Dienstag, 24. Juli 2012

Medien: Alltag in der Armenküche

Von „medialer Planwirtschaft“ schreibt Martin Eiermann im „European“ und damit meint er nicht die Medienlandschaft in der DDR, in der es das „Sportecho“ montags nicht gab und das „Mosaik“ nicht ohne Vorbestellung. Eiermann berichtet aus der Medienwelt von heute, in der Themenvielfalt aus unterschiedlichen Überschriften über denselben Texten besteht und Meinungsvielfalt in einem Zulässigkeitstrichter mehr und mehr zusammenschrumpelt. „Was bleibt, ist Planwirtschaft: zentrale Produktion von Inhalten, Mangelwirtschaft, monopolistische Vermarktung“, stöhnt der Autor.

Belege hat er zur Genüge. 58,8 Prozent der in Deutschland verkauften Zeitungsexemplare kamen im ersten Quartal 2012 aus nur zehn Verlagshäusern – das war ein historischer Rekord. Es ist schlimmer als bei Fast Food, schrecklicher als bei Jeans. Und das Internet ist auch keine Alternative: Die vier reichweitenstärksten deutschen Nachrichtenportale – „Spiegel Online“, „Bild.de“, „Focus Online“, „Welt Online“ – erreichen laut aktueller Zahlen 38,7 Millionen Unique Visitors pro Monat. Das sind mehr, als die nächsten zwölf Webseiten zusammen.

Die Menschen aber mögen es wohl so, sonst würden sie ja den einen Klick mehr machen und woanders nach dem Rechten schauen. So aber gleicht die „scheinbar diversifizierte Medienlandschaft in ihrem Kern eben doch eher der Plan- und weniger der Marktwirtschaft: Zentrale Produktionsketten, Mangelwirtschaft, monopolistische Vermarktung und Verbreitung“. Die „Bandbreite dessen, was viele von uns als journalistisches Tagesgericht aufgetischt bekommen“, schrumpft und schrumpft und schrumpft, weil die Wahrnehmung auf das konditioniert ist, was erwartet wird. Das Unerwartete fehlt nicht, weil es weder bestellt noch geliefert wird.

Das kalte Medien-Buffett ist eine Armenküche. „Ein strukturelles Problem, weil die Vielfachverwertung immer mehr zum Alltag wird“, klagt Eiermann an. Ein und dieselbe Meldung läuft unter Umständen unter drei verschiedenen Überschriften in drei verschiedenen Regionalzeitungen. Unter Umständen aber auch in 700.

Und noch schlimmer: Sie kommt von der einzigen staatlichen Danachrichtenagentur dpa, die sie im Zweifelsfall aus einer Vorab-Pressemitteilung von „Bunte“, „Spiegel“, „Focus“ oder ZDF destilliert hat. „Präsident Barack Obama mag seinen Hund“, „Desiree Nosbusch badet gern nackt“ oder „Merkel trainiert für Bodenseemarathon“ steht dann am selben Tag überall. Wie eine Woge schwappen Nichtigkeiten so machtvoll über Land, dass niemand ihnen entkommen kann.

Vera Lengsfeld, die es irgendwie geschafft hat, querköpfig zu bleiben, wie sie es immer war, hat im Zusammenhang mit den Abstimmungen zur Euro-Rettung Parallelen zwischen dem Bundestag und der DDR-Volkskammer entdeckt. Bei den Medien steht diese Entdeckung noch aus.

6 Kommentare:

  1. Wer nicht sehen will braucht es nicht und wer die Realtität nicht akzeptieren will braucht es in D kaum wenn es um "richtungsweisende politische" Entscheidungen geht.

    Ich sehe es hingegen etwas schwärzer. Wir haben eine Art Systempresse und wer heute noch etwas von einer anderen Seite betrachten will MUSS das über Blogs tun.

    In Blogs wurde zuerst der Wahnsinn mit den Bankenfailouts den Rettungsschirmen und auch dem Euro
    hingewiesen. Die Zahlen wurden auch nur dort "lesbar" ausgewertet. Ansonsten kann man vor lauter Nebel noch nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen.

    Ich als Deutscher lese als "Tageszeitung" eine NZZ, das muß man sich mal vorstellen. Die sogenannten kritischen Politikzeitschriften Spiegel und Focus haben so ungefähr die Unabhängigkeit des "aktuellen Kamera" und im Gegensatz zu sonst hat der Focus nicht zu besserem Jorunalismus geführt sondern zu einer Verschlechterung. Themen wie weit man was abschneiden kann/darf werden ausgewälzt und beim Euro wird über die heldenhafte Arbeite des Zentralkomitees geschrieben.

    Im Augenblick kommt mir D wie kurz vor dem "Endsieg" vor. Wer sich herauslehnt wird umgebracht auch wenn das Ende kommen wird. Oder: Der Schwachsinn in D ist Methode.

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  2. ich sehe das nicht so systemisch, weil es keine instanz/organisation gibt, die sowas regeln kann. das muss von selbst kommen, freiwillig, damit es klappt. aber in der wirkung hast du recht, genau so ist es.

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  3. Och ja das wird kommen der "freiwillige Aderlass der Zeitungen". Denn betrachtet man viele Zeigungen gleichzeitig am gleichen Tag, eine Einheitspresse, weil vielfach verschiedene Zeitungen in einem Verbund "Holding" zusammengeführt sind. Von Unabhängigkeit wie das immer vorgeschwafelt wird keine Spur. Aber ihr Grab haben sie sich selber geschaufelt, in Kürze wird sie niemand mehr beachten

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  4. Letzte Woche noch fragte mich der Chef:"Beziehen Sie keine Tageszeitung? Wie informieren Sie sich?..!"

    Mit ihm über Gleichschaltung und Probaganda zu plaudern unterlies ich dann bei seinem verwunderten Tonfall in der Frage.

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  5. @Friedrich,das Elend wird ja noch sichtbarer in Gestalt der Regionalpresse. Zwar werden auch die von den Agenturmeldungen und andernorts vorgefertigten Verbundseiten dominiert. Aber das in Eigenverantwortung produzierte unterschreitet nochmals jede Vorstellungskraft, jedenfalls in meinem Regionalblatt.

    Im Grunde genommen sind nur die Todesanzeigen lesenswert. Und das hat wiederum was tröstliches. Man kann jederzeit auf das dokumentierte Ableben eines Intimfeindes hoffen.

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  6. Oh, da hat mal einer in der DDR das Sportecho nicht bekommen.

    Lag sonst wie Blei in den Auslagen.

    Wie dramatistisch.

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