Samstag, 17. Januar 2009

Staatsschutz liest nicht Zeitung

Allzuoft kommt ein Staatsschützer in Bayern nicht dazu, mal einen Blick in die Zeitung zu werfen. Daran ändert auch der aufsehenderregende Fall des Anschlages auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl nichts: Die "neue Dimension rechtsradikaler Gewalt" (Horst Seehofer) beschäftigte Mitte Dezember die gesamte Republik. Nicht aber die Beamten des Staatsschutzes in München.

Eine Woche lang hatte die Polizei so gute Hoffnung, Tatverdächtige für das Lebkuchenmesserattentat gefangen zu haben. Ein Nazi aus München und seine Frau saßen in Haft, weil eine Nachbarin Mannichls den männlichen Teil des Paares gesehen hatte - zwar weitab vom Tatort und ohne Lebkuchenmesser in der Hand. Aber in Ermangelung anderer Tätverdächtiger beantragte Staatsanwalt Helmut Walch einfach mal einen Haftbefehl, den der zuständige Richter aufgrund der erdrückenden Beweislast (ein Hynotiseur hatte der Zeugin Glaubhaftigkeit bescheinigt) spontan erließ.

Dann aber, eine runde Woche genossen die Verdächtigen schon die Gastfreundschaft der bayrischen Knäste, schauten ein paar Staatsschützer in München doch mal zufällig in die Zeitung, die voll waren von Fotos des für fünf Minuten berühmtesten nazi-Paares der Republik. Und plötzlich fiel ihnen ein, dass sie Manuel H. und seine Frau Sabrina just zur Tatzeit überwacht hatten. Am 13. Dezember um 17.30 Uhr hatten die beiden sich "mit Gesinnungsgenossen in Erding getroffen", schreibt der Focus. Dabei wurde das Paar aus München lückenlos bis zum späten Abend beobachtet. "Sofort" meldeten sich die observierenden Verfassungsschützer und Staatsschutz-Polizisten nun als Alibizeugen.

Fast noch schneller handelte Helmut Walch, der Leiter der Staatsanwaltschaft in Passau: „Nachdem ich von diesen Zeugenaussagen erfuhr, beantragte ich die sofortige Freilassung des Ehepaares aus der U-Haft", berichtete er dem Focus. Nur eine Woche hatten die beiden absitzen müssen, zu ihrer Entlastung veriet die Polizei den Medien nun aber nicht etwa, dass beide von verlässlichen Zeugen an einem anderen Ort gesehen worden waren. Sondern nur, dass "der Tatverdacht nicht aufrechterhalten" habe werden können. Irgendwie schade, denn es hätte so gut gepaßt.

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