Montag, 28. Februar 2022

Stirnbieten im Pulverdampf: Aufbruch nach Pandora

Kapitän Scholz steuert das deutsche Staatsschiff auf immer wieder und sehr rasch wechselnden Kursen sicher durch die Untiefen der Gegenwart.

Wie reagieren auf die "Zeitenwende" (Olaf Scholz)? Was tun gegen den russischen Diktator, der sich von buntbestrahlten deutschen Rathäusern, von Sanktionsdrohungen und Einigkeitsschwüren im Westen nicht beeindrucken lässt? Die Welt danach ist weiterhin die Welt davor, nur haben deutsche Politikerinnen und Politiker nun die Chance, zu behaupten, sie sei nicht: Alles kommt ihnen auf einmal so anders vor, so toxisch männlich, von Pulverdampf umweht und kriegerisch.  

Harter Realitätsschock

Der Realitätsschock ist so vollkommen, dass der Bundestag geschlossen steht und applaudiert, wenn zu Einigkeit, Geschlossenheit und Stirnbieten gerufen wird. Der Kanzler sagt, jetzt müsse man wieder "eigene Stärke" haben und zeigen. Einerseits steht die Behauptung, dass die Stärke des Rechts über dem recht des Stärkeren stehen müsse. Andererseits ist die Macht des Stärkeren genau die Logik, der man nun selbst zu folgen verspricht. Nicht mehr schangeln mit einer höheren Moral und von oben herunterschauen auf die armen Tröpfe ringsum, die noch nicht verstanden haben, wo die Zukunft hinfährt. 

Jetzt heißt es stark sein, um einen starken Gegner zu beeindrucken, abzuschrecken, ihm die Lust zu nehmen, seine Stärke auszuspielen. Wie immer zumindest in den zurückliegenden 75 Jahrzehnten steht Deutschland dabei "auf der richtigen Seite der Geschichte" (Olaf Scholz) in einer "neuen Realität" (Scholz). Statt endloser Diskussionen gibt es nun schnelle Entscheidungen, statt langem Abwägen wird getan, was gebraucht wird. Die ersten ewigen Tabus fielen binnen von nur 72 Stunden, die Ankündigung von "neuen, starken Fähigkeiten für die Bundeswehr" dauerte nicht viel länger. Eine hochmoderne, leistungsfähige Armee ist nun das Ziel, mit Flugzeugen, die fliegen, und Schiffen, die schwimmen, so der Kanzlertraum. Fähigkeiten, die Heer und Marine nun neu lernen werden müssen.

Entscheidungen ohne Debatte

Ein "Sondervermögen Bundeswehr" genannter neuer Schuldenberg außerhalb des regulären Bundeshaushaltes soll helfen, Deutschland zum zweiten Mal nach 1930 zu militarisieren. 100 Milliarden neue Kredite werden "zur Verfügung gestellt" (Scholz) aufgenommen,  ohne Diskussion, ohne entsprechendes Wahlversprechen. Ohne dass überhaupt darüber geredet worden wäre. Aber alle im Bundestag stehen auf und klatschen angesichts der neuen Kriegskredite fast schon frenetisch. Ein Hundsfott, der nun nicht die Hand hebt. Die 100 Milliarden ins Grundgesetz schreibt, 1.200 Euro für jeden Bürger. Und damit dafür sorgt, dass ab sofort nicht mehr nur die vom Menschenfeind Trump fast schon faschistisch geforderten zwei, sondern nun sogar mehr als zwei Prozent des BIP im Jahr für Waffen und Soldaten ausgegeben werden. Für immer, auch das hat Olaf Scholz gleich festgelegt.

Nur noch Soldaten

Angesichts der Bedrohung aus dem Osten kennt der Kanzler keine Parteien mehr, nur noch Soldaten. Nicht mehr nur gegen das Klima geht es, sondern auch gegen Russland, nicht mehr nur um Digitalisierung, Pandemiefestigkeit, regionale Lieferketten, Chips aus eigenem Anbau, Elektromobilität geht es. Sondern auch um den Kampf des alten Europa um die Freiheit, für neue Kampfflugzeuge - inklusive der bewaffneten Drohnen, die die deutsche Sozialdemokratie und die Grünen niemals gewollt hatten. 

Auch bei der Energie wird wieder einmal ungesteuert. Die Abhängigkeit von Russland ist nun nicht nur klimaschädlich, sondern auch sicherheitstechnisch relevant. Wind und Sonne müssen übernehmen, der Weg ist richtig, der Kurs stimmt, der Energieausstieg fußt nun künftig auf einer Kohle- und Gasreserve und dem "schnellen" Bau von zwei Flüssiggasterminals. "Und natürlich behalten wir bei allem die hohen Energiepreise im Blick", verspricht der Kanzler. Eine klare Botschaft: Nicht nur der Bürger*in schaut fortan konsterniert auf seine neue Abschlagsrechnung. Solidarisch steht das Kabinett hinter ihm und staunt mit. Das ist ja ein Drittel des Gehaltes? Die Hälfte des Lehrlingsgeldes? Na da schau an.

Vor einem Scherbenhaufen

Der Oppositionsführer ist der gleichen Meinung, abgesehen davon, dass er EU, Europa und den gesamten Westen "vor einem Scherbenhaufen" stehen sieht. 16 Jahre Angela Merkel, 16 Jahre Regression im Rhythmus von Meinungsumfragen, 16 Jahre zunehmenden Konzentration auf die Spielzeugthemen der Bionade-Viertel, sie haben eine Industrienation zu einem Abbaugebiet vor Fortschrittsoptionen gemacht.

Das eine geht nicht mehr, das andere können wir nicht, manches muss weg, anderes verabschiedet sich von selbst oder dämmert langsam in den Untergang, herbeigefleht erstaunlicherweise zuallererst von einer Generation, die sich sicher zu sein scheint, dass sie dereinst noch immer kommod wird leben können von einer Lastenradindustrie, Starbucksfilialen mit Becherbringpflicht und wechselnden Abwrackprämien für umweltbelastetende Angewohnheiten. 

Ersatz für den erwarteten Blackout

Die Älteren hatten stets geunkt, es müsse wohl erst ein Blackout kommen, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Dank Putin braucht es den nun vielleicht gar nicht mehr. Wie Rehe, die beim  Überqueren einer Straße starr in die Scheinwerfer eines heranbrausenden Lkw starren, stehen die Führerinnen und Führer der Nation, die keine sein will, nackt im Wind einer Wirklichkeit, die sie von ihren ersten politischen Schritten in den Mitarbeiterstäben diverser altvorderer Parteiarbeiter perfekt zu verdrängen gelernt hatten. Wie vor zwei Jahren, als die Pandemie in eine Idylle brach, in der der Kampf gegen selbstgemalte Gespenster und die Wiederauferstehung Hitlers für Betrieb und Unterhaltung sorgte, bis am Wochenende die Bundesliga wieder spielte, muss sich nun alles neu zusammenrütteln.

Auch diese "Zeitenwende" wird ihren Karl Lauterbach hervorbringen, auch sie wird ihre speziellen Gebräuche haben, ihre gesellschaftlichen Gräben aufreißen und ihre Helden und Hassfiguren produzieren. 

Ein Aufbruch nach Pandora, wo die berühmte Büchse unbekannten Inhalts steht. 


10 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Das passende Bild zum obigen Text.

Das Narrenschiff

Anonym hat gesagt…

100 Milliarden ins Grundgesetz. Das Grundgesetz ist ja vor allem ein Rhetorikverstärker, damit die Berliner Büttenredner zeigen können, dass sie es ausnahmsweise und wirklich ernst meinen.

Es ist billig, sich über Bärbocks Sprechprobleme lustig zu machen. Also los. Tagesschau.de zitiert Bärbock wörtlich, damit sich die Leser selbst zusammenreimen müssen, was es bedeuten soll:
Putins Krieg mache es nötig, "dass wir die Grundfesten unseres außenpolitischen Handels neu ziehen"
Und zwar ziehen wir die Handelsgrundfesten am besten Richtung Osten, und das sollte ins Grundgesetz.

Anonym hat gesagt…

Falls Der Postillon mitliest, ich hätte da was thematisch und niveaumäßig passendes:

Verteidigungsministerin Lambrecht engagiert russische Beraterfirma, um de Bundeswehr wieder einsatzfähig zu machen.

Die Anmerkung hat gesagt…

@anonym2

Lieber nicht. Der Russe ist in seiner schlammigen Westoffensive steckengeblieben. Der Frühjahrsmorast macht ihm zu schaffen. Kennt er ja noch von früher.

Opa könnte auch über diese Art Kriegführung berichten, kann sich aber nicht mehr so genau erinnern, denn da war er schon auf dem Weg nach Hause.

Es sei denn, man will Deutschland wieder in einen völlig unsinnigen Krieg reinziehen.

Ups, wir sind ja schon mittendrin, statt nur dabei.

Anonym hat gesagt…

Man wird Idioten nie erklären können, dass sie welche sind.

Und darum werden diese Hirntodexperten es z.B. auch mit einem verdoppelten Militärhaushalt nicht schaffen, eine starke Verteidigungsarmee zu realisieren. Die sind einfach zu einfältig mit ihrem vielfältigen Larifari beschäftigt. Andererseits kann man froh sein, wenn solche Narren keine Knarren haben. Wer weiß, was die damit dann machen werden? Alle Skeptiker und Kritiker erschießen, weil sie die schockierende Wahrheit über ihren desolaten Geisteszustand nicht ertragen können?

Es wäre also besser, wenn unsere Bunteswehr bei ihrer Kernkompetenz wie schwangerengerecht hochgerüsteten Schürzenpanzis namens Muschi und feminin berockte Generäle in Männerfremdkörpern bliebe, um aller Welt unsere grenzenlose Tolleranz zu dokumentieren.

Freiheitshoffnungen verbreiten wir vollmundig gerne und wollen anfangs auch dafür kämpfen. Doch genau so schnell, wie wir dort siegesgewiss einmarschieren, sind wir dann auch wieder feige abgehauen. Die enttäuschten dortigen Menschen verschwinden medial sofort aus den Propaganda-Schlagzeilen und eine neue Heldentatensau wird durchs grundsedierte Piefkedorf getrieben. Und diese verräterische Westen will nun den Russen Moral predigen? Was für ein schäbiges Scheinheilsgesindel!

Für jeden Flüchtling ihres weltweiten Einmischungs-Versagens haben sie ein großes Willkommensherz, während ihre eigenen Armen verächtlich behandelt werden. Diese Gutmenschen mache es einem wirklich leicht, sie als perverse Monster zu verabscheuen.

Gut, dass wenigstens der Iwan ihrer ignoranten Arroganz Paroli bietet, denn wer sonst könnte das heute noch?

Anonym hat gesagt…

re Anmerkung

Aber wir hätten dann wieder ein Truppe, die es überhaupt bis in den Schlamm schafft. So als Einsteiger.

Die Anmerkung hat gesagt…

Also erst mal funktionierendes Gerät anbieten und dann mit den Rekruten Krieg für Anfänger üben?

Dann wäre es doch eine Überlegung wert.

Carl Gustaf hat gesagt…

Immerhin sind wir in Sachen E-Panzer bereits die führende Weltmacht: https://www.welt.de/wirtschaft/plus216804864/Elektro-Panzer-Lautlos-bei-Tempo-100-das-kann-der-Genesis-aus-Deutschland.html. Das anhaltende Problem fossiler Kraftsoffe soll nicht noch einmal zum militärischen Total-KO führen. Bei schönem Wetter und nach Sonnenaufgang wird eine modernisierte Bundeswehr nicht mehr zu bremsen sein.

Auch bei der Infantrie wird demnächst auf erprobte und nachhaltige Alternativen (Flitzebogen) gesetzt werden.

Anonym hat gesagt…

Elektropanzer mit Sportanstrich findet Bernd extrem fortschrittlich

Anonym hat gesagt…

https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article117628883/Jagdpanzer-Ferdinand-war-erster-Porsche-Hybrid.html

Da war natürlich gar nichts hybrid (Journalisten halt), sondern otto-elelektrisch, aber Hybridantriebe haben das gleiche Prinzip plus einen Fahrakku. Der war noch nicht sonderlich gut, aber dafür war er 100% geschützt vor EMP und Comupterviren.