Donnerstag, 13. März 2008

Das tagtägliche einzigartige Böse

Martin Walser? Dieter Süverkrüpp? Peter Handke? Nein, Tony Judt bei der Verleihung des Hannah-Arendt-Preises im November 2007. Ist untergegangen, irgendwie.

Wenn aber nun Hitler, Auschwitz und der Völkermord an den Juden das einzigartige Böse verkörpern, wie kommt es dann, dass wir andauernd ermahnt werden, das Gleiche könne überall wieder geschehen oder sei bereits im Begriff, wieder zu geschehen? Bei jeder antisemitischen Schmiererei an einer französischen Synagoge heißt es, das "einzigartige Böse" sei nun wieder unter uns und 1938 stehe wieder vor der Tür.

Wir verlieren allmählich die Fähigkeit, zu unterscheiden zwischen den gewöhnlichen Sünden und dem ganz normalen Wahnsinn der Menschheit in Form von Dummheit, Vorurteilen, Demagogie und Fanatismus einerseits und dem wirklich Bösen andererseits. Wir erkennen nicht mehr, was die politischen Religionen der extremen Linken und der extremen Rechten im 20. Jahrhundert so verführerisch wirken ließ, so modern und dem gesunden Menschenverstand so weit entgegenkommend.

Vor sechzig Jahren befürchtete Hannah Arendt, wir würden keine Worte finden, um über das Böse zu sprechen und würden seine wahre Bedeutung daher nie erfassen. Heute sprechen wir ständig vom Bösen, doch das Ergebnis ist das gleiche: Wir haben seine wahre Bedeutung verwässert.

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