Samstag, 28. Januar 2023

Hass auf Herkunft: Stimmungsmache gegen Sündenböcke

Der neue Maskulinismus bedroht Deutschland ganz akut.

Nach dem umstrittenen Angriff auf Zugfahrende in Brokstedt hat sich Deutschland einmal mehr ohne Zögern in eine Zeitschleife gestürzt. Die Öffentlichkeit gibt sich entsetzt, die Innenministerin lässt alte Bestände von früheren Ich-bin-in-Gedanken-bei-den-Opfern-Tweets verbreiten und die Medien schreien nach sofortigen Konsequenzen für Täter, Haftrichter, das deutsche Rechtssystem und die EU-Regeln zur Ausweisung von Geflüchteten, die nach langen Jahren des Aufenthaltes mit "Fiktionspapieren" zurechtkommen müssen, statt als das versprochene Menschengeschenk daran mitzuarbeiten, die Renten der abgängigen Babyboomer zu erarbeiten.  

Deutschland Ruf wird leiden

Eine fatale Situation, die droht, Deutschlands durch das große Panzerpaket eben erst aufpoliertes Restansehen im Ausland, vor allem in der muslimischen Welt und erst recht in Palästina zu beschädigen, schreibt PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl in ihrer harschen Abrechnung mit einer Affäre, in der es nur wenigen gelang, sich treu zu bleiben und vom Täter nicht auf die Tat zu schließen, damit die Gewalt in einem - einzigen! - Regionalzug in Schleswig-Holstein von Rechten, Rechtsradikalen und Rechtsextremen nicht für Hetze genutzt werden kann.

Nötig wäre eine Debatte, die ohne die gezielte Ausgrenzung Kranker, ohne vorschnelle Beschuldigungen und die pauschale Bezichtigung von Bürger*innen befreundeter Staaten als Täter*innen auskommt, wie sie selbst große, von den Bürgerinnen und Bürger finanzierte Medienhäuser reflexhaft betreiben. Wenn ein teilstaatliches Portal fragt, ob "die Herkunft eines Täters etwas mit der Tat" zu tun habe, wie das die zum Bundesbesitz zählende Newsseite T-Online tut, dann werden gezielt andere Fälle verschwiegen und kleingeredet, in denen diese Frage wie selbstverständlich nicht gestellt wird. Herkunft macht keine Täter, ein Messer macht keine Täter, niemand wird als Straftäter geboren, kein Pass verpflichtet seine*n Besitzer*in dazu, gewalttätig zu werden und friedliche Passagiere eines Zuges anzugreifen. Die eigentlich Frage ist doch: Was steckt hinter den tödlichen Messerattacken auf Fahrgäste? Und "wann wird aus einem Mann, der am Rande der Gesellschaft lebt, eine tickende Zeitbombe?", wie die amtlicher Danachrichtenagentur DPA fragt.

Gewalt nur im Kollektiv

Das war einst allgemeines Grundwissen in einem Land, dessen Bevölkerung gewohnt war, Gewalt gegen Mitbürger erst nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Regierung, dann aber kollektiv auszuüben. Dieser alte Brauch aber scheint offensichtlich verlorengegangen zu sein in einer Gesellschaft, in der die rechten Populisten immer wieder neue, schreckliche Anlässe finden, weil es dem Staat nicht gelingt, furchtbare Taten gegen das Leben, wie es Staatsanwälte nennen, nicht zu verhüten. 

Dabei geht es nicht um einen Generalverdacht nach Herkunft, sondern um gezielte Einzelfälle, die vorbeugend erkannt und verhindert werden müssen. Mag es auch einen betroffenen Eindruck machen, wenn die scheidende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten  zur Unglücksstelle eilt, um Blumen abzulegen. Viel wichtiger wäre doch, dass sie gemeinsam versuchen, erneute Integrationsdebatte am falschen Platz und zum falschen Zeitpunkt zu verhindern. 

Akute Lage klug abmoderieren

Dass das möglich ist, hat der Umgang mit den Silvesterunruhen von Berlin gezeigt: Die von Populisten, Internethetzern und einem "liberal-konservativen Milieu" (Berliner Zeitung) ausgelöste rassistische Hetzkampagne gegen Paschas, Böller und Berliner Jungs befriedete die Bundesregierung, indem sie die Erstellung eines "Lagebildes" in Aussicht stellte. Auch der Fall Illerkirchberg, Ältere erinnern sich, wies nach, dass ein verantwortungsvolles Krisenmanagement akute Lagen abschließend abmoderieren kann, ohne dass mit nachfolgenden Berichterstattungsproblemen gerechnet werden muss.

Mit Blick auf Brokstedt muss die Diskussion auf den Umstand fokussiert werden, dass der Täter wieder ein Mann ist, dass er wieder auf Bahngelände zuschlug, wieder an einem Wochentag, der mit dem Buchstaben M beginnt und wieder in einem Ort, der einen überaus typischen deutschen Namen trägt  wie meistens bei Verbrechen hierzulande. Dennoch schiebt die Gesellschaft auf der Suche nach einem Sündenbock all diese auffälligen Gemeinsamkeiten beiseite, um ungestört über Integrationsprobleme klagen und nach Abschiebungen rufen zu können. 

Wurzellos und missachtet

Das fällt hier leicht, weil der mutmaßlich Tatausführende ein staatenloser Palästinenser ist, der eben erst aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, weil sie schon länger andauerte als die für seine letzte Gewalttat in Aussicht stehende Haftstrafe. Wo aber soll so jemand hin, in einem fremden Land mit einer fremden Sprache, das einen nie hat ankommen lassen und scheel schaut wegen kleinerer Körperverletzungsdelikte und kürzerer Gefängnisaufenthalte? Menschen wie dieser wurzellose, einsame und von der Mehrheitsgesellschaft missachtete junge Mann landen dann dort, wo die einsamen und gebrochenen Herzen schon immer Zuhause waren: Auf den Bahnhöfen, die von anderen Orten erzählen, an denen alles besser ist. In der Nähe der Gleise, die fortführen von den Städten und Stätten des eigenen Unglücks. Und in den Zügen, die versprechen, einen nach Hause zu bringen.

Doch die "unverantwortliche Stimmungsmache" (FR), die den Ausraster eines Einzelnen angesichts seiner sicherlich verzweifelten Situation als Mann, der sich nicht angenommen fühlen durfte, nutzt, um Wut auf Migranten und Migrantinnen, auf Flüchtlinge, Geflüchtete und Zufluchtsuchende schürt, macht sich selbst zum Werkzeug von Hass und Gewalt. Laute Stimmen wie die des  Fernsehmoderators Markus Lanz bestimmen den Ton: Sie ignorieren die Fakten, nach denen es auch schon lange vor 2015 immer wieder zu Unglücksfällen bei der Deutschen Bahn kam, bei denen Menschenopfer zu beklagen waren. Denn ihr Ziel ist es allein, der Gesellschaft eine Migrationsdebatte aufzuzwingen.

Warum kein Generalverdacht gegen Messer

Die Fakten, die eine klare Sprache sprechen, sind dabei vollkommen egal. Greift ein Mann Personen mit einem Messer in einem Zug an, dann könnte die Ursachensuche beim toxischen Maskulinismus ansetzen, bei den bekanntermaßen oft chaotischen Zuständen bei der Bahn oder rund um die benutzte Waffe ließe sich ein Generalverdacht gegen Messer aufbauen. Stattdessen aber zuckt der alte deutsche Reflex gegen das Fremde, gegen den Besucher ohne deutschen Pass, den sicherlich aus sehr guten Gründen geduldeten Mitmenschen, mit dem wir angesichts der Unmöglichkeit, einen Staatenlosen abzuschieben, lieber besprechen sollten, wie seine Integration uns doch noch gelingen kann als darüber, warum sie uns, den Wohlstandsgesättigten und Festverwurzelten, bisher nicht gelungen ist, obwohl sich das rechtskonservative deutsche Lager und konservative Migranten zum Beispiel vollkommen darin einig sind, dass eine Gesellschaft am besten von älteren Männern geführt werden sollte.


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Zu fragen ist auch, in welchem Zustand das Messer war. War es ein neues Messer oder ein gebrauchtes? War es scharf genug, schnell schneiden zu können, ohne unnötige Schmerzen zu verursachen? Oder war es gar ein verrostetes Messer, dessen Gebrauch gegen die Menschenwürde verstieße? Im letzteren Fall müsste von einem grausamen Verbrechen gesprochen werden, während die Benutzung eines Solinger Qualitätsmesser eher ein Zeichen der Menschlichkeit des Messerführenden wäre. Diese feinen Differenzierungen müssen bei einer Beurteilung der Vorgänge in der Bahn akribisch berücksichtigt werden. Es ist zu hoffen, dass Nacy Faeser diese subtilen Unterschiede und ihre richtige Einordnung bald zum Gegenstand einer Regierungserklärung macht.

Anonym hat gesagt…

BILD widmet den Opfern die Titelseite und schürt Vorurteile gegen messerschwingende orientalische Schlächter. Wozu wurde der Reichelt eigentlich abgeschossen wenn sowas nicht aufhört?

Wiki zu Reichelt:
...betreibt er den von mehreren Medien als rechtspopulistisch bezeichneten YouTube-Kanal Achtung, Reichelt!.
Von MEHREREN!

Anonym hat gesagt…

Bolschewikiblödia - zu welchem Thema auch immer - ist oft geeignet, Berserkerwut bzw. F*lterphantasien auszulösen.

Anonym hat gesagt…

in 4 oder 8 Jahren wird man diese verkackten Orientalen in Käfige sperren .

Anonym hat gesagt…

Da kann ich Svenja beruhigen. In 2 bis 3 Wochen weiß keiner mehr was über Brockstedt. Das ist dann so interssant wie das Essen von vor 3 Wochen. Konsequenzen wird es auch keine haben, außer natürlich für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Vieleicht liest man in 3 Jahren mal eine kleine Notiz, das leider keine Entschädigungen gezahlt werden konnten, aus hunderten juristischen Gründen.

Anonym hat gesagt…

das ist sehr wahrscheinlich . Ganz liebe Kirchentagsbesucher & Rechtspfleger sabotieren seit Jahrzehnten den Rechtsschutz deutscher Opfer . Klar lässt sich alles irgendwie begründen - das Gummiparagraphenrecht der brd bietet da viel Handlungsspielraum .

Widerstand , politischer Widerstand wird dann vom "vs" bewertet und "eingeordnet" ( so der cheff vom vs heute beim deutschlandfunk ) UND dann wird eben beobachtet .

und klar wurde heute auch : eine gewalttätige "antifa" wird eben NICHT beobachtet ( RWE Gelände ) - Bürgerprotest in Mitteldeutschland aber schon .

frei erfunden sind auch die Antisemitismusvorwürfe gegen cdu Politiker .

kontrolliere den Diskurs UND die Hermeneutik - dann kann dir niemand mehr straffrei widersprechen - man beachte den bolschewistischen Sprachduktus der Klebekinder ( und ihren Helfershelfern bei den gez Sendern ) .