Donnerstag, 18. November 2010

Bildungkrise erreicht Regierungsspitze

Eine Anzeigenserie der Bundesregierung mit einem 'offenen Brief' von Kanzlerin Angela Merkel an die Bürger ist auf heftige Kritik der Opposition gestoßen. Die Anzeige, die bis zum angekündigten Terroranschlag am 22. November in allen Tageszeitungen geschaltet wird, kostet 2,8 Millionen Euro, enthält dafür aber Rechtschreibfehler und Stilblüten. Mit der Anzeige hatte die ehemalige Klima-Kanzlerin eigentlich den 'lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern' für ihr Durchhaltevermögen und den unverbrüchlichen Glauben an ihre Führungskraft danken wollen. Herausgekommen aber ist ein Dokument, das belegt: Die Bildungkrise hat die Spitze der Regierung erreicht.

"Danke, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger", schreibt Merkel und gratuliert ihrem Volk dazu, dass es Deutschland zu dem Land gemacht habe, "das die weltweite Wirtschaftskrise am besten gemeistert hat". Die erste Stilblüte wartet schon im zweiten Satz: "Ohne die gemeinsame Anstrengung aller wäre uns das nicht gelungen", dichtet die gebürtige Hamburgerin unter Verwendung bedeutsam klingender Verstärkungformeln. Dass die "Anstrengung aller" notgedrungen ohnehin eine "gemeinsame" ist, fiel im Kanzlerinnenamt so wenig auf die der Umstand, dass das "uns" völlig unsinnig ist.

Diese Kanzlerin aber ist nun mal nicht Goethe. In ihrem dritten Satz wählt sie mit traumwandlerischer Sicherheit "was" wo korrekt "das" hätte stehen müssen, im vierten verzichtet sie auf ein Komma hinter "unser Land", obwohl gerade das die Bedeutsamkeit, nach dem hier jeder Buchstabe lechzt, herausstreichen hätte können.

Ein besonders bitteres Beispiel für die Pisa-Republik aber ist dann der fünfte Versuch der Hamburgerin, einen Gedanken sauber und fehlerfrei in die Wohnzimmer zu verklappen. Gleich dreimal schreibt Angela Merkel "ihre". Und gleich dreimal fälschlicherweise groß.

Woher soll sie es aber auch wissen. Immer nur regieren, immer nur Macht ausüben, Ränke schmieden, Konkurrenten wegbeißen. Da redet auch die erste Frau im Staate irgendwann gewöhnlich wie ein Bauer. Und sie schreibt, wie in Satz 9, "jetzt geht der Blick nach vorne". Vorne. Es gibt in der deutschen Hochsprache, also im Schriftdeutsch, kein Wort, das "vorne" heißt. Es gibt nur "vorn". Im Kanzleramt ist es andersherum.

Es sind ja aber auch ganz neue Zeiten. Die klassische Dichtung, ob gelogen oder nicht, kam seinerzeit noch ohne Doppelpunkt und Komma aus. Hier ziert der Bindestrich, von alters her der Gehstock der Legasteniker, jeden Absatz, und sei dessen Stilistik noch so sinnfrei. Am Ende der ersten Spalte etwa schreibt Merkel "die christlich-liberale Regierung packt sie entschlossen an - wie versprochen". Dabei hätte es "das versprechen wir" heißen müssen, denn die Versprechen kommen danach erst, sind also vorher noch gar nicht "versprochen".

Doch wer wird über den Inhalt barmen, wenn die Form schon nach gnädigem Schweigen schreit. Sichere "Energie-versorgung" verspricht Angela Merkel, und trennt, was zusammengehört. Als reiche das nicht, bekommt das Substantiv "Versorgung" auch noch einen kleinen Anfang. Selbst für führende Politiker im Land ist das peinlich. Es kann sich nur um einen Anschlag des bekannten Druckfehlerteufels handeln.

In der Rechtschreibung ist sie sonst ausgezeichnet, die Werbeagentur, die sich hier an Kanzlerinnensprache versucht hat. Aber die Zeichensetzung! Der letzte Absatz hebt mit einem Doppelpunkt an, führt einen Satz aus und setzt mit einem Doppelpunkt fort. Das König der Biere, der Krone der Grammatik.

Freude herrscht da eigentlich nur noch im Gesundheitswesen, wo die Sektkorken Flugtag haben, weil die Belegschaften Merkels Versprechen feiern "verhindern wir, dass viele Arztpraxen und Krankenhäuser schließen müssen". Es werden, wenn es nach ihr geht, nur wenige schließen müssen. Und wie viele es sein werden, weiß man leider nicht.

