Dienstag, 19. Januar 2010

Demonstrationen vor geheimen Serverzentren

Als Redakteurin der Zeit und Buchautorin entwirft Susanne Gaschke fortgesetzt "Strategien gegen die digitale Verdummung" (Buchtitel), die so raffiniert sind, dass der digital verdummte Normalsurfer sich fragt, warum er darauf eigentlich noch nicht selbst gekommen ist. Einen neuen journalistischen Meilenstein hat Gaschke gerade unter dem Titel "Im Google-Wahn" vorgelegt - ein Text, der befürchten lässt, dass die Expertin sich tatsächlich in einem solchen befindet. "Der Internetgigant kennt bald jeden unserer Schritte", ahnt der Vorspann düster, deshalb rüttelt die Autorin ihre Leser auf: "Es ist Zeit, dass die demokratische Gesellschaft sich wehrt". Wehrt nämlich gegen einen "Giganten", der mit dem "internetfähigen Google-Handy Nexus One" (Textzitat) ein "Programm" ausliefert, das gemachte "Fotos per Internet gleich zu identifizieren vermag". Bald werde nun, so deucht es die Warnerin, "so jeder Fremde im Café erkennbar sein – wenn es irgendwo im Netz ein Bild von ihm gibt. Das stellt unseren Begriff von Privatsphäre radikal infrage".

Eine Vision, die dann auch nicht weiter begründet werden muss.Es braucht auch keine Definition von "unserem Begriff von Privatsphäre". Er ist der Susanne Gaschkes. Ganz einfach. Radikal! Google hat, so schreibt es weiter "Monopolansprüche auf die Ressourcen der Wissensgesellschaft", zu denen offenbar Handyfotos gehören. "Das neue Handy", so heißt es tatsächlich wörtlich, "trägt nun die Netzanbindung vom Schreibtisch hinaus in die Wirklichkeit: Wer will, kann künftig überall total online sein."

Etwas ganz Neues, nie Dagewesenes, zumindest für Hamburg. Mit dem Handy ins Netz! Was sich der Google-Teufel da wieder hat einfallen lassen. Noch mehr Schreckliches hinter: "Das Bilderkennungsprogramm mit dem Namen Goggles erläutert dem Nutzer historische Bauwerke, das Handy findet den Weg zum Bahnhof und sucht das netteste Restaurant in der Nähe aus."

So hat sich nicht einmal Aldous Huxley die Schöne Neue Welt vorgestellt. Jeder sein eigener Spitzel, rundum die Uhr von sich selbst überwacht. Das habe seinen Preis, klärt Susanne Gaschke ohne Federlesens auf: "Google nimmt für die wenigsten seiner Angebote Geld – und lässt sich stattdessen mit den Daten seiner Nutzer bezahlen."

"Ohne Genehmigung" analysiere Google gemachte Abfragen, es kenne jeden seiner Nutzer, selbst wenn es gar nicht wissen kann, wer gerade vor dem Computer sitzt. Die Apokalypse ist nahe, denn die Firma fotografiere auch Straßen für ihr Street View, ohne zu fragen, also so wie jederman, der im öffentlichen Raum Aufnahmen macht, seit das in der DDR geltende Fotoverbot vor Bahnhöfen und Rathäusern mit der Mauer unterging.

Die Nutzer, die eine geheimnisvolle Kraft zu zwingen scheint, sich Googles zu bedienen, müssen geschützt werden, das ist nun klar. Deutschlands Regierung müsse deshalb am besten ein "Zukunftsministerium" gründen, "um die neue Netzwelt zu ordnen", fordert Gaschke nach noch mehr Eingreifen von noch mehr Experten, die dann endlich auch die Möglichkeit hätten, Daten nicht nur zu speichern, sondern auch mal morgens halb fünf ein paar Beamte vorbeizuschicken, die nach dem Rechten schauen und mitnehmen, wer noch ohne Genehmigung Straßenfotos gespeichert hat.

Bis dahin, darin gipfelt so ein Google-Verfolgungswahn, hofft die Expertin auf "Demonstrationen vor Googles geheimen Serverzentren". Demonstrationen vor Googles geheimen Serverzentren. Wo ist da jetzt der Treffpunkt?

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