Montag, 1. März 2021

Veggie-Day: Die rechte Sehnsucht nach grünen Verboten

Die Ideen der KPD haben im Wahljahr 2021 erstmals Aussicht, eine breite gesellschaftliche Mehrheit zu finden - oder aber von einer abgelehnt zu werden.

Gegen Einfamilienhäuser. Gegen Autofahrten. Gegen eine liberale Wirtschaftsordnung. Gegen Freiheit. Gegen Selbstverantwortung. Für umfassende Sprachvorschriften. Hohe Steuern. Sozialismus. Und Solidarität mit den Bruderländern bis an die Impfliege Ja, ja, ja!  

Wann immer ein grüner oder sozialdemokratischer, ein linker oder christdemokratischer Politiker*inseiender in diesen Tage nach strengen Auflagen für die Reste des bürgerlichen Lebens im Land des ewigen Lockdown rufen, sind es nicht zuallererst die nach Regulierung, harten Kandaren und strengen Regeln traditionell lechzenden Anhänger linker Allmachtsfantasien, die applaudieren. Sondern Konservative, Rechte und Liberale. Von der linken Seite dagegen kommen Bedenken, Angst und Warnungen.

Der Feind jubelt

Verkehrte Welt. Dort, wo im Normalfall gejubelt werden müsste über Ideen wie die radikale Beschränkung der privaten Autofahrten, eine staatlich betreute Mietwirtschaft und eine behördliche Aufsicht über noch vorhandene Lebensäußerungen, sind die Sorgen groß, Menschen, selbst willige, könnten sich zu früh abgeschreckt fühlen vom Ausmaß der geplanten Eingriffe in die Privatsphäre. Kein Auto mehr haben zu dürfen, dafür aber eine neue Heizung anschaffen zu müssen, nicht mehr fliegen zu können, dafür aber auch nicht mehr ins Büro zu dürfen - viele einfache Bürgerinnen und Bürgerseienden sind sichtlich schon im ersten Moment überfordert von der Fülle der mangelnden Möglichkeiten, die schon die nahe Zukunft bieten könnte.

Eilig versuchen grüne Parteivorsitzende und Altinternationale der Ökopartei, die vegane Wurst wieder in die Pelle zu stopfen. Nicht so gemeint. Nie so gedacht. Missverständnis. Hinterlistige Medienente. Selbst Robert Habeck, eigentlich von keinem Selbstzweifel zu irritieren, bekam nach der Kriegserklärung an das Einfamilienhaus, die sein Kollege Anton Hofreiter abgegeben hatte, Angst vor der eigenen Courage, den geplanten gesellschaftlichen Gesamtumbau vorher so deutlich anzukündigen. Habeck, der Taktikfuchs der Grünen, ruderte zurück.

Kein Plattenbau für die Partei

Denn der Mann aus dem Norden weiß, dass auch der eigene Anhang in den hochpreisigen Bionadeadel-Vierteln der Republik einer grundstürzenden Revolution skeptisch gegenübersteht. Zu viel schon haben die zu verlieren, die einst nichts hatten und heute alles besitzen. Man ist hier für grünen Strom und gesunde Wälder, gern zahlt man für ein gutes Gewissen und trennt seine Kartoffelschalen. Aber in einen Plattenbau ziehen, um Außenwände zu sparen? Der Applaus hielt sich in Grenzen.

Ganz anders dagegen beim politischen Gegner. Ausgerechnet auf der politischen Rechten herrschen Frohlocken und klammheimliche Freude, seit der Innendruck aus den Kapillargefäßen der Grünen, Linken und der SPD immer wieder spontan gesellschaftliche Visionen entweichen lässt. Einfamilienhausverbot und Einheitsgehalt, Europaschulden für alle und ein schneller Energieausstieg, jeder Punkt ist mutig, denn er schadet seiner eigenen Umsetzung mehr als er nützt.

Sehnsucht nach dem Veggie-Day

Skrupellos setzen die Vertreter des rückwärtsgewandten Denkens und Handelns in der Politik darauf, dass der Veggie-Day sich wiederholt, jene debakulöse Wahlkampfidee der Grünen, mit der es der damaligen Parteiführung gelang, den eigenen Sprung an die Macht in allerletzter Sekunde zu verhindern. Die Menschen draußen im Lande waren damals noch nicht soweit - und die politische Rechte hofft nun darauf, dass sich daran bis heute nichts geändert hat. 

Grüne und scharflinkse Verbotsorgien, wenn auch als Missverständnisse getarnt, so glauben diese Trommler für schrankenlose Freiheiten, die ihre Grenzen allenfalls in den Schranken der Strafgesetze finden, seien auch in den anstehenden Wahlkämpfen das beste Mittel, Grünen, Linken, SPD und CDU "Wählende" (Duden) abspenstig zu machen. Die damit automatisch zu Anderswählenden oder gar zu Wählenden werden, die nicht wählen - hier in der Dudenredaktion noch über eine korrekte Bezeichnung diskutiert: Wählende, die nicht wählen, sind womöglich Nichtwählende. Allerdings spricht gegen diesen Begriff der Umstand, dass er den Sachstand, dass es sich dabei um frühere Wählerinnen und Wähler handelt, vollkommen außen vor lässt.

Grüne Welt, komplizierte Welt

Grüne Welt, komplizierte Welt. In den vor der Schließung stehenden Autowerkstätten, in den Nagelstudios, bei Kanalbaubrigaden, DHL-Zustellern und Straßenbahnfahrern werden viele aktuelle Probleme, mit denen der Überbau kämpft, derzeit schon einfach ignoriert. Kein Herzdrücken nirgendwo wegen der korrekten Benennung von Hoch- und Tiefdruckgebieten, keine schlaflosen Nächte wegen Nawalny, kaum Alltagssorgen angesichts der zunehmend drängender werdenden Gender-Problematik. Und immer noch schnuppert ein Teil der Bevölkerung mit seinen Chemorezeptoren lieber Neuwagenduft als das Odeur einer Biogasanlage in der Nachbarschaft.

Aus der grünen Parteizentrale betrachtet ist da noch viel traurige Ignoranz den großen Menschheitsfragen gegenüber. Das Klima scheint vielen weniger wichtig zu sein als ein schöner Urlaub, eine stabile und bezahlbare Stromversorgung gilt diesen Uneinsichtigen als nachhaltiger als ein Kaminfeuer. Zugleich aber wissen die Realos an der Spitze der Partei, die früher Bündnis90/Die Grünen hieß, das Bürgerrechtserbe der DDR aber glücklich hinter sich gelassen hat, dass auch die Stimmen der Ignoranten gebraucht werden, um die vielen, vielen gesellschaftlichen Visionen umzusetzen. 

Deshalb heißt es Schweigen über das, was werden wird, wenn man erst machen darf.


3 Kommentare:

stefan hat gesagt…

sehr sehr feiner artikel, großartig.
nur dass eine vielleicht reaktionäre strömung nicht mehr mit rückwärtsgewandt oder gestrich beschrieben werden kann, ob des ganzen gruselig überheblichen aktionismus derer polittäter, die besser allesamt schnittgerinne reinigen täten und bäume pflanzten, am besten so liebevoll in maskenschälchen vorgezogen.

Anonym hat gesagt…

Was gilt's? (Hiob 1.11) -- Es wird den Grünen Khmer mitnichten schaden. Mopeds, Ölheizungen, eigentlich und überhaupt alles, außer der niederen Minne mit Präpubertären, wollten sie schon verbieten. Hat es ihrer Beliebtheit beim profanum vulgus Abbruch getan? Eher nicht.
(Auch der weise Rat mit der Armlänge Abstand, und jetzt das Heischen von Steuererhöhungen hat den Spezialdemokraten nicht geschadet, bestenfalls marginal.)

Anonym hat gesagt…

Wählende, die nicht wählen, sind womöglich Nichtwählende.
Wunderbar, mein Tag ist mal wieder gerettet.