Dienstag, 17. November 2009

Die dritte bitte

Ist Stephan Krawczyk wirklich wahnsinnig geworden? Oder der Provokateur geblieben, der er immer war? Bei einem Auftritt im Schloss Bellevue sollte der Liedermacher ("Widerstehn") die Verleihung von Bundesverdienstkreuzen an DDR-Bürgerrechtler wie den Unnaer Gedenkstättenchef Hubertus Knabe klampfend untermalen, dabei aber, so berichtet das investigative Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", habe sich der einst von der SED mit einem Bann belegte Künstler "im Text vergriffen". Krawczyk, bisher nicht als Neonazi aktenkundig, sang die erste Strophe der Nationalhymne statt der hierzulande ausschließlich üblichen dritten.

"Deutschland, Deutschland über alles. .." habe Krawczyk geschmettert, bis er unterbrochen und darauf aufmerksam gemacht wurde, dass Hoffmann von Fallersleben zwar drei herzblutend-nationale Strophen gedichtet, in zweien aber zumindest jüngerer Lehrmeinung zufolge über das Ziel hinausgeschossen habe. Ob Krawczyk dann weitersang und was, konnten die "Spiegel"-Praktikanten entweder nicht ermitteln oder nicht aufschreiben. Es reichte nur noch zum Hinweis dass die "ersten beiden Strophen zwar nicht verboten", seien, " aber - nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus - weitgehend tabuisiert".

Der einstige Staatssekretär und heutige Bundespräsident Horst Köhler selbst, seit seinem aus dem Jahr 1990 stammenden Hinweis, in der DDR-Industrie müsse "auch mal gestorben werden", bei Ostdeutschen und Bürgerrechtlern gleichermaßen kultisch verehrt, habe Krawczyk mit dem Satz "Die dritte Strophe, bitte", auf den rechten Pfad zurückgeleitet, berichtet die "Welt".

Die weitergehend aber auch die Hände hebt: "Ob Krawczyk den Fehlgriff als kleine satirische Einlage gedacht hatte oder ob er tatsächlich hymnenhistorischer Unkenntnis geschuldet war, ließ sich im Nachhinein freilich nicht mehr ermitteln". Vermutlich, weil Stephan Krawczyk schon wieder im Stasi-Knast Hohenschönhausen sitzt und von dort seinerzeit Bärbel Bohley direkt zu einem "Studienaufenthalt" nach Großbritannien ausgewiesen wird.

8 Kommentare:

  1. "Deutschland, Deutschland, allen über, allen über auf der Welt", gesungen nach der Haydnschen Kaiserhymne: "Gott bewahre, Gott beschütze, uns, vorm Kaiser, diesem Narrn".
    Alternativ die schöne Hymne "Auferstanden? Aus! Ruinen!", die aber aus der Mode gekommen ist.
    Stuff

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  2. Tja, man hätte statt der gebeutelten Hymne mit mißverständlichem Text zumindest einen viel besseren Text haben können (Melodie hätte gepaßt): Auferstanden aus Ruinen usw. usf.

    Ich kann an dem Text nichts schlechtes erkennen und daß er seit 1970 nicht mehr gesungen wurde, spricht ja eher für den Text.

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  3. VollstreckerNovember 17, 2009

    Was für ein Spaß! Die Parallelen zur DDR werden immer deutlicher. In der Zone wurde die Hymne gar nicht mehr gesungen und in Bundesgermanien wird das politisch "Unkorrekte" weggelassen. Das hatten wir doch alles schon einmal!!

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  4. @vollstrecker. wo du recht hast, hast du recht. diese parallele ist aber dann schon laaaaang

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  5. Zumindest wurde Krawczyk (und Freya Klier ?) wenigsten wieder einmal erwähnt.

    Nach dem Fall der Mauer waren Krawczyk&Klier (und einige Andere) nicht mehr soooo wohl gelitten und man hat es vorgezogen, lieber den Pausenclown aus Halle als "Stimme des Ostens" vorzuführen.

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  6. Niedriger hängen.

    Die westliche PC-Diskussion über die richtigen und falschen Strophen hat bei Krawczyks Sozialisation keine Rolle gespielt - weil die ganze Hymne in der DDR tabu war.

    Und wenn das Deutschland-Lied angesagt wird, liegt es nahe, auch mit "Deutschland ..." zu beginnen.
    War wohl schlicht ein Versehen.

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  7. @R.A., es gibt in Deutschland NIEMANDEN, der nicht weiß, daß 1. Strophe = pfui ! ist ... ein Versehen war das niemals. :-)

    ... eher ein bißchen Löcken gegen den Pfahl. Ich glaube, man tut K. Unrecht, wenn man ihn hier als "unkundig" beschreibt.

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  8. ich werde ihn einfach mal fragn

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