Dienstag, 28. März 2023

Jahrgedächtnis Staubfänger: Brinkhaus' Aufruf zur Revolution

Es war ein Ruf wie Donnerhall: Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus forderte vor zwei Jahren eine Revolution für Deutschland.

Revolution! Das Morgen schon im Heute! Kein Bett und kein Thron für den Arsch zufried'ner Leute! Ralph Brinkhaus, der beim Anlauf auf den CDU-Vorsitz so tragisch gescheiterte Atlantiker, hatte die Nase gestrichen voll an jenem Märztag des Jahres 2021. Deutschland schien dem erfahrenen Innenpolitiker, lange Zeit ein zuverlässiger Gefolgsmann der ewigen Kanzlerin Angela Merkel, kurz vor dem Ende der Ära, die Deutschland in das Beste Deutschland aller Zeiten verwandelt hatte, müde, matt und krank. Ein Land, in dem Politiker routiniert lügen. In den Bürgerinnen und Bürger den Lügne*innen nicht mehr vertrauen wollen. Was Medien zu kaschieren suchen, indem sie immer nur noch besser zu erklären versuchen, wie gut es die da oben mit denen da unten meinen.

Wieder ganz offen und ehrlich die Wahrheit sagen" müsse man, sagte Brinkhaus im Bundestag. Aber nicht einmal das reiche mehr. Es brauche vielmehr einen Neustart für Deutschland, für das politische System, die Demokratie, die Gesetzlichkeiten. Alles. Er sprach sich dafür aus, "mit jenen ins zu Gespräch kommen, die sich von uns abgewandt haben", und selbst Protestwähler – namentlich der AfD – nicht für ewig mit einem Bann zu belegen.

Radikale Absage an Große Lähmungskommission

Einmal in Fahrt gekommen, war der Mann, der gegen den Willen der Kanzlerin in sein Amt als Fraktionsvorsitzender gewählt worden war, nicht mehr zu halten. Das Oberste kehrte er zuunterst. Kein Tabu ließ er unberührt. "Auf diesem Staatswesen liegt der Staub von 200 Jahren", wetterte der Abgeordnete aus Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen im Bundestag. Zu lange habe man zugeschaut, wie alles in die Binsen gehe. "Diesen Staub müssen wir beseitigen!" Ein Alarmruf, ein Ruf zu den Waffen. Brinkhaus, vor knapp drei Jahren Auslöser einer ersten Kanzlerinnendämmerung, als er Volker Kauder stürzte, der länger als ein Jahrzehnt als Kettenhund der Kanzlerin gediente hatte, schnitt bei seiner Abrechnung mit dem System das Fleisch bis auf die Knochen hinunter.

Wir brauchen in diesem Land nicht nur eine Reform, sondern wahrscheinlich sogar eine Revolution", rief der bis dahin eher als konservativ eingeschätzte CDU-Mann. Staub von 200 Jahren, die obersten Schichten in 16 Jahren Merkel selbst gemacht. Die Hoffnung und das unbedingte Versprechen des 52-Jährigen an Bürgerinnen und Bürger, Längerhierlebende und Nochnichtsolangeanwesende: Wäre die CDU endlich auch mal an einer Bundesregierung beteiligt und hätte sie in den Ländern etwas mitzubestimmen, wenigstens in manchen, werde Deutschland fit gemacht für die Zukunft, die erste digitalisierte Demokratie mit eingebauter diverser Nachhaltigkeit und - damals noch wichtig - täglicher Testpflicht.

Hoffnung für die Toten

Freilich: Damals witterte der Mittfünfziger noch die Chance, selbst als Kandidat für das höchste Amt infrage zu kommen. Die Revolution von ganz oben, sie wäre sein Projekt gewesen, an die zu denken, die schwach sind, "die Einzelhändler und überlasteten Intensivpfleger", die Leute, die zu Hause blieben, die Menschen, die mit Langzeitfolgen erkrankt seien, und die Menschen, die "einen elenden Tod gestorben" seien. "Es ist unsere Verantwortung, etwas für diese Menschen zu tun", sagte Brinkhaus, und er machte den Toten Hoffnung: "Natürlich hilft Testen, natürlich hilft Impfen."

