Samstag, 19. Dezember 2009

Kampfsieg im Kühlschrank

Zwei Wochen Tag und Nacht getagt, Dattelkuchen gegessen und Temperaturkurven betrauert und das ist nun das Ergebnis der Kopenhagener Klimarettungszusammenkunft: Ernüchternde minus 15 Grad im halleschen Kurt-Wabbel-Stadion, in dem das Wetter an diesem letzten Tagungstag der Regionalliga Nord alles Klima vergessen lässt. Von wegen Erderwärmung - hundekalt ist es, verschneit und winterlich, wie das nach allen der Wissenschaft vorliegenden Zahlen gar nicht mehr vorkommen dürfte.

Unbedingt spielen hatten sie wollen, denn um zu verhindern, dass gleich zwei Spiele im Frühjahr nachgeholt werden müssen, kann das Zwei-Grad-Ziel der Weltgemeinschaft zur Kenntnis genommen werden, wie das auch die Delegationen in Kopenhagen getan haben. Erreicht aber werden muss das Drei-Punkte-Ziel. Der Gast aus Hamburg St. Pauli, schlechteste aller Reservevertretungen, gilt Trainer Sven Köhler als unbedingt schlagbar, auch bei Schnee und Bodennebel, an denen auch der hallesche Sonnenscheinmacher Sandro Wolf heute nichts mehr ändern wird. Drei Punkte aus dem letzten Hinrundenspiel, das eigentlich schon das zweite der Rückrunde ist, werden zu Tabellenplatz drei in Sichtweite des führenden SV Babelsberg reichen.

Pauli II ist programmgemäß nur durch das traditionelle Armeesportverein-Braun seiner Trikots gut vor dem weißen Untergrund erkennbar. Das Fußballspielen hingegen betreiben ausschließlich die Rot-Weißen, diesmal von Anfang an mit Markus Müller, dem Drei-Tore-Helden des Sieges gegen Lübeck. Auf rechts wirbelt Toni Lindenhahn, die Entdeckung der Saison, in den Mitte darf sich erneut Pavel David als Regisseur versuchen.

Halle startet enthusiastisch, 1512 Fans in Kurts Kühlschrank sehen eine Elf, die anrennt, als hoffe sie, das Spiel werde früher abgepfiffen, wenn es nur schnell entschieden ist. Kanitz hat eine Großchance, Lindenhahn folgt, danach zieht Schubert aus der Distanz ab und trifft nur den Pfosten. Nach einer halben Stunde steht es 12 zu 2 nach Ecken, nach Toren müsste es mindestens 3 zu 0 stehen. Aber Paulis Torwart Arvid Schenk, nicht verwandt oder verschwägert mit dem Nordpolwanderer Arvid Fuchs, kommt mit der geschlossenen Schneedecke blendend zurecht: Er steht zufällig immer da, wo der Ball hinfliegt, zielen Halles Spieler ausnahmsweise mal an ihm vorbei, fliegt er durch die kalte Luft und lenkt den Ball an den Pfosten oder ins Aus, hat er Abstoß, baut er sich ein Schneehügelchen und drischt den Ball wie ein Kleinfeld-Tiger-Woods in den Winterhimmel.

Ein Geduldsspiel, das ist zur Halbzeit schon klar. Hier regiert nicht der Fußball, sondern der Zufall, die Bälle springen, wie sie wollen, mal werden Pässe auf dem Schneeboden schnell, mal bleiben sie unverhofft liegen. Spätestens als Markus Müller aus anderthalb Metern frei vor dem Tor vergibt, weiß jeder im Stadion, dass der Plan mit den schnellen drei Punkten vor Weihnachten auch schiefgehen kann.

Vor zwei Jahren wäre er das sogar mit Sicherheit. Inzwischen aber ist nach Halle der Glaube zurückgekehrt, dass auch solche Spiele gewonnen werden können. Angriffswelle auf Angriffswelle rollt auf den wackeren Schenk in seinem zartvioletten Negligé zu, Chance um Chance wehrt er ab. Bis Toni Lindenhahn, ein Ballzauberer auch im Schnee, auf Rechtsaußen an der Strafraumlinie gelegt wird. Die folgende kurze Ecke segelt in den Fünfmeterraum und vom Kopf des erfahrenen Ronny Hebestreit irgendwo unter die Latte. Von dort springt der Ball zwar wieder ins Feld, aber die Hallenser jubeln schon: Angeführt von Hebestreit bildet sich im Mittelkreis ein unsichtbarer Bob, dessen Besatzung ausgelassen feiert, als sei das schon die Meisterschaft.

Zumindest ist sie nun noch weiter möglich, Zwei-Grad-Ziel hin oder her. Pauli stürmt nun noch ein bisschen, Darko Horvat hält noch einen Schuss. Dann reißen die Rot-Weißen die Arme hoch. Endlich Urlaub!

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