Montag, 24. Januar 2011

Wikileaks: Geheime Hochwasser-Verschwörung


"Hübsch, gut geschossen": Ein neu aufgetauchtes Video stürzt die Hochwasser-Krisenstäbe in Erklärungsnöte. Es zeigt, wie mehrere Männer im Zuflussbereich der Flutgebiete eine Gruppe von Hochleistungspumpen aufbauen und beginnen, Leitungswasser in die Schwemmgebiete zu leiten - ohne sichtbaren Grund. Während der Arbeiten lachen und scherzen die Männer über ihre Opfer.

Schlimm genug, dass im Hochwasserfall immer wieder unbeteiligte Zivilisten betroffen sind. Schlimmer noch, wenn die Krisenstäbe nachher versuchen zu vertuschen, dass es zu rätselhaften Einleitungen von Leitungswasser in die Flutgebiete gekommen ist. Am 12. Januar 2010 hat sich in Mitteldeutschland ein solcher Fall ereignet: Hunderte Häuser, Wege und Grünflächen wurde überflutet, weil im Zuflussbereich Pumpen immer mehr Wasser in die Auen fließen ließen.

Vorfälle, die bisher vertuscht wurden. Auf Nachfrage von Nachrichtenagenturen und anderer Medien antworteten Krisenstäbe stets, die mit Warnjacken bekleideten Männer hätten nur den Damm verteidigt. Es gab allerdings einen Zeugen, der normalerweise nie Ärger macht: Ein ehemaliger Wasserwerker filmte das Treiben auf dem Damm.

Nur wurden die Aufnahmen in diesem Fall auf der Internetseite Wikileaks veröffentlicht. Jetzt kann die Welt sehen, dass die Krisenstäbe gelogen haben. In dem knapp zwei Minuten langen Film ist zu sehen, wie mehrere Männer an Pumpen arbeiten, die riesige Wasserfontänen in die Auenbereiche am Stadtrand der mitteldeutschen Kulturhauptstadt Halle schießen.

Was die Männer vorhaben, ist nicht ersichtlich, zu erkennen ist allerdings, dass mindestens zwei von ihnen sich mit der Materie auskennen - was in Halle zunächst nicht ungewöhnlich ist, da von hier auch Händel stammt, der einst die "Wassermusik" komponierte. Während die Kamera über der Szene kreist, hört man die ebenfalls aufgezeichneten Stimmen der Pumpen-Besatzung. Die Männer beratschlagen, was zu tun ist, um noch mehr Wasser bewegen zu können, um die Wasserrechnung in die Höhe zu treiben. Davon ist auf dem Video nichts zu sehen: Weder sieht man einen Wasserzähler, noch ist das Verlegen neuer Schläuche zu sehen.

Was das Video brisant macht, sind nicht allein die unhörbaren Kommentare, sondern auch die erschütternden Bilder, deren Authentizität inzwischen von offizieller Stelle bestätigt wurden. Erst Wikileaks ist es nun dank "einer couragierten Quelle" aus der Wasserwirtschaft gelungen, die vom Krisenstab verhängte Nachrichtensperre in diesem Fall zu umgehen. Die Behörden müssen fürchten, dass das Beispiel Schule macht: Touristen mit Digitalkameras filmen traditionell einen Großteil der Einsätze von Hochwasserhelfer in Mitteldeutschland oder dem Rheinland, bei umstrittenen Einsätzen können sie im Nachhinein als Beweis dafür dienen, was tatsächlich vorgefallen ist. Die Aufzeichnungen sind als geheim klassifiziert.

Wikileaks ("leak" ist Englisch für "lecken, Leck schlagen") ging im Januar 2007 online. Die Seite gibt Insidern eine Plattform, die Geheimnisse ausplaudern wollen. Sie soll von chinesischen Dissidenten und Hackern aus aller Welt betrieben werden, alle sollen auf ehrenamtlicher Basis arbeiten. Die Dokumente, die Quellen auf der Seite der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, behandeln ein weites Themenspektrum von Giftmüll-Verklappung in Afrika bis zu Enthüllungsberichten über Scientology. 2008 wurde die Seite vom britischen "Economist"-Magazine mit dessen Preis für Neue Medien ausgezeichnet.

Zum Original-Artikel im "Spiegel"

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