Mittwoch, 27. Mai 2009

War das schon der Weltuntergang?

Der Dax knapp an der 5000, das Konsumentenvertrauen auf dem Weg nach oben, die Preise im Sturzflug, die Staatskassen leer und Opel kurz vor der Rettung, wenigstens dem Namen nach. War er das nun schon, der Weltuntergang? Ist sie vorüber, die "schlimmste Krise des Kapitalismus" (Gesine Schwan) seit den Hunnenkriegen, den Verträgen von Tauroggen und den autofreien Sonntagen der 70er Jahre?

Ein halbes Jahr und gefühlte 470 Krisenrunden im Staatsfernsehen immerhin hat es gedauert. Ein halbes Jahr, in dem "Schutzschirme" gespannt wurden und "Rettungsschirme" entfaltet, Nachtragshaushalte wurden verabschiedet und Banken gerettet. Ein halbes Jahr, in dem sich Experten dem Jüngsten Tag nahefühlten und Provinzpolitiker die Welt retten mussten.

Jeder Tag ein Schicksalstag, jede adhoc-Meldung von der Börse ein Donnergrollen, das die nahe Apokalypse ankündigte. Bis schließlich keiner mehr hören konnte. Bis schließlich nicht einmal der Finanzminister mehr wusste: Habe ich die Bad Bank nun eigentlich gegründet? Und gibt es die West LB eigentlich noch? Hat die KfW ihre Steuerspargesellschaften im US-Bundesstaat Delaware geschlossen oder noch neue dazugegründet? Weiß Peer Steinbrück nur Bescheid oder hat er die Anweisung gegeben und brüllt deshalb so laut nach kleinen Steuertricksern, die ihre fünf Mark achtzig in der Schweiz verstecken?

Unterwegs haben sie gemerkt, dass sich mit dem Argument "Krise" alles begründen lässt. Die Krise ist der neue 11. September, die Rettung vor den Folgen extensiver Verschuldung durch noch extensivere Verschuldung der neue "Krieg gegen den Terror". "Konjunkturpakete" sind natürlich viel zu langsam und zu schwach, eine Volkswirtschaft zu retten. Ihre Wirkung kommt stets zu spät, dann nämlich, wenn die Krise längst überwunden ist. Sie dienen dennoch einem guten Zweck: Hat man sie verabschiedet, lässt sich im Nachhinein stolz behaupten, sie seien es gewesen, die das Ende der Welt, wie wir sie kennen, verhindert hätten.

Es reicht ja auch die Ankündigung einer "Abwrackpraämie", die nach Monaten immer noch eine Ankündigung ist, um den Autoabsatz anzukurbeln. Es reicht die Ankündigung von Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, um pleitebedrohte Städte zu unternehmungslustigen Bauherren zu machen. Nichts ist so spendabel wie der Weltuntergang, denn das allerletzte Hemd hat ja keine Taschen.

Einmal runter, einmal hoch, und das bisher doch noch ohne Währungsschnitt und Armenküche, ohne brennende Barrikaden und Machtübernahme durch Oskar Lafontaine. Ging dessen heißgeliebter Sozialismus an einem Übermaß an Visionen zugrunde, die den Kontakt mit der Wirklichkeit dauerhaft nicht ertrugen, so überlebt der Kapitalismus durch das genaue Gegenteil: Ringsum ist keine Vision zu sehen, wie eine Gesellschaft sein müsste, um besser zu sein als diese. Wo es aber keinen Ort gibt, an den sich zu fliehen lohnt, bleibt der Mensch meist, wo er ist.

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