt, wo deutsche Ratschläge immer besonders willkommen sind. Direkte öffentliche Anweisungen einer Bundespartei, die es faktisch gar nicht gibt, weil sie ihre Existenz allein dem Zusammenschluss der Landesparteien verdankt, hätten vormalige Ministerpräsidenten aber schon allein deshalb nicht angenommen, weil ein Weisungsrecht der Parteivorsitzenden an einzelne Parteigliederungen so wenig existiert wie ein Weisungsrecht eines Landesvorsitzenden oder Franktionschefs an gewählte Abgeordnete. Die sind ihrem Gewissen verpflichtet, und nur ihrem Gewissen.

Die Wahl des Liberalen Thomas Kemmerich erschüttert so in der Tat die politische Architektur des gesamten Landes, denn erstmals unternimmt die Bundespolitik einen direkten und unmaskierten Versuch, die politische Landschaft in einem Mitgliedsstaaten nach eigenem Dafürhalten neu zu ordnen. Gäbe die Politik in Thüringen dem nach, wäre der Schaden weitaus schlimmer als der, der eintritt, weil ein Arbeiterführer aus Westdeutschland beim Versuch scheitert, die traurige Bilanz seiner ersten Amtszeit im Osten während einer zweiten auszubauen.

Der Mann aus Osterholz-Scharmbeck hat ja auf jeden Fall adäquaten Ersatz gefunden.

Thomas Kemmerich stammt aus Aachen.



13 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Der Beginn der amerikanischen Demokratie.

Trump freigesprochen.

Die Anmerkung hat gesagt…

Saskia Esken

Diese MP-Wahl war ein abgekartetes Spiel und muss korrigiert werden!

https://twitter.com/EskenSaskia/status/1225065337848238081
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Sie sind wirklich so blöd, für wie blöd sie auch gehalten werden.

Die Anmerkung hat gesagt…

Ich ärger mich immer noch darüber, daß ich nicht solche knackigen Sachen erfinde.

Nach Wahl-Eklat in Thüringen
Bodo Ramelow zitiert Adolf Hitler
"Den größten Erfolg erzielten wir in Thüringen"

Anonym hat gesagt…

Thüringen hat einen FDP-Ministerpräsidenten. Wieso brüllen plötzlich alle Hitler? Wird der FDP-Mensch nächste Woche Höcke zum Reichskanzler ernennen?
Die FDP hat seinerzeit trotz Hetzkampagne in den Medien auf die Koalition mit Merkel verzichtet und so en passant die SPD miterledigt. Ich glaube aber nicht, dass die 'liberalen' Thüringer Landeswürstchen dem bundesweiten Druck der politmedialen Kartelle etwas entgegenzusetzen haben.

Die Anmerkung hat gesagt…

BILD

Klare Worte der Kanzlerin - Kemmerichs Wahl muss rückgängig gemacht werden
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Äh, wie geht das, eine Wahl rückgängig machen. Wie bei Mensch ärger dich nicht? Alle Figuren zurücksetzen?

Mannomann sind die unterirdisch doof.

Anonym hat gesagt…

brd Freimaurerstaat zerlegt sich .

Anonym hat gesagt…

Er ist schon zurückgetreten, die SED kann weiterregieren. Auf Geheiß von Merkel!

Anonym hat gesagt…

Der Pipis Euphorie, und auch die einiger hier, kann ich durchaus nicht teilen.
Wi häv elektschns evely molning.
Der Dreck wird vorläufig so weitergehen. Trübe Affenkomödie, bei der man leider nicht nur Zuschauer ist.

Jodel hat gesagt…

Gestern habe ich zum ersten Mal seit Jahren wieder die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF angesehen. Es war ein Genus. Die Panik das denen die Zügel aus den Händen gleiten könnten war mit Händen zu greifen. Wie dann auch noch alle diese Super-Demokraten hier ihr wahres Ich offen gelegt haben ist unbezahlbar. Wer jetzt immer noch glaubt, das vom Volk gewählte und nur diesem verpflichtete, unabhängige Abgeordnete in den Parlamenten sitzen und um die jeweils Beste Lösung für ein Problem ringen, wurde nun aber endgültig eines Besseren belehrt. Die Pfiffigeren unter uns haben das ja schon etwas früher gewusst. Eine absolut regelkonforme Wahl muss wegen einem gefühlt falschen Ergebnis aufgehoben werden. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Wir sind endgültig im obrigkeitshörigen Parteienstaat angekommen in dem der einzelne Abgeordnete nur noch zu Fragen hat "wie weit", wenn es heißt hüpfen.
Man kann von Höcke halten was man mag, aber für die Kenntlichmachung der Verfaultheit unseres politischen Systems muss man ihm dankbar sein. Was eigentlich eine Sternstunde der Demokratie hätte sein können, wird so zum unwürdigen Spektakel herabgewürdigt.
Statt das sich die Bürgerlichen hinter einem Mann der Mitte zusammenscharen um Politik für die zu machen, die sie gewählt haben, geben sie alle unsere Werte dem schäumenden Mob preis. Wie hat ein anderer Kommentator Gerhard Polt so schön interpretiert: Schlimmer kann es doch nicht mehr werden. Doch, das geht!

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Es war ein Genus.

Ja, auch. Im Abgang jedoch kein Genuß.

Anonym hat gesagt…

Die Panik das

@ Jodel: Wahrhaftigen G*ttes. Siehe es einem alten weisen Mann nach: Ich bin von blauem Blut: Furchenadel und Arbeiteraristokratie. Eine solche Rechtschreibung aber ist lediglich für Zecken angemessen.

Anonym hat gesagt…

"Putschisten in Erfurt"- herrlich :-).
Na, nun ist ja die Welt wieder in Ordnung, puuh- hab schon gedacht, die werden doch nicht die Demokratie in Türingen einführen!!
Die Oberste hat gesprochen: "Kann man euch denn nicht einen Augenblick ohne Aufsicht lassen?? Ihr wählt solange, bie es UNS passt, basta"! Mit UNS meint sie natürlich sich.
Petra Moldenhauer

Jodel hat gesagt…

Lieber Anonym, ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, das sie alle meine Äußerungen einer grammatikalischen Prüfung unterziehen. Ich kann meine Herkunft aus dem Proletariat leider nicht immer ganz verbergen. Außerdem bin ich zu meinem Bedauern nicht mit der nötigen Zeit gesegnet, meine mit letzter Tinte hingezitterten Ergüsse einem ihrem Niveau angemessenen Lektorat zu unterziehen. Vergeben sie mir daher bitte meine textlichen Verfehlungen. Ich hoffe es ist ihnen trotz der Zeckenrechtschreibung möglich, den Grundgedanken meiner Elaborate zu erfassen. Falls meine Nachlässigkeiten bei der Textfindung ihren Lesegenuß zu sehr schmälern, empfehle ich ihnen, einfach meine Kommentare nicht zur Kenntnis zu nehmen. Von meiner Seite aus sind sie hiermit herzlichst eingeladen uns mit brillant ausgefeilten Texten zu überschütten. Auf das wir uns alle ein Beispiel an ihnen nehmen können. Höflichst, ihr Jodel