Zur inhaltlichen Analyse des Werkes bei Paramentus.

14 Kommentare:

  1. Über einiges kann man sich streiten, und überpingelig muß man da nicht sein. Sie spricht eben die Sprache des Volkes, und es ist genau ihr aufgeschriebes "gesprochenes Wort", ("der Blick geht nach vorne") so wie sie eine Rede vor brandenburgischen Kleinbürgern halten würde: "...ich glaube an die Menschen in diesem Land..." *in das Publikum blickend, und nacheinander drei Personen in den vorderen Reihen fixierend* "...an Ihre Ideen, an Ihre Vernunft, an Ihr Engagement". Dabei würde sie im sanften Redefall das "Ihr" immer besonders betonen.

    Daß im 2,8 Mio.-Budget aber nicht einmal ein Lektor eingebunden wurde, spricht Bände.

    Die vier Versprechen habe ich mir gar nicht mehr durchgelesen - der Stil ist zu dröge, Andersens Märchen sind packender.

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  2. das fürchterliche ist ja nicht, dass sie "vorne" sagt. nein, sie lässt es auch schreiben!

    das mit dem lektor wird an den sparbeschlüssen liegen.

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  3. achso, doch: für 2,8 mio bin ich überpinglig. selbst wenn hier im board meist auch gute absicht vor genauigkeit geht

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  4. Für fast 3 Millionen Werbung in eigener Sache machen. Hat das die Frau wirklich nötig? Oh, ja, stimmt, hat sie. Da sollten wir lieber froh sein, dass nicht 10 Millionen für die Kampagne ausgegeben wurde...

    Es werden sich dennoch (viel zu) viele von der Anzeige einlullen lassen. Bin mal gespannt auf die kommenden wöchentlichen Umfragwerte.

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  5. Haben ja die Phudys schon gesungen: "Vorn ist das Licht, Du kannst es sehen, vorn ist das Licht, beim Vorwärtsgehen, daß uns das Leben endlich trennt vom Tod." Nicht vorne.

    Hoffentlich kann sie wenigstens Kaffee kochen.

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  6. @nrw:
    Wie Recht Sie damit haben!
    Aber,nicht nur das.
    Frau Merkel blamiert sich mit dieser infantil anmutenden Banalität ihres "Briefes an die Bürger" auf`s Feinste.
    Schließlich geht es nicht ohne "Korrektur" und "OK" der "Bundeschefin"..
    Nein,ich wähle diese Frau nicht.

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  7. Ich bin gestern über dieses Schreiben gestolpert und hielt es für einen Fake. Peinlich. Sowohl die Kampagne, als auch die Ausführung.

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  8. naja, ist es ja auch. wenn wir bedenken, dass die merkeln uns immer als "ostdeutsche protestantin" verkauft wird. das kann ja dann sowieso nicht die westdeutsche pfarrerstochter sein, als die sie geboren wurde.

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  9. Immerhin hat sie Fortschrittlichkeit dadurch bewiesen, daß diese Anzeige nicht nur in den Printmedien, sondern auch in führenden Blogs geschaltet wurde. Wieviel hat ppq eigentlich von den 2,8 Millionen abbekommen für die Publikation der Anzeige?
    Ansonsten: Die Drohung mit den 80% sog. »erneuerbarer Energien« finde ich weitaus bedenklicher als das stilistische Desaster, aber vielleicht besteht da ja auch ein Zusammenhang: Denkfaulheit in Inhalt und Form.

    >> karleduard: Glaube ich nicht, wer Kaffee kochen kann, würde auch in der Privatwirtschaft unterkommen.

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  10. was meinst du denn, warum ich die so runtergemacht habe? weil sie uns nicht bedacht hat! dabei kriegst du eine anzeige für einen tag in der rechten spalte bei uns schon für weniger als 100000 euro.

    nein, eine hand, die nicht füttert, verdient es, gebissen zu werden

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  11. VolkerStrammNovember 20, 2010

    Nur 100000? Äußerst großzügig, PPQ.
    Man sollte sich auch nicht von der Besucherzahl (zurzeit sind es 3) beirren lassen.
    Hier ist nicht Masse, sondern Klasse!

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  12. VolkerStrammNovember 21, 2010

    Noch was zum Geld
    http://bizinformation.org/de/www.politplatschquatsch.com

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  13. klönntest du so nett sein und mir die emailadresse des käufers schicken? ich meine den, der 75000 zahlen will ;-)

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  14. ich sage immer, lieber 3, die lesen können, als 300, die schon tot sind

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