Im dunkelblauen Macher-Anzug

Dass es nichts damit wurde, habe sich die Menschen draußen im Lande selbst zuzuschreiben. Erst zog die Union den unglücklichen Armin Laschet Brinkhaus als Kandidaten vor. Dann sah sich der frischgebackene Revolutionär sogar gezwungen, seinen Platz als Fraktionsvorsitzender zu räumen, um dem neuen Parteichef Friedrich Merz mehr politisches Gewicht zu verschaffen. Auf seinem neuen Platz in einer der hinteren Reihen verstummte Ralph Brinkhaus dann. 

Und der von ihm geplante Umsturz, der Deutschland in einen agilen Staat voller Dynamik hastte verwandeln sollen, er fiel aus. Zum Jahrestag der großen Revolutionsrede ist nicht nur Brinkhaus abgetaucht. Auch sein Vermächtnis, aufzuräumen und Staub zu wischen, ist den komplizierten Regelwerken, den EU-Richtlinien und dem Beharrungsvermögen der alten Mächte der Bürokratie und Bundespolitik unterlegen. 

Keine Revolution per Ruckrede

Es führt offenbar kein Weg über eine Ruckrede zur Revolution und kein Bittgebet zu einem staubfreien Haushalt. Längst haben sich die einstigen Reformer und zu allem entschlossenen Revolutionäre in kontemplative Stille zurückgezogen. Der Staub aus all den kaiserlichen und hitlerschen Jahren, er türmt sich auf Beihilferichtlinien und Rettungspaketen, auf Einigungen mit der EU und Preisbremsen, auf Regelungen zur Steuerpflicht von Vermögenszuflüssen durch staatliche Energiepreisspenden und einer in Lähmung gefallenen Zeitenwende. 

Alles, wie es immer war. Und Brinkhaus' großer Aufruf verpufft.


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wieviel Prozent des politischen Gepolters und Rauschens gehen den Weg der Brinkhaus'schen Revolutionsrede? Ich glaube, 100% wäre zu hoch gegriffen, aber irgendwo da in der Nähe.

ppq hat gesagt…

110!

Anonym hat gesagt…

Wieviel Prozent des politischen Gepolters und Rauschens ...

Es gibt immer noch mehr als genug Besengte in diesem Affenzirkus, z.B. die Hofnarren bei PIPI, Alter Frankfurter oder klimbd. Die dürften echt sein, keine U-BOOTE. Von dem Komiker francomacorisano bei Julius Rabenstein ganz zu schweigen.
Die toppen jeden Fefe - auf ihre Weise.

Anonym hat gesagt…

Die letzte Umbettung von des Führers morschen Knochen fand 1970 statt. Die Asche Hitlers wurde von der Schweinebrücke aus entsorgt. Das paßt, äh rockt.
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Das passt eben nicht. Wohlfeile Eselstritte mal eben so gegen IHN, obwohl er der herben Kritik natürlich wert ist - das ist eines Geistes wie Deinereiner nicht würdig. Es ist eine unbewusste magische Handlung, so wie toi-toi-toi oder klopf-auf-holz ...
Ich bin nicht ausländerfeindlich / kein Nazi / kein Rassist, aaaber ...
Der ganze Dreck passt mir (mehr als verständlich) nicht - aber ich bin dennoch ein artiges Kind ...

Die Anmerkung hat gesagt…

Das paßt schon. Zuweilen ist ein Eselstritt gegen diese species vonnöten.

Danke, daß er jetzt auch hier im Kommentarkeller nachzulesen ist.

Anonym hat gesagt…

Äggrie tu disäggrie, wie der Inselaffe zu sagen pflegt(e).
Ich halte es NICHT vonnöten.