Montag, 30. Januar 2023

Auf dem letzten Loch: Die Zerstörung des HFC

Es fing schon schlecht an, wurde dann aber immer nur noch übler. Selten die Momente, in denen die Zeugen der von Anfang an als Tragödie angelegten Geschehnisse sich den Eindruck  einreden konnten, es würde noch gelingen, die Kurve zu bekommen. Eine kleine Serie starten. Daraus eine größere machen, länger und nicht mehr nur vom Glück getrieben wie die wenigen Lichtblicke, die es im Verlauf einer Saison zu bestaunen gab, die, Stand Ende Januar 2023, nicht nur zu den schlimmsten, schlechtesten und erschreckensten gehört, die die an schlimmen, schlechten und erschreckenden wahrlich nicht arme Tradition des Fußballklubs Hallescher FC zu bieten hat.  

Hoffen auf mehrere Fußballwunder

Es ist jedes Mal schiefgegangen. Aus der Hoffnung, die überwiegend aus unteren Ligen verpflichteten Neuzugänge könnten am neuen Arbeitsort wie von Zauberhand und gegen alle Wahrscheinlichkeit allesamt eine Leistungsexplosion erleben, die brauchbare Regionalligakicker eine Liga höher in Leistungsträger verwandelt, wurde noch im Sommer Ernüchterung. Aus der Absicht, mit einem Laptop-Taktik des brutalen Pressens Gegner zu überrumpeln, die das brutale Pressen schon lange auf den Müllhaufen der Fußballgeschichte geworfen haben, wurden bittere Niederlagen. Die Ansage, lieber 4:3 zu gewinnen als schöne 1:0, schlug ins Gegenteil um. Es wurde nicht 4:3, aber auch nicht 1:0. Sondern 3:4 und 0:1.

Im Oktober schon, die Sonne stand noch hoch und PPQ hatte seine HFC-Berichterstattung angesichts einer zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit unübersehbaren Kluft nach mehr als zehn Jahren aufgegeben, halfen nur noch Durchhalteparolen. Man müsse sich weiter einspielen. Man dürfe den Mut nicht sinken lassen. Man sehe gute Ansätze. Die Mannschaft sei quicklebendig. Es fehle nur ein Quäntchen dies und auch mal eine Prise das.

Festhalten am gescheiterten Plan

Der Libero wechselte in den Sturm, ein Verteidiger zeitweise in die Mitte, die meisten der Neuzugänge verschwanden auf immer auf der Bank und in den Katakomben. Der Präsidnet stärkte dem Sportdirektor demonstrativ den Rücken. Der Sportdirektor stellte sich demonstrativ hinter den Trainer. Der Trainer lobte seine Wunschspieler, merkte aber in Nebensätzen an, dass er auch gern den einen oder anderen anderen gehabt hätte. Nur das Geld sei eben nicht dagewesen. Was man habe, reiche allerdings in jedem Fall, um die Klasse zu halten.

Die Kurve ging nach unten. In keinem einzige Spiel überzeugte eine Elf, die in keinem einzigen Spiel zusammengesetzt war wie in dem vorher. Kurz vor Toresschluss, längst waren die Personalplanungen, akribisch vorbereitet in Monaten detaillierter Marktbeobachtung, erklärtermaßen abgeschlossen, kamen noch zwei Spieler, die seitdem immer spielen, Glücksgriffe aus der Lostrommel, die aber auch nicht verhindern konnten, dass das Tabellenende immer näher kam. 

Die Sturmhoffnung, die die Netze kaputtschießen sollte, landete auf dem Flügel, weil der Libero ja nun den Mittelstürmer gab. Der ursprünglich mit viel Vorschusslorbeeren verpflichtete Mittelstürmer, eigentlich eher ein offensiver Mittelfeldmann, aber jeder kann in Halle immer alles, war schon verschwunden, sein pfeilschneller Ersatzmann kam manchmal in der 79. Minute. 

Diesmal hilft kein Beten

Dann war Winterpause und die Vögel, die wegen des Klimawandels auf eine Reise in den Spüden verzichtet hatten, pfiffen es von den Dächern. Das geht schief. Diesmal hilft kein Beten und kein herbeigewürgter Sieg im letzten Spiel bei einem längst abgestiegnen Konkurrenten. Diesmal geht es sauber runter, weil ein Punkteschnitt von unter eins sicherer in den Keller führt als die Aufbewahrung der toten Lieblingskatze in deren Lieblingskatzensessel zu strengem Geruch in der Wohnung.

Die längste Winterpause der Fußballgeschichte brach an. Und hektische Aktivitäten brachen aus. Unsichtbar wurde an einem Plan B geschmiedet, der über zweieinhalb Monate geheim gehalten werden konnte. Was wäre, wenn der dringend nötige Ersatzmann für den vorn benötigten Abwehrchef erst wenige Tage vor der Saisonfortsetzung verpflichtet würde? So dass vor dem ersten Spiel keine Zeit bleibt, gemeinsam zu trainieren? Und der ersehnte Knipser? Könnte der nicht erst sogar danach, so wenige Stunden kurz vor knapp, dass er das wichtige Endspiel gegen den Erzrivalen aus Sachsen nicht mitspielen kann? Und wie wäre es, wenn man statt des gesuchten Mittelstürmers, den man gerade noch weggeschickt hatte, diesmal einen Rechtsaußen holt, der schon gezeigt hat, dass er.

Parallel bot es sich an, dass der Sportdirektor seinen Abschied verkündet, aber nicht gleich, sondern wenn einem Nachfolger kaum noch Zeit bleibt, Einfluss auf das aktuelle Elend zu nehmen? Sahnehaube obendrauf: Auch der ehrfurchtsvoll "Präsident" genannte Vereinsvorsitzende verkündete seinen Entschlss, dass genug getan und genug erreicht worden sei. Höchste Zeit, zu gehen, zumal kein Nachfolger in Sicht ist.

Immer wieder alles oder nichts

Jedes Spiel glich nun schon längst dem zuvor, das wiederum dem zuvor glich. Apathische Ratlosigkeit statt brutalem Pressing, hintenrum und quer, dan hohe Bälle über den ganzen Platz und zwischendrin Gegentore wie aus dem Musterkoffer der Abwehrvermeidung. Ab der 70., das Team stand zu dieser Zeit regelmäßig mit dem Rücken zur Wand, warf die sportliche Leitung jeweils alles in die Schlacht, was lange Socken trug. Alles oder nichts. 

Doch so oft die aufgebotenen Aktiven auch wechselten, gegen Ende eines Spiels in der Regel mit einer gewissen Hektik, so ähnlich waren die Szenen. Manchmal war das Aufbäumen sehenswert. Meistens nütze es nichts mehr. Im Anschluss an den neuen Nackenschlag stand der Trainer dann jeweils mannhaft vor der Kamera und wiederholte die Sätze vom letzten Mal. Ganz am Ende sei alles sehr ermutigend gewesen. Man müsse jetzt stoisch weiter arbeiten. Man dürfe den Mut nicht sinken lassen. Man sehe gute Ansätze. Die Mannschaft sei quicklebendig. Es fehle nur ein Quäntchen dies und auch mal eine Prise das, und genau das werde jetzt im Training hinzugefügt werden.

Jeder Spieler nur ein Rädchen

Aus dem großen Plan, wie die Nationalmannschaft zu spielen, jeder Spieler ein Rädchen mit genau umrissener Funktion, der nur genau das tut, was die technisch-taktische Abteilung ihm aufgetragen hat, wurde genau das: Fußball wie der der Nationalmannschaft. Bemüht, aber blutleer. Leidenschaftslos, aber beim Zuschauer zuverlässig schwere Leiden auslösend. Ein Tanz auf den Trümmern von Taktik und Spielkultur. "Harmlos, ideenlos, katastrophal", wie ein Fan kommentiert hat. 

Das geplanten  Fußballmärchen ist abgesagt, das Drehbuch "junger Trainer feiert mit junger Mannschaft und mutiger Philiosophie einen kometenhaften Aufstieg" in der Grabbelkiste gelandet. Nur für die sportliche Leitung überraschend haben sich die verpflichteten Regionalligaspieler als nicht ligatauglich herausgestellt. Von den - gefühlt - drei Dutzend hoffnungsvollen jungen, aber auch spätberufenen Kickern läuft nur ein kleiner Teil halbwegs rund mit, der Rest ist überfordert, noch mit der Anpassung beschäftigt oder aussortiert. Die Pressingtaktik bleibt immer in der Kabine. Die panischen Neuverpflichtungen, die die nun wenigstens die Klasse halten sollen, sind im reifen Fußballalter, Haudegen aus der Söldnerabteilung. 

Klaglos akzeptierter Niedergang

Bemerkenswert ist nicht der Niedergang, der sich in den zurückliegenden Jahren bereits angedeutet hatte. Seit dem Abschied von Trainer Torsten Ziegner hat sich der Hallesche FC auch nachhaltig von allen Ambitionen verabschiedet. Aus einem Klub, der überzeugt war, auf Dauer in der 3. Liga nicht überleben zu können, wurde ein Verein, dessen einziges Ziel es war, wenigstens in dieser Liga zu bleiben. Das Umfeld scheint nach den Corona-Jahren mit Überlebensfußball der Marke Atalan und Schnorrenberg bereit, alles klaglos hinzunehmen: Wie katatonisch bestaunen die Fans den unfassbaren Absturz des Dinos der 3. Liga. Der aktuelle Punkteschnitt von 0,85 liegt sogar noch unter dem früherer Katastrophenjahre. Aber die allgemeine Akzeptanz des anstehenden Unheils ist deutlich größer.

Die Zerstörung die Halleschen FC, sie entspringt eine r Mischung aus Hybris und Ignoranz. Niklas Kreuzer, ein Überlebender aus besseren HFC-Zeiten, der im aktuellen Mannschaftsgefüge zuweilen wie ein irrtümlich auf dem Platz eines Amateurvereins gelandeter Profi wirkt, ist es in einem Moment der inneren Empörung aus dem Mund gerutscht. "Ich höre seit Monaten immer nur, wir haben mehr Talent als die anderen, aber das musst du auch mit Ergebnissen belegen." 

Fußball für die B-Note

Es gibt im Fußball keine B-Note, keine Punkte, die herbeigeredet oder am Laptop bestellt werden können. Es gibt nicht einmal die eine oder andere Saison, in der sich alles trainieren lässt. Es gibt allerdings jedes Jahr für für drei Vereine die Saison, in der die Menge der Fehler, der Fehleinschätzungen und der zu lange festgehaltenen Hoffnungen dazu führt, dass die Reise auf der Rasierklinge so tief im Tabellenkeller endet, dass der nächste Neuaufbau auf einer ganz anderen Basis stattfinden muss. 

Chemnitz, Jena, Erfurt, Cottbus, etliche frühere Liga-Konkurrenten können ein Lied davon singen, wohin es führt, wenn weder die Abwehr funktioniert noch eher zufällig ins Team geratene Einzelkönner wie Terrence Boyd oder Elias Huth dafür sorgen, dass sich der Verein am Tag der Endabrechnung doch noch über der Todeslinie festgekrallt hat. Die halbe Saison ist rum, der HFC steht dort, wo er seinen Leistungen nach hingehört. Die Bilanz ist auf allen Zeitebenen negativ, die Tendenz eindeutig: Ein seit Jahren schleichender Verfall führt geradewegs dorthin, wo der kleine, nie von Umfeld, Fans, Geldgebern oder Medien verwöhnte Verein damals herkam. Die Regionalliga, das Massengrab der ostdeutschen Traditionsvereine.

10 Kommentare:

  1. Wenn es nicht so tragisch wäre, würde ich für den Artikel Beifall klatschen. --Ein Freund aus Ammendorf ;)--

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  2. Immer wieder genau analysiert. Ich verneige mich vor dem Verfasser. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

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  3. ... auf den Punkt gebracht. Respekt

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  4. Ich muss mich immer überwinden, diese Zeilen zu lesen. Immer ein Stich in das HFC-Herz und doch so richtig und wahr.

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  5. ich wollte das nicht schreiben. musste aber. man muss entschlacken, um nicht dran zu ersticken.

    besonderen gruß nach ammendorf! was waren das früher noch für zeiten, auch so schlimm und doch so schön

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    1. Ich sehe ein, dass man sich mit dieser Generalabrechnung seinen Frust von der Seele reden muss... Ich habe im Fussball gerlernt, vielleicht auch im Leben, dass man immer so lange an etwas glauben soll, bis der Tod eintritt und der Nachruf dann erst einsetzt. Ich möchte wenigstens nicht an Freundschaftsspiele denken, die uns jetzt bevor stehen... Und hey, Klar, aber wollen wir uns jetzt selbst bis zum Ende der Saison jede Woche mit Frustreden quälen, so sehr sie auch zutreffen.. Für ein Nachruf, vielleicht auch Abrechnung haben wir danach noch Jahre Zeit, vielleicht unser ganzes Leben Zeit...

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  6. Eine Großtante mütterlicherseits von mir musste im Februar 45 in Ammendorf mit Mustangs um die Wette rennen, diese mit 2000 - 2700 PS.
    Hat aber ihren Humor nicht verloren. PTBS (F43.1) gab es damals noch nicht.

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  7. Pulitzerpreisverdächtig.

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  8. OT
    Maaßen, der Herr mit der interessanten Physiognomie, hat den NSU-Quark mitgetragen. Mutmaßlich hat er sich gesagt, das mit den Hetzjagden könnte den Pöbel dann doch allzu tückisch machen, etwas kürzer zu treten wäre klüger ... oder, das eine schließt das andere ja nicht aus, er soll als Sympathiefigur für das Kleinbürgertum, bzw., was sich dafür hält, aufgebaut werden.

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  9. Gibt es nicht 4(vier) Absteiger?